Inga Machel

Auf den Gleisen

Roman
Cover: Auf den Gleisen
Rowohlt Verlag, Hamburg 2024
ISBN 9783498003425
Gebunden, 160 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Zehn Jahre ist es her, dass Mario, damals Mitte zwanzig, seinen Vater verlor. Ein einzelner Winterstiefel lag auf den Gleisen einer ICE-Strecke, mehr blieb nicht von ihm. Fünf Jahre kämpft Mario bereits um sein eigenes seelisches Überleben, als er in einer Zufallsbegegnung mitten in Berlin seinen Vater zu erkennen glaubt. Er nennt den Mann P. und wird von nun an dessen stiller, täglicher Begleiter. P., der heroinabhängig am Rand der Gesellschaft seinen eigenen Lebenskampf austrägt, wird für Mario zum Stellvertreter, um das Trauma der gescheiterten Beziehung zum Vater, die Erinnerungen an die Kindheit in der brandenburgischen Provinz und das Fehlen von bedingungsloser Liebe und Sicherheit zu verarbeiten. Satz für Satz setzt sich das Bild eines Innenlebens zusammen, in dem Raum und Zeit, Vergangenheit und Zukunft, Klarheit und Rationalität keine Bedeutung mehr haben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.03.2024

Gern liest Rezensentin Judith von Sternburg Inga Machels Debütroman, der sich um Mario dreht, einen jungen Mann, dessen Vater sich das Leben nimmt und der anschließend in Berlin einem Drogensüchtigen begegnet, den er für eben diesen Vater hält. Auf den Spuren dieses Mannes irrt Mario dann durch die Stadt, erfahren wir, selbst ist er Alkoholiker, der Zustand der beiden Figuren wird vom Buch keineswegs beschönigt. Die Rezensentin glaubt, mitunter könne man Mario für eine Frau halten, was sie durchaus interessant gefunden hätte, aber leider nicht weiter ausführt. Im Weiteren lobt sie vor allem die stilistischen Aspekte des Buchs, Machel schreibt vorbildlich flüssig, aber nie aufdringlich. Dass nicht alles auserzählt wird, verbucht die Kritikerin als zusätzlichen Gewinn.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.03.2024

Rezensent Dirk Knipphals hat nur lobende Worte für Inga Machels Roman "Auf den Gleisen", der für den Leipziger Buchpreis nominiert wurde. In diesem laut Knipphals untypischen Berlin-Roman begibt sich Mario, der Ich-Erzähler, auf die Spuren des drogenabhängigen P. und beginnt, ihm auf seinen Fahrten mit der Ringbahn und zu den Treffpunkten der Obdachlosen zu folgen. Dabei geht Mario Schritt für Schritt seiner eigenen Lebensgeschichte und besonders dem Trauma des väterlichen Suizids nach. Machel gelingt es, beide Themen subtil zu verknüpfen und der Geschichte durch genaue Beobachtungen und einen sorgfältigen Aufbau der Szenen Intensität zu verleihen, lobt der Kritiker, der sich mitgenommen fühlt auf eine Reise durch die Nacht, die letztlich die alternierende Bewegung des Lebens, das Sichverlieren und Sichsuchen, nachvollziehe.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.03.2024

Rezensent Richard Kämmerlings empfiehlt diesen für den Leipziger Buchpreis nominierten Roman nachdrücklich. Davor steht aber ein großes Aber. Denn die Mängel, die der Kritiker ausmacht sind nicht unerheblich: Die Chronologie ist nicht immer nachvollziehbar, die Bilder mitunter "schief", an Melodramatik und Selbstmitleid wird zudem nicht gespart, räumt Kämmerlings ein. Warum er dennoch der Sogkraft des Romans erliegt? Weil Mahlke in ihrem Debütroman um den nach dem Suizid des Vaters in Drogen und Suff abgestürzten Mario eine derart "finstere Energie" und Verzweiflung zu vermitteln weiß, dass der Rezensent ganz atemlos ist. Und so folgt er Mario gebannt durchs kaputte Berlin auf den Fersen eines Alt-Junkies, der zur Projektionsfläche für den verstorbenen Vater wird. Solch "verletzte Seelen" kann nur "echte Literatur" zeichnen, schließt Kämmerlings.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.03.2024

Sehr gut gefallen hat Rezensentin Anna Vollmer dieser kurze Roman über einen jungen Mann, Mario, dessen Vater Depressionen hat und schließlich Suizid begeht. Mario verliert allen Halt und beginnt zu trinken. Im Suff folgt er eine Zeitlang einem Berliner Junkie und beobachtet dessen Alltag, erzählt Vollmer. Ihr gefällt, wie Autorin Inga Machel zwischen Marios Erinnerungen an ein scheinbar konventionelles Familienleben und dem Leben des Junkies hin- und her schneidet und dabei zwei Lebensrealitäten einfängt. Vor allem beeindruckt sie jedoch, wie Machel Depression und Sucht als alltägliche Normalität beschreibt, ohne jeden Sensationscharakter.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.02.2024

Ein in weiten Teilen "gelungenes Debüt" ist Inga Machels Roman über einen Sohn, dessen Vater Suizid begeht, findet Christoph Schröder. Die Bewältigung eines Traumas, das nicht erst durch den Tod beginnt, sondern schon vorher durch familiäre Konflikte und die Gewalttätigkeit des Vaters erzeugt wird, ist "kompositorisch raffiniert" und sehr gut geschrieben. In literarischen Splittern von wiederkehrenden Erinnerungen, Beschreibungen, plastischen Einzelbildern erzählt Machel laut Kritiker davon, wie der Ich-Erzähler Mario mit dem Schock umgeht und sich an die obsessive Verfolgung eines Junkies macht, in dessen Schicksal er sich selbst wiederzuerkennen glaubt. Leider setzt die Autorin streckenweise zu sehr auf "krasse" Effekte und Überdramatisierung, was dem Roman nicht so gut tut, schließt der Kritiker.