Hans Pleschinski

Ludwigshöhe

Roman
Cover: Ludwigshöhe
C.H. Beck Verlag, München 2008
ISBN 9783406576898
Gebunden, 560 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Die drei Geschwister Berg - Clarissa, Monika und Ulrich - machen ein vertracktes Erbe. Ihr Onkel Robert bedenkt sie mit gewaltigen und weit verzweigten Vermögenswerten, allem voran mit einer Villa am Starnberger See. All dies könnte sie auf einen Schlag von ihrem ermüdenden, nicht unbedingt aussichtsreichen Existenzkampf befreien. Aber er macht ihnen eine Auflage: Sie müssen dieses Haus als Hort und Zufluchtsort für Lebensmüde betreiben und ihnen auch das eine oder andere nützliche Utensil bereithalten; nicht nur rechtlich eine Gratwanderung. Voller Skrupel und Ängste, aber auch scharf aufs Erbe öffnen die Geschwister die Villa an der Ludwigshöhe für eine stetig wachsende Zahl von "Finalisten". Da findet sich eine verzweifelte Verkäuferin neben dem Bühnenbildner mit gewissen körperlichen Defiziten ein, eine ausgebrannte Lehrerin neben einer vereinsamten Schauspielerin, eine medikamentenabhängige Witwe neben der liebeskranken Domina, ein bankrotter Verleger, aber auch eine erst 17jährige syrische Immanitin, die Angst hat, Opfer eines Ehrenmords zu werden. Während die Geschwister den Keller des Hauses mit praktischen Kühltruhen füllen, machen die Moribunden fast gar keine Anstalten mehr, ihrem dunklen Drang zu folgen. Die alte Villa erlebt ein Fest des Lebens - der kuriosen Beziehungen, Gespräche, Annäherungen und Abstoßungen, neuer Liebe und Lebensmutes.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.06.2009

Wow! Kurt Flasch kann sich gar nicht erinnern, wann zuletzt er ein so großartiges "Erzählbuch" gelesen hat. Die von ihm bemühten Vergleiche, um die Sensation dieser Lektüre zu beschreiben, reichen von Beckett über Heine bis Musil. Dabei hört sich der Plot erst einmal wie eine etwas papierne Fallstudie an: Drei Geschwister, die auf Anweisung ihres Erbonkels eine Art Zauberberg für Lebensmüde gründen, um zu sehen, ob sich passiv Sterbehilfe leisten lässt. Hmm. Flasch aber kann bald feststellen, dass Hans Pleschinski nicht nur ein glänzender Stilist ist, sondern auch den nüchtern-neugierigen Blick auf den Stadtmenschen und seine Spleens beherrscht. Das von den Geschwistern initiierte Projekt, freut sich Flasch, gerät zum Katastrophen-Panorama, das die Unsterblichkeit schließlich als Fluch erscheinen lässt. Dabei strapaziert der Autor außer den grauen Zellen auch gehörig die Lachmuskeln des Rezensenten. Ein Buch, jubelt Flasch, "originell, todernst und heiter".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.10.2008

Eingenommen ist Jens Bisky von Hans Pleschinskis Roman "Ludwigshöhe". Das Werk zeigt für ihn, wie unsere Gesellschaft verfasst ist, wie wir leben. Er sieht darin ein "Panorama der bundesdeutschen Gegenwart", obwohl es nicht, wie man vielleicht erwarten würde, in Berlin spielt, sondern in München und am Starnberger See. Dass Pleschinski die "Neugier und die Illusionen des Deutungsbetriebes" souverän ignoriert, kann er nur begrüßen. Im Mittelpunkt der Geschichte sieht Bisky die Geschwister Berg, die ihr Erbe nur unter der Bedingung antreten können, dass sie eine Villa für Lebensmüde, eine Art Selbstmörderhospiz einrichten. Was sie dann auch tun und schnell großen Zulauf finden. In zwanglosen Episoden erzähle Pleschinski vom Abschied seiner Protagonisten aus der gewohnten Welt und berichte, wie in der Villa gleichsam eine neue Gesellschaft entsteht. Mit hohem Lob bedenkt Bisky den Konversationston, den Pleschinski meisterhaft beherrscht. Sein Fazit: ein "virtuoser Roman" über "Trostlosigkeit und Freude der Gegenwart".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.10.2008

Kurzweilig und hintergründig findet Barbara von Becker diesen Schelmenroman aus dem Luxusaltersheim von Hans Pleschinski. Bevor es freiwillig ans Sterben geht, drehen die lebensmüden, an Defekten der modernen Lebens- und Arbeitswelt leidenden Bewohner der exklusiven Villa Ludwigshöhe noch mal richtig auf, und in den meisten Fällen dürfte die Todessehnsucht fürs Erste zurückgestellt werden. In dem nicht immer nach den "Gesetzen der Wahrscheinlichkeit" komponierten Roman wendee Pleschinski Moralsatire auf den Zeitgeist an und entwerfe ein Panoptikum einer an sich selbst krankenden Gesellschaft, in der der "Tod zum Programmfehler heruntergekommen ist", wie Becker aus dem Roman zitiert, durch den sich ein lockerer, elegant ironischer Plauderton zieht, der auch "steile sprachliche Manierismen nicht scheut" und sich zum Stilprinzip den Stilbruch gemacht hat, so von Becker.