Chigozie Obioma

Der dunkle Fluss

Roman
Cover: Der dunkle Fluss
Aufbau Verlag, Berlin 2015
ISBN 9783351035921
Gebunden, 313 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner. Benjamin und seine Brüder leben in der Nähe eines gefährlichen Flusses. Als ihr Vater die Familie verlassen muss, verstoßen sie gegen sein Verbot, sich dem Gewässer zu nähern. Die Fische, die sie dort fangen, sind Vorboten einer Tragödie. Ein Familiendrama und eine Fabel über das Schicksal Nigerias.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.07.2015

Stefan Hochgesand staunt über dieses bereits vielbeachtete Debüt des nigerianischen, in den USA lebenden Autors Chigozie Obioma. Einige Kritiker hätten dem Roman von der Warte europäischer Deutungshoheit "Selbstexotisierung" vorgeworfen, doch das lehnt Hochgesand entschieden ab. Solche Kritik verkenne die literarischen Stärken, die in der Form liege, wie Obioma seine Hauptfigur über Analogien und Metaphern dem Lesepublikum nahe bringt. Auch entgeht diesem Blick die "poetische Feinfühligkeit", schilt der Kritiker, die dem Werk trotz allen Schilderungen brutaler Gewalt zu Grunde liege und eine Allegorie auf ein regelmäßig von Gewalt heimgesuchtes Land anbiete, so Hochgesand.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.06.2015

Claudia Kramatschek kann sich nicht anfreunden mit dem Debütroman von Chigozie Obioma, dessen nigerianische Wurzeln sie im Text allenfalls im Rückgriff auf dunkel-mystifizierende Narrationsmuster und Exotismus erkennt, die ihr vor allem aus Afrika-Büchern westlicher Autoren vertraut sind. Dass der Autor vom schicksalhaften Zerfall einer Familie im Stil des magischen Realismus erzählt und mittels Motiven wie Menschenopfern, Tiervergleichen und effekthaschender Drastik und Gewalt seinen Text allenfalls dekoriert, ohne metaphorische Tiefe oder politische Dringlichkeit zu erlangen, kann die Rezensentin nicht verstehen. Was Chinua Achebe, der Gründungsvater der modernen afrikanischen Literatur forderte, Afrika solle Subjekt seiner eigenen Deutung sein, findet sie in diesem Buch nicht eingelöst.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.04.2015

Angesichts der realen Gewalt, von der man aus Nigeria regelmäßig hört, wundert sich Rezensentin Marie-Sophie Adeoso nicht, dass sich diese auch in der jungen nigerianischen Literatur niederschlägt. So auch in diesem Debüt, das von einer Prophezeiung handelt, die einige Brüder in einen Strudel der Gewalt zieht. Die literarische Finesse, mit der Obioma die Unausweichlichkeit dieser Exzesse zeichnet, ringt der Kritikerin einiges an Respekt ab. Dasselbe gilt für die grundlegende Komposition des Romans, der mit strukturellen Parallelen und Tiermetaphern arbeite. Wenig anfangen konnte Adeoso allerdings mit der Figurenzeichnung: Obioma greife zum Stilmittel der emotionalen Überzeichnung, worunter ihm die Individualität seiner Charaktere abhanden zu kommen drohe. Auch seien manche der Figuren im Auftreten arg klischeehaft, stellt die Kritikerin weiterhin enttäuscht fest. Insgesamt überzeuge das Werk nur bedingt: Hinter anderen jungen Romanen der nigerianischen Literatur - Adeoso erwähnt die Autoren Teju Cole und Chimamanda Ngozi Adichie - bleibe es zurück.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.03.2015

Auch wenn Felix Stephan sich der Konjunktur westafrikanischer Autoren und ihrer Romane bewusst ist und er dahinter eher keine kulturelle Öffnung, sondern im Gegenteil zutiefst euopäische Themen und Perspektiven vermutet, gefällt ihm Chigozie Obiomas Buch als mit westlichen Erzähltraditionen umgehender Text. Für Stephan bietet Obioma nämlich eine Geschichte aus dem Herzen Westafrikas, genauer aus einer nigerianischen Kleinstadt in den 90ern. Häusliches Angstregime, ein mythischer Resonanzraum, der die Figuren in der Hand hat, und die postkoloniale Zerrissenheit des Staatengebildes sind die Zutaten, aus denen Obioma laut Rezensent den innerfamiliären Konflikt zwischen individualistischer Emanzipation nach westlichem Vorbild und Schamanismus inszeniert. Laut Stephan macht er das souverän.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.2015

Tobias Döring zeigt sich nicht überzeugt von Chigozie Obiomas Roman. Obiomas Versuch einer Reverenz an ältere nigerianische Autorenkollegen wie Chinua Achebe jedenfalls scheint ihm geradezu vermessen, hebt der Autor mit seiner Berufung auf überholte Afrikaklischees und einem Hang zur Selbstexotisierung, etwa durch archaisierende Sprachelemente und Tiervergleiche, doch dessen schon 1958 mittels realistischer Erzählstrategien eingeleitete Abkehr kolonialer Fiktionen vom "dunklen Kontinent" wieder auf, wie Döring feststellen muss. Die Verwerfungen afrikanischer Übergangsgesellschaften findet er bei anderen Autoren besser dargestellt als in diesem Buch, in dem eine familiäre Gewaltspirale und die sozialen und politischen Hintergründe der 1990er Jahre in Nigeria zusammenhanglos nebeneinander ablaufen, wie Döring erklärt.
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