David Foster Wallace

Unendlicher Spaß

Roman
Cover: Unendlicher Spaß
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2009
ISBN 9783462041125
Gebunden, 1548 Seiten, 39,95 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach. "Infinite Jest", also "unendlicher Spaß" - so nannte James Incandenza seinen Film, der Menschen, die ihn anschauen, so verhext, dass sie sich nicht mehr von ihm lösen können und dabei verdursten und verhungern. Sein Sohn Hal, ein Tenniswunderkind mit außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten, studiert an der Enfield Tennis Academy (ETA), die von seinem Vater gegründet wurde. Hier sowie im nahe gelegenen Ennet-House, einem Entziehungsheim für Drogenabhängige, spielt ein Teil der überbordenden Handlung, die jeden literarischen Kosmos sprengt - in einem leicht in die Zukunft versetzten Amerika, das mit Kanada und Mexiko die Organisation der nordamerikanischen Nationen bildet und von radikalen Separatisten in Kanada bekämpft wird.
1996 erschien "Infinite Jest" in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Nicht allein der schiere Umfang, sondern vor allem die sprachliche Kreativität, die ungeheure Themenvielfalt, die treffsichere Gesellschaftskritik, scharfe Analyse sowie der Humor machen den Roman zum Meilenstein der amerikanischen Literatur. Namhafte Autoren von Dave Eggers bis Jonathan Franzen sehen in diesem Buch ein Vorbild für ihr Schaffen. Ulrich Blumenbach hat sechs Jahre lang an der Übersetzung gearbeitet, und seine kongeniale Übertragung ins Deutsche gibt deutschsprachigen Lesern nun endlich die Möglichkeit, das Buch kennenzulernen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.08.2009

Während viele Kritiker den Eindruck machten, dass ihnen der "Unendliche Spaß" von David Foster Wallace vor allem Kritikerlast gewesen sei, schreibt Ulrich Greiner in sehr überzeugender und mitreißender Begeisterung über diesen Trumm von 1500 Seiten. Geradezu bestürzend findet er die ganz unironische Empathie, die "mitleidbegabte Wahrnehmungsfähigkeit" des Autors, der sich im vorigen Jahr das Leben genommen hat, und so überkam den Rezensenten immer wieder die Trauer über den Tod des begnadeten Autors. Zumal die hier geschilderte nahe Zukunft, in der die Unterhaltungsindustrie vollends die Herrschaft über uns übernommen hat und uns nun kostenlos verblödet (Wallaces fürchterliche Vision erschien im amerikanischen Original 1996), bei Greiner - trotz aller Komik - eher für deprimierte Stimmung sorgte. Insgesamt drei Dutzend Personen bevölkern diesen Roman, der in weiten Teilen in einer Entziehungsklinik sowie in der angrenzenden Tennis-Akademie spielt, und sie sind in der einen oder anderen Form allesamt süchtig - nach Drogen oder Erfolg. Vor allem, das ist für Greiner die beunruhigende Quintessenz des Romans, sind sie keine Subjekte mehr, mit diesem Begriff, meint Greiner, ist dieser moderne Mensch nicht mehr zu fassen, eher schon seien sie "Objekte eines neuen geschmeidigen Totalitarismus". Und so spürte der Rezensent so viel Leere, Ich-Verlust und Gottesferne in diesem Roman, dass ihm beim Lesen "ganz kalt" wurde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.08.2009

Die Rezension von Richard Kämmerlings beginnt mit einer Art Entschuldigung bei "Verleger" und "Pressedamen" für seine Kritik zu diesem Roman. Zwar ist die alles andere als ein Verriss, fast könnte man sie sogar anerkennend und bewundernd nennen. Jedoch macht er auch kein Geheimnis daraus, dass die Lektüre dieses 1500-Seiten-Romans die Leserin und den Leser "Anstrengung" kostet und auch "Geduld", was eben nicht jeder als unmittelbaren Anreiz begreifen werde. Dabei werde aber, versichert Kämmerlings, die Anstrengung für den, der sie aufbringt, reich belohnt. Andeutungsweise stellt der Rezensent die zentralen Schauplätze (eine Tennisakademie, eine Drogen-Entzugsanstalt) und die Protagonisten (eine Familie namens Incandenza im Zentrum) vor. An Motiven werden Tennis, Drogen, Sucht und vor allem Entertainment aufgezählt. Letzteres nimmt die Gestalt eines Films mit dem (Buch-)Titel "Unendlicher Spaß" an, der alle, die ihn sehen, zu hirnlosen Zuschauern macht. Dies ist, so Kämmerlings, der kulturkritische Kern des Riesenromans, der im Science-Fiction-Gewand die "Leere im innersten Zentrum unserer Gesellschaft" beschreibt. David Foster Wallace erweise sich dabei als mit allen literaturtheoretischen und philosophischen Wassern gewaschen. Als nachgerade "unglaublich" lobt der Rezensent die Übersetzungsleistung von Ulrich Blumenbach, die die sprachliche Vielfalt des Originals auch für die deutsche Leserschaft nachvollziehbar macht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.08.2009

Der Titel dieses so umfangreichen Romans ist weniger als Versprechen denn als Drohung zu verstehen. Wie auch der manchmal einfach als "Unterhaltung" betitelte Film gleichen Namens in seinem Zentrum für den, der ihn sieht, mehr oder minder tödlich ist. Dies alles, so der Rezensent Guido Graf, ist nichts anderes als ein "gnadenloser Abgesang auf eine von der Unterhaltungsindustrie vereinnahmte Gesellschaft". Und das wäre, da besteht bei Foster Wallace kein Zweifel, die unsere, nicht nur in ihrer amerikanischen Version. Beschrieben wird sie als von Süchten und "kultureller Hirnerweichung" zerfressen, und zwar nicht zuletzt am Beispiel einer Familie: Der zur Zeit der Rahmenhandlung durch Selbstmord gestorbene Vater John Incandenza hat den tödlichen Film-Spaß gedreht, außerdem eine Tennis-Akademie gegründet, die nun sein Sohn, der Lexikonauswendiglerner, das Mathe- und Sprachgenie Hal besucht. Neben der Tennis-Akademie ist, erfahren wir, eine Drogenentzugsanstalt namens Ennet House ein zentraler Schauplatz. Hamlet spielt im Hintergrund eine wichtige Rolle, alle sind von "Anhedonie", also der Unfähigkeit, irgendwie echte Freude zu empfinden, gezeichnet. Als Kern der Diagnose, die das Buch unserer Gegenwart stellt, sieht Graf die These, dass unsere Welt und die Wörter heillos auseinandergefallen sind. Das "hochmoralische Überkunstwerk", das Foster Wallace hier vorlegt, ist, so der Rezensent, der gelungene, als Therapie aber wohl eher zum Scheitern verurteilte Versuch, den "Innenraum der Sprache unendlich auszudehnen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.08.2009

Dies Buch, verkündet Rezensentin Angela Schader fröhlich gleich zu Beginn ihrer Rezension, ist so gebaut, dass man nach einem ersten Durchgang durch die knapp 1600 Seiten gleich wieder von vorne anfangen kann - erst dann nämlich erschließe sich schon das erste Kapitel so richtig. Aus ihrer Besprechung kann man wohl schließen, dass sich sowohl die erste wie womöglich auch weitere Lektüren durchaus lohnen. Die recht ausführliche Inhaltsangabe geht zunächst auf die Geschichte der protagonistischen Familie Incandenza ein. Der Vater war Filmemacher, dann Gründer jener Tennisakademie, die ein zentraler Schauplatz des Romans ist. Dort findet auch eine Art Tennisturnier mit nuklearen Sprengköpfen statt, das "Eschnaton" heißt und von Schader gleichfalls beschrieben wird. Das Hauptwerk des James Incandenza ist ein Film des Titels "Unendlicher Spaß", dessen Betrachtung leider zur Ausschaltung sämtlicher Geistesfunktionen führt. Weiterer Schauplatz: die Drogen-Entzugsanstalt Ennet House, der der - versehentliche - Mörder Don Gately vorsteht. Von großer Wichtigkeit sind die Programme der Anonymen Alkoholiker, wie überhaupt Drogen und Sucht auf allen Ebenen ein zentrales Motiv des Romans sind. Die Rezensentin leugnet nicht, dass die Lektüre des Buchs eine durchaus "strapaziöse" Sache sein kann, insbesondere, wenn etwa zur Hälfte sämtliche "Leitideen" erst mal entfaltet sind. Mindestens eines aber entschädigt für alle Mühen: der "sprachliche Reichtum" des Buches, den der Übersetzer Ulrich Blumenbach ins Deutsche gebracht hat. Nicht zuletzt ihm möchte Schader einen "dicken Lorbeerkranz winden".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.08.2009

Zweierlei merkt man Alex Rühles sehr umfangreicher Kritik dieses noch sehr viel umfangreicheren Romans an: Erstens, dass er von dem Können, den Kenntnissen, der Virtuosität, die David Foster Wallace hier an den Tag legt, sehr beeindruckt ist. Und zweitens, dass die Lektüre dieses Romans  auf die ganzen 1600 Seiten gesehen trotzdem alles andere als das reine Vergnügen ist. Mit einigen Absätzen werden erst einmal die Biografie des Autors inklusive Familienhintergrund, Depressionen und Selbstmord erläutert. Er zitiert auch sehr vollmundiges Lob von Kollegen wie Dave Eggers, fügt aber gleich hinzu, dass man es mit der Lobhudelei mal nicht übertreiben soll. Weniger wie ein Raumschiff aus einem Guss nämlich kommt ihm das vor denn wie eine "Art vollgeräumte literarische Spielzeugkiste". Und was ist drin? Einerseits Science Fiction von gestern, andererseits aber auch die Beschreibung eines menschlichen "Schmerzkerns" von überzeitlicher Gültigkeit. Eine Kerndiagnose stellt das Buch der amerikanischen Gesellschaft, aber gewiss nicht nur ihr: Sie ist befallen von der Gier nach tödlicher "Zerstreuung". Und zwar buchstäblich: Der Film "Unendlicher Spaß" erweicht jedem, der ihn sieht, vor lauter Lust auf der Stelle das Hirn. Der Roman stellt ausufernd dar, wie es den Bewohnern einer Welt ergeht, in der die Sucht nach der Lust - und damit die Drogen - den Alltag regieren. Um das Ende der Ironie geht es, aber auch um die Frage, welche Haltung an ihre Stelle treten könnte. Eine Antwort darauf kennt das Buch, dessen Lektüre immer auch in "qualvollen Exerzitien" bestehe, nicht. Vielmehr droht, so Rühle, die unendliche und erschöpfende Wiederaufführung der Übel das ganze Buch mitsamt Autor immer wieder selbst zu "verschlucken".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.08.2009

Ein Roman über die Sucht in ihren vielfältigen Formen: Die Sucht nach Erfolg, geschildert an den Nachwuchsspielern einer Tennisakademie. Die Sucht nach Drogen und Alkohol, die exemplarisch wird an den Patienten der Entzugsanstalt, die der Tennisakademie benachbart liegt. Und, dies vielleicht die weitreichendste Diagnose, die David Foster Wallace der Gesellschaft stellt, in der wir leben: die Sucht nach Zerstreuung und Unterhaltung. "Unendlicher Spaß" ist nicht nur der Titel des Buchs, sondern auch der eines Films, der, so der Rezensent Ekkehard Knörer, etwas wie "das Dingsymbol, das Mysterium, die Super- und Megadroge" des Romans dastellt. Wer den nämlich sieht, findet vor lauter Gier nach Zerstreuung nicht mehr in die Wirklichkeit zurück. Sein Schöpfer James Incandenza, Filmemacher, später auch Gründer der Tennisakademie, hat zum Zeitpunkt der Erzählgegenwart zwar mit dem Kopf in der Mikrowelle längst Selbstmord begangen - seine Frau und die drei Söhne sind jedoch die Protagonisten des Romans. Allerdings fächert sich das Personal darüber hinaus kaum überschaubar auf, so dass aus dem Buch etwas wie ein "Gesellschaftsroman als monströser Chor für emotional schwer beschädigte Stimmen" wird. Ob das "verzerrte Spiegelbild" unserer Gegenwart als "Irrenhaus", das hier entworfen wird, diese nun zur Kenntlichkeit oder zur Unkenntlichkeit entstellt, lässt die Rezension offen.
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