Irene Dische

Schwarz und Weiß

Roman
Cover: Schwarz und Weiß
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2017
ISBN 9783455404777
Gebunden, 512 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Elisabeth Plessen. Ende der 1960er Jahre stolpert der naive und ungebildete Duke Butler in das Leben einer intellektuellen Familie in der New Yorker Upper West Side, die den jungen Mann aus Florida wie einen Kaspar Hauser bewundert und sich seiner annimmt. Bevor er weiß, wie ihm geschieht, ist der Südstaatler mit Lili, der einzigen Tochter des Hauses verheiratet, avanciert zum Wein-Connaisseur und Vorzeige-Intellektuellen. Die verträumte Lili dagegen wird als Model entdeckt und zum talk of the town. Duke muss lernen, dass der echte New Yorker ganz gut ohne Herz auskommt, nicht aber ohne Ellbogen. Er erkennt, dass es schwierig ist, sich von der Vergangenheit freizustrampeln. Und dass Familie und Ehe einen über Wasser halten können, man darin aber auch untergehen kann - was in einem kultivierten Haifischbecken wie New York verheerende Folgen haben kann.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.11.2017

Susanne Mayer ist schon schockiert von der moralischen Leere im Zentrum von Irene Disches Roman. So wunderbar unterhaltsam sie das Buch findet, so ernüchtert ist sie von der totalen Zerstörung auch der letzten Referenzrahmen bürgerlichen Lebens. Stilistisch schnoddrig wirft Dische der armen Rezensentin diesen Brocken von einem Buch an den Kopf, dekonstruiert amerikansiche Träume glech reihenweise und in einem Feuerwerk scharfer Beobachtungen und Figurenzeichnungen, so Mayer. Disches Kahlschlag erstreckt sich nicht nur über ganz Amerika, meint Mayer, er ist auch durchlässig für historische und globale Bezüge. All die Bosheiten und Spitzfindigkeiten im Text findet sie lustvoll übertragen von Elisabeth Plessen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2017

Einen "brutalen Spaß" nennt Rezensent Willi Winkler Irene Disches hemmungslos satirischen Roman, dessen Lektüre man nicht mit sauberer Weste abschließen könne, denn etwas von der unanständigen Freude der Autorin am Leid ihrer Figuren gehe auf den Leser über. Es beginnt alles so wunderbar, so vielversprechend: eine junge, intelligente, weiße Tochter aus bildungsbürgerlicher Familie heiratet Anfang der siebziger Jahre den unbedarften, sanftmütigen, schwarzen Jungen, der aus Vietnam heimgekehrt ist. Sie wird reich und berühmt und er wird Weinkenner - das perfekte Paar - die Versöhnung und Verbindung der Rassen - das große Liebes-Glück, leider, wie jedes Glück, viel zu fragil, erzählt Winkler: natürlich geht es bald schon abwärts. Die sich stets noch stärker beschleunigende Talfahrt zu beschreiben, mit all ihren schmerzvollen Sprüngen und Schlenkern, bereitet der Autorin sichtlich Vergnügen, erkennt Winkler. Disches immer kapriziösere Einfälle, um ihre Protagonisten zu quälen, sind zwar sehr unterhaltsam und originell, aber es ist eben "das alte Problem der Satiriker", das auch dieses Buch hat: dass sie kein Mitgefühl, eigentlich gar kein Gefühl für ihre Figuren haben und den Spott mehr lieben als die Protagonisten, so der abwägende Rezensent. Schade!
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2017

Mit dem höchsten Glück kommt bekanntermaßen auch die größte Fallhöhe und diese lässt Irene Dische ihre Figuren erbarmungslos durchmessen - von ganz oben bis ganz unten, so die mitleidende Rezensentin Laila Oudray. Sie könnten verschiedener kaum sein - Disches Liebende - die weiße, privilegierte, intellektuelle Lili und der schwarze, arme, unbedarfte Duke. Ihre Liebe scheint perfekt, ebenso wie deren Zerfall. Und das genau ist das Problem dieses Buches: allzu vorhersehbar erscheint Oudray die Konstellation "Schwarz und Weiß", mit "hysterischer" Ehefrau und gutmütigem Ehemann. Gut gefallen haben ihr aber die Gnadenlosigkeit, mit der Akte der Gewalt geschildert werden, die trotz ihrer Klischeehaftigkeit einnehmenden Figuren und vor allem der "trockene Humor" Disches.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2017

Rezensent Andreas Platthaus genügt die amüsante Lektüre nicht. Irene Disches Roman verspricht so viel mehr, meint er, hält es aber nicht. Dass Dische das Scheitern der im Roman erzählten Ehe den Individuen anlastet, nicht der Gemeinschaft, ist für Platthaus noch die überraschendste Volte des Textes. Das erhoffte Gegenwarts- und Gesellschaftsporträt der amerikanischen Südstaaten aber bietet ihm die Autorin nicht. Stattdessen erfährt er nichts Neues zum Leben in New York vor dem 11. September 2001, staunt über manch weiteren konzeptionellen Mangel des Buches, unerklärliche Gewichtungen und ein wenig aufmerksames Lektorat.
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