Christian Schölzel
Walther Rathenau. Eine Biografie
Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2006
Zeit seines Lebens schwankte der 1867 Geborene zwischen Leugnung und Bejahung seines Jüdisch-Seins. Der langjährige Lenker der AEG, Mitglied von über 100 Aufsichtsräten, war einer der einflußreichsten Unternehmer Europas, was ihn nicht hinderte, philosophisch-politische Visionen einer Gesellschaft jenseits von Kapitalismus und Sozialismus zu entwerfen, die die Arbeiter aus ihrer "Erbknechtschaft" erlösen sollten. Der Organisator der deutschen Kriegswirtschaft 1914/15, der 1918 zur Abwendung des Zusammenbruchs noch einen "Volkskrieg" propagiert hatte, suchte in der Nachkriegszeit bald die Verständigung mit den Siegern. Der "Erfüllungspolitiker" wurde zu einer "bete noire" der extremen Rechten. Als er, seit dem 1. Februar 1922 Reichsaußenminister, mit dem Vertrag von Rapallo mit Russland den ersten großen Schritt zu einer wieder selbständigen deutschen Außenpolitik getan hatte, fiel er dem Anschlag des deutsch-völkischen Geheimbunds "Organisation Consul" zum Opfer. Der Mord schockierte die Welt.