Emma Braslavsky

Erdling

Roman
Cover: Erdling
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431016
Gebunden, 425 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Emma Erdling ist notorisch pleite. Nur dank der Unterstützung ihrer kinderlosen Großtante konnte sie sich als Privatdetektivin unter dem Pseudonym "Andreas von Erdling" im teuersten Viertel der Stadt selbstständig machen, auch wenn sie nie vorhatte, echte Fälle zu lösen. Stattdessen inszeniert sie ihr Leben als Soap einer knallharten, linksideologischen Ermittlerin in den sozialen Netzwerken, bis unvorhergesehene Ereignisse ihre gemütlich eingerichtete Existenz erschüttern und ein Shitstorm ihr virtuelles Dasein vernichtet. Doch schon tags darauf soll sie ihren ersten, wenngleich unlösbar scheinenden Auftrag übernehmen: Oskar Lafontaine sucht ihr Büro auf. Seine Frau sei entführt worden, von Außerirdischen, er wolle sie zurück, Geld spiele keine Rolle. Die Suche nach der entführten Sahra Wagenknecht entpuppt sich bald als Reise in ein verdrängtes Bewusstsein, zu Teilen einer Identität, die Emma Erdling zu Beginn der Geschichte so fern war wie eine Galaxie jenseits der Milchstraße. Zugleich nimmt uns der Roman mit auf eine Odyssee zu den hellen und dunklen Mächten deutscher Geschichte, bis hinaus ins Weltall, alle Grenzen von Zeit und Raum mühelos überschreitend.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 09.01.2024

Rezensent Enno Stahl gibt zu, dass sich Emma Braslavsky in ihrem Text einer geschmeidigen, lakonischen Sprache zu bedienen weiß. Verweise in die deutsche Geistesgeschichte türmen sich im Text, dass Stahl schwindlig wird, aber er amüsiert sich auch. Leider reicht das alles nicht für einen Roman diesen Umfangs, stellt er schließlich bedauernd fest. All der Tand und die einigermaßen bizarre Idee, einen Instagram-Star auf eine detektivische Suche nach der von Aliens entführten Sahra Wagenknecht zu schicken, durch Wurmlöcher bis in die 1920er Jahre zu Party-Szenen mit Erika Mann und Vicki Baum - sie erzeugen keinen Drive, meint Stahl.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.01.2024

Rezensent Cornelius Pollmer erhält erst gegen Ende des Romans Emma Braslavskys eine leise Ahnung davon, wie man diesem einzigartigen Buch begegnen soll. Die Handlung ist ja leicht zusammenzufassen, gesteht der Pollmer ein, es geht um die Detektivin Emma Erdling, die im Auftrag Oskar Lafontaines nach Sahra Wagenknecht sucht, der von Aliens entführt wurde. Im weiteren Verlauf geraten allerlei Sinndimensionen gründlich durcheinander, führt der Rezensent aus, Voltaire, Thomas Mann und kugelförmige Mondwesen tauchen auf, Verschwörungen greifen um sich. An Science-Fiction-Filme von Christopher Nolan und anderen fühlt Pollmer sich erinnert, aber an alle gleichzeitig, und dann spuken auch noch philosophische Diskurse und Gedanken über das Links-Sein in Deutschland mit hinein. Wagenknecht selbst ist möglicherweise nur mit dabei, um mehr Publikum anzulocken, spekuliert Pollmer, der außerdem darauf verweist, dass Braslavsky zahlreiche historische deutschsprachige Science-Fiction-Erzählungen in ihre Geschichte mit einfließen lässt. Wohin das alles führt, das soll jeder selbst herausfinden, so der Rezensent, ein bewusstseinserweiterndes Erlebnis darf man sich in jedem Fall versprechen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 14.12.2023

Fasziniert begibt sich Rezensentin Miriam Zeh mit Emma Braslavskys "phantastischem Heimatroman" auf eine Sternenreise. Worum gehts? Ausgangspunkt der Geschichte ist die genderfluide Privatdetektivin Emma Andreas Erdling, deren Ermittlererfolge zunächst nur fingiert und von viel rhetorischem linkem Pathos unterfüttert sind - bis plötzlich Oskar bei Erdling anklopft, weil er Sahra sucht; Sahra Wagenknecht nämlich, die, möglicherweise, von Außerirdischen entführt wurde. Im Folgenden bewegt sich Erdling Rezensentin durch die Weltentwürfe deutscher Science-Fiction-Romane des 19. und 20. Jahrhunderts, eine Unternehmung, die die Suche nach Sahra bald zur Nebensache werden lässt. Hier oben im All, jenseits der Grenzen von Zeit und Raum, schließt die Rezension, ist es aufregend, aber auch gefährlich, weil man schon auch mal an weltraumverrückte NSDAP-Mitglieder geraten kann. Das klingt eigentlich ganz amüsant, aber die Rezensentin, die sich auf eine Inhaltsangabe des Romans beschränkt, haben die kulturgeschichtlichen Exkursionen der Autorin sichtlich angestrengt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2023

Sahra in space? Als eine großartig beflügelnde Prämisse erweist sich dieser abstruse Einfall in Emma Braslavskys Buch laut Rezensentin Carolin Amlinger. Im Zentrum des Science-Fiction-Romans steht, lernen wir, Emma Andreas Erdling, eine gernderambivalente Detektivfigur, die, vorläufig noch auf der Erde, äußerst erfolgreich kriminelle und moralische Untiefen erkundet. Nach einem Blackfacingunfall gerät allerdings, erläutert Amlinger den Plot, die Realität ins Wanken, Erdling landet im 19. Jahrhundert und wird mit einem antisemitischen Karl Marx konfrontiert, wenig später taucht Oskar Lafontaine in ihrem Büro auf und sucht, eben: Sahra Wagenknecht, die von Aliens gekidnappt wurde. Oder eventuell, heißt es später, eine intergalaktische Recherchereise angetreten hat, so klar wird das alles nicht, schließlich entfaltet sich dieser Roman vor allem als narrativer Möglichkeitsraum. Erdling lernt, so die Rezensentin, diverse sonderbare Gestalten kennen, die teilweise Klassikern der Science-Fiction-Literatur entstammen, auch weltanschaulich geht vieles durcheinander, Braslavsky bringt die Widersprüche zum oszillieren und zeigt auf, wie leicht man angesichts divergierender Sinnangebote falsche Entscheidungen treffen kann. Nicht die anstrengungsloseste Reise, so scheint es, aber die Rezensentin hat sie gerne angetreten.
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