Hanns-Josef Ortheil

Die weißen Inseln der Zeit

Orte. Bilder. Lektüren
Cover: Die weißen Inseln der Zeit
Luchterhand Literaturverlag, München 2004
ISBN 9783630871752
Gebunden, 313 Seiten, 19,50 EUR

Klappentext

Mit acht Jahren wurde die erste Geschichte von Hanns-Josef Ortheil veröffentlicht, und seither ist er zum Schreiben auf die denkbar lustvollste Weise verurteilt. In "Die weißen Inseln der Zeit" entwirft Hanns-Josef Ortheil ein Panorama seiner Passionen und Vorlieben. Wir durchstreifen mit ihm, dem fünften Kind eines Elternpaars, das vor seiner Geburt vier Söhne verloren hatte, das Kindheits-Köln der fünfziger Jahre, begleiten ihn bei den ersten Schritten einer später abgebrochenen Pianistenkarriere und erfahren von den Anfängen seines Schriftstellerdaseins. Ortheil erzählt von seinen Jahren in Rom, seinen ersten Konzerten, seinen Streifzügen durch europäische Städte und Landschaften.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.12.2004

Ein aufschlussreiches und schönes Buch, findet Michaela Kopp-Marx, und viel mehr als bloß ein essayistisches Beiwerk zu den Romanen. Denn indem Hanns-Josef Ortheil sich in seinen "ethnologisch-biografischen Erkundungen" - von Adorno bis zum Kölner an sich - in seinen gewählten Gegenstand hineinversetzt, "um ihn letztlich besser verstehen zu können, als er sich selbst je verstanden hat", findet er auch Worte für die eigenen kreativen Prozesse. Außerdem, so die Rezensentin, bleibt er nicht bei der reinen Analyse, sondern gleitet ein ums andere Mal in die literarische Erzählung. So werden die fünfzig Texte "über Literatur, Musik, Malerei, Landschaft und Alltagsphänomene" einerseits von der "unverwechselbaren Stimme" Ortheils, andererseits von seiner speziellen Art der Wahrnehmung zusammengehalten. "Wie ein Semiologe, der seine Disziplin als umfassende kulturelle Wissenschaft betreibt, ist der Erzähler offen für Moden, Theorien, Erzählungen, Verhaltensweisen, Materialien" - und lässt, so Kopp-Marx, seine Funde in "melodiöse Sätze" fließen, die "heiter, ein bisschen pathetisch und immer wieder grundiert von Ironie" sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.11.2004

Walter Hinck beginnt seine Rezension mit der Nennung dessen, was ihm nicht an diesem Band mit gesammelten Feuilletons, Reden, kleinen Essays, Notizen aus der Feder Hanns-Josef Ortheils gefallen hat, und das kommt mehr einer Rüge des Verlags als des Autors gleich. Viele Texte seien für die Feuilletons der großen Tageszeitungen entstanden, erklärt Hinck, aber wann genau sie geschrieben wurden, bleibe im Dunklen und lasse teilweise eine historische Einordnung nicht zu, rügt Hinck. Naturgemäß seien nicht alle Texte von der gleichen gedanklichen Brillanz, gesteht der Rezensent zu, sieht aber keinen Grund zur Klage, da ansonsten "jeder etwas für seinen Geschmack finden" könne. Nach Hincks Geschmack ist Ortheils Dankesrede für die Verleihung des Thomas-Mann-Preises der Stadt Lübeck, worin der Autor sein Verhältnis zu Thomas Mann selbstironisch und originell aus Gesprächen mit seinen Kindern entwickele. Akzeptabel - als Nicht-Kölner - findet Hinck Ortheils Texte über Köln, die Stadt seiner Kindheit, aufschlussreich den Bericht über Ortheils Weg als Pianist und dessen abgebrochene Karriere. So erklärt sich, meint er, wie Ortheil immer wieder versuche, Musik in Text zu überführen. Wer aufmerksam in den Texten lese, werde ohnehin einen autobiografischen Erzählstrang finden, der Rückschlüsse auf das literarische Werk Ortheils zulasse.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.10.2004

Der Musik und der Harmonie gilt insgeheim die Liebe des Schriftstellers Hanns-Josef Ortheil, verrät Robin Detje und weiß von der begonnenen aber abgebrochenen Karriere Ortheils als Pianist zu berichten, von dessen schwärmerischer Liebe zu Robert Schumann der zentrale Text des vorliegenden Bandes handelt, der verstreute Feuilletons und Notizen enthält. Doch die musikalischen Kämpfe seien nach einer Sehnenverletzung ausgefochten und auf das literarische Gebiet verlagert, berichtet Detje, spürbar sei allerdings nach wie vor die Suche nach dem harmonischen Ganzen und insofern ist Ortheil für ihn ein "Idylliker", der seine Schwäche für das Bestehende bekennt und dafür wirbt. Damit wir, die Leser, ihm, dem Autor, diese Liebe auch abnehmen, meint Detje, müsse er das "anheimelnd Vertraute", das sattsam Bekannte, das verführerisch Gewöhnliche besonders fein anpacken, einpacken, damit wir dessen nicht überdrüssig werden. So einer schrammt immer "traumsicher" am Kitsch entlang, sinniert der Rezensent und ist doch für dessen Erkundung des Alltags, der gewöhnlichen Orte dankbar. Endlich mal ein Autor, seufzt Detje auf, der "von keinem Dämon gejagt" wird.
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