Georg Klein

Die Sonne scheint uns

Roman
Cover: Die Sonne scheint uns
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004
ISBN 9783498035228
Gebunden, 219 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Eine große deutsche Hafenstadt. Vier Männer und eine Frau sind in einem leerstehenden Fünfziger-Jahre-Hochhaus eingeschlossen. Der mysteriöse Gabor Cziffra, Pate des Viertels am Salzhafen, in dem seit längerem ein Mörder umgeht, hat die fünf mit der Suche nach einer rätselhaften Sonne beauftragt. Aus dem Gebäude, an dessen Stelle bis zu seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg ein "Museum der Weltmirakel" stand, muss sie geborgen werden, denn der Abriss des maroden Hauses steht kurz bevor.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.08.2004

Schwerer Verriss. Ulrich Greiner rechnet im Aufmacher des Literaturteils nicht nur mit dem Roman, sondern mit Georg Klein als Schriftsteller überhaupt ab. Auch die Kritikerkollegen, die den Romancier bisher fast immer hoch gelobt haben, bekommen ihr Fett weg. Doch zuerst das Handlungsgerüst, wie Greiner es beschreibt: in einem leeren Bürogebäude warten vier Männer und eine Frau auf ihren Boss, um einen Auftrag entgegenzunehmen, von dem sie noch nichts wissen. Die fünf durchsuchen das Gebäude, dabei kommen zwei von ihnen ums Leben. Greiner verabscheut schon den Schauplatz des Romans: "Ich gestehe frei, dass ich solche Sachen nicht mag. Auch halte ich mich - sowohl wirklich als auch lesend - ungern in unterirdischen Gängen und Verliesen auf, zumal dann nicht, wenn sie in jeder Hinsicht schmuddelig, eklig, stinkig, schmierig sind. In der Darstellung solcher Lokalitäten, das muss man zugeben, ist Klein ein Meister." Greiner gibt zu, dass solche Orte auch bei Kafka und Poe existieren, doch vermisst er bei Klein die "Transzendenz". Egal ob es um fetischistische Neigungen geht oder um Protagonisten, die Hitlers "Mein Kampf" ins Englische übersetzen wollen - Klein "gründelt im Morast und hält sich raus" und das nicht nur in diesem Roman, findet Greiner. Für ihn betreibt Klein damit "Verrat an der Sache der Literatur, weil Literatur im emphatischen Sinn (und anders sollte man nicht von ihr reden) etwas sein muss, was unser dürftiges, bedürftiges Leben durchdringt und befragt, erhellt und übersteigt."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.08.2004

In seinem "Element" ist Georg Klein immer dann, wenn es um die "subtile Entfaltung unheimlicher Vorgänge" geht, weiß Rezensent Michael Braun. Auch im neuen Roman platziert der Anhänger der "schwarzen Romantik" seine "dubiosen" Akteure auf einem "bewährten Horror-Setting". Mit eleganten, mitunter "schwelgerisch ornamentalen" Sätzen erzählt er die Geschichte von fünf Menschen auf der Suche nach einem keltischen Kultobjekt, lässt sie auf schimmelnde Leichen treffen und zu mondsüchtigen Bestien werden. Amüsiert bemerkt der Rezensent dabei die "komische Rückseite", die Kleins entsetzliche Bilder mitunter aufweisen, wenn er beispielsweise Anspielungen auf Walt Disneys "Lustige Taschenbücher" als "ironische Konterbande" einstreut. Und wenn Klein dann in seine "ästhetizistischen Szenarien" noch "geschichtsarchäologische" Rekonstruktionsarbeit einbringt, indem er die deutsche Identität zwischen früher Moderne, NS-Staat und Adenauer-Ära sucht, dann bleibt dem Kritiker nur noch ein Urteil: Dieser Autor ist wirklich "souverän".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.07.2004

Georg Klein erklärt nichts, meint Lutz Hagestedt und tut es ihm in seiner Besprechung nach. Anhängern dieses Autors wird sie dennoch - oder gerade! - Lust auf sofortige Lektüre bereiten, kompiliert sie doch in Stichworten die typische Mischung aus Bizarrerie und Geschichte, kurzum: "den deutschen Urschlamm", aus dem Klein seine Sprache züchtet und den er erzählerisch durchwühlt. Uneingeweihte dagegen müssen wohl (und hoffentlich nicht übel) Hagestedts abschließendem Bescheid vertrauen, dass es sich hier um das Werk eines "großen und bedeutenden" Erzählers handelt. Denn das vorgestellte Figurenkabinett von Nichten und Neffen, "Versuchern" und "Buchhaltern" ist nicht eben geeignet, den potenziellen Leser an der Hand zum Werk zu führen. Was man jedoch mehr als nur ahnt, ist die kreative Kraft von Kleins Prosa, die der Rezensent als "Mischung aus Komik und Grauen" beschreibt, beziehungsweise als "grundsätzliche Asozialität" - ein Wort Wolfgang Hilbigs, das wie als Zielsetzung dem Roman vorangestellt ist. Hagestedt fährt fort: "Klein ist dieser Vorgabe mit Sarkasmus, Spott und böser Ironie gefolgt, und so widersteht seine scheinbar kindlich unbekümmerte, grausam-gleichgültige, wunderbar überdrehte Gralssuche" - denn es geht um den Auftrag, erteilt von einem sterbenden Millionär namens Gabor Cziffra, in einem Bürohochhaus ein "Artefakt" der Vergangenheit zu finden - "der Versuchung einer moralischen Erzählung". Versuchung deshalb, weil unter der heutigen Handlung ein zweiter, historischer Boden gezogen ist, von dem aus Bombenkrieg und Arisierungsterror in die Gegenwart hineinklingen. Dahinter, erläutert der Rezensent, steht eine Vorstellung "von der mythischen Kraft und sozialen Fortdauer alles Geschichtlichen". Doch das wird, wie gesagt, im Roman nicht erklärt. Denn große Literatur spricht eine andere Sprache.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.07.2004

Fasziniert zeigt sich Christoph Bartmann vom "konstruktiven Kalkül" und dem "überschäumenden Einfallsreichtum" in Georg Kleins Roman "Die Sonne scheint uns" - auch wenn ihm nicht wirklich klar zu sein scheint, worum es darin letztlich geht. "Es wird Leser geben", prophezeit Bartmann dann auch gleich, "die der Roman mit seinen wuchernden Details, seinem Übermaß an dunklen (aber irgendwann doch erhellenden) Stellen abschüttelt wie beim Rodeo ein Pferd seinen Reiter." Was soll's? Auch wenn man hin und wieder aus der Geschichte aussteige, könne man sein Vergnügen an diesem Roman haben, zum Beispiel wenn man einfach nur noch fassungslos seine Sätze anschaue. Schließlich stelle Kleins Buch Satz für Satz die Möglichkeiten seiner Formulierungskunst aus. Darin sieht Bartmann die Stärke und zugleich die Schwäche von Klein. Er wolle in jedem Satz aufs Ganze gehen, dabei müsse es in der Prosa auch unbetonte, dienliche, unauffällige Sätze geben, damit es mit der Geschichte voran gehe. "Hier aber", resümiert der Rezensent, "ist jeder Satz ein Weltmirakel."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.07.2004

Rezensent Jochen Förster ringt mit sich. Er erkennt an, dass Georg Klein hier seinen "ehrgeizigsten" Roman vorgelegt habe; aber, so fügt Förster hinzu, es sei auch der "sperrigste" und "verrätselteste". Doch bevor sich Förster zur Kritk überwinden kann, spielt er einen "Tusch" für Georg Klein. Klein, so Förster", sei "Balsam" für die geplagten Literaturkritiker, die ansonsten immer "modebewusste Texte" lesen müssten und sich dabei entsetzlich "langweilen". Für Rezensent Förster ist Klein dagegen der große "Antizeitgeistler", der jeglichen "Jargon" vermeidet" und "oft vollendet nach dem Selbstgemäßen sucht", seinem unverwechselbaren Romanstil nämlich. Mit Blick auf Kleins Werdegang bemerkt Förster, dass diese Eigenschaft jedoch nicht gerade zum Leser- und Verlegerliebling qualifiziert. So hat Klein ob der Sperrigkeit seiner Texte lange Zeit keinen Verlag gefunden, mit 45 erst veröffentlichte er seinen Debütroman, "49-jährig" gewann er den Bachmann-Preis. Im neuen Roman nun sei alles noch "unübersichtlicher". Schon das Aufschlüsseln der "klareren Erzählstränge", findet Förster, erfordere vom Leser ein "Maximum an Akribie und Kombinationsvermögen". Außerdem gebe es "kaum Spannung", der Schluss sei "schwammig", moniert Förster, Möglichkeiten zur "Identifikation" oder sonstige Anregungen für die "Erwartungen" der Leser suche man vergebens. Deshalb wohl hält sich Förster nicht groß mit der Handlung auf, sondern fragt "wozu" Klein sein verwirrendes "Vexierspiel" überhaupt inszeniert habe. Eine befriedigende Antwort findet der Rezensent nicht; aber er ist sich sicher, dass Georg Klein diesmal "sein Spiel überreizt" hat.
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