Claudia Töngi
Um Leib und Leben. Gewalt, Konflikt, Geschlecht im Uri des 19. Jahrhunderts
Chronos Verlag, Zürich 2004
Waren die Urnerinnen und Urner besonders gewalttätig? Mit Sicherheit nicht. Die Zahl der vor Gericht verhandelten Gewaltdelikte lag eher unter dem schweizerischen Mittel. Gerade deshalb aber erlaubt dieses Buch Einblicke in die unspektakuläre Seite alltäglicher physischer Gewalt, in die Wert- und Normvorstellungen der Menschen jener Zeit wie auch in die institutionellen und diskursiven Strategien der Verschleierung, der Dramatisierung oder der Dämonisierung einzelner Gewaltformen.
Gewalt ist nicht das "Andere der Kultur". Gewalttätiges Handeln ist mehr als das Hervorbrechen angestauter Triebe. In der vorliegenden Studie wird Gewalt konsequent als soziales Handeln verstanden: sie folgt Regeln, ist in je spezifischen sozialen Kontexten verortet, evoziert kulturelle Bilder und Vorstellungen und hat konkrete materielle, physische und psychische Folgen für die Involvierten. Gewalt ist ausserdem kein einheitliches Phänomen: je nach Situation und Form von Gewalt steht Verschiedenes auf dem Spiel, hat der Einsatz gewaltsamer Mittel unterschiedliche Effekte und Bedeutungen. In diesem Sinn untersucht und vergleicht die Studie Ehr- und Schlaghändel, nächtliche Raufereien, häusliche Gewalt gegen Kinder und Ehefrauen sowie sexuelle Gewalt.