Stefano D'Arrigo

Horcynus Orca

Roman
Cover: Horcynus Orca
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015
ISBN 9783100153371
Gebunden, 1471 Seiten, 58 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Moshe Kahn. Die Landschaften um die Straße von Messina bilden die Brücke zwischen den Mythen der Antike und der Gegenwart. Hier, zwischen Skylla und Charybdis, hörte Odysseus den Gesang der Sirenen. An genau diesen Ort, sein Zuhause, strebt der Held von Stefano D'Arrigos "Horcynus Orca", dem letzten großen unentdeckten Roman der Moderne. D'Arrigo bannt diese ganze Welt in nur vier Tage: Ein 1943 nach dem Zusammenbruch der Marine heimkehrender Matrose erfährt, was der Krieg aus seinen Menschen gemacht hat. Eine geheimnisvolle Frau hilft dem Fischer ohne Boot über die Meerenge, aber er muss erfahren, dass jede Heimkehr vergeblich ist, wenn der Tod das Ruder führt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.05.2015

Tim Caspar Boehme schildert seine Leseerfahrung mit Stefano D'Arrigos Erzählung der letzten acht Tage aus dem Leben des Matrosen 'Ndrja Cambrìa sehr genau. Anfängliche Widerstände wegen des schieren Umfangs des 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung in Italien erstmals auf Deutsch zu lesenden Textes überwindet er, indem er sich die bemerkenswerte Entstehungs- und Publikationsgeschichte vor Augen hält. Sehr weit scheint Boehme dennoch nicht zu kommen, immer wieder hadert er mit dem Text, mit D'Arrigos Neigung, kleinste Wahrnehmungen ewig zu zerdehnen, sizilianische Kunstworte zu verwenden und den Erzählfluss dauernd zu stauen. Schließlich greift Boehme zu Roland Barthes und findet immerhin Begriffe für seine Leseerfahrung: Demnach handelt es sich bei D'Arrigos Roman womöglich um einen "Text der Wollust", der wegen seiner Heftigkeit und seiner sprachkritischen Haltung beim Leser nur bedingt Befriedigung auszulösen imstande ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.04.2015

Stefano D'Arrigos "Horcynus Orca" ist eines der seltenen Bücher, das man "lebt", jauchzt Rezensent Christian Bos, der jede einzelne Seite dieses Ausnahmewerkes in sich aufgesogen hat. Vor vierzig Jahren in Italien erschienen, fast vergessen und nun dank Moshe Khans fast zehnjähriger akribischer Übersetzungstätigkeit endlich in einem Deutsch zu lesen, das alles Gesprochene in den Schatten stellt und damit der sprachlichen Schönheit, dem einzigartigen, mit zahlreichen Neuschöpfungen angereicherten "ungooglebaren Sprachgemisch" des Originals das Wasser reichen kann, möchte der Kritiker das Werk am liebsten laut in Begleitung einer Leier vortragen. Von derartigem euphorischen Rausch gepackt begibt sich Bos mit dem Matrosen 'Ndrja Cambria auf eine Odyssee, begegnet in ihrer sexuellen Selbstbestimmtheit an Gemälde von Picasso erinnernden Zauberfrauen, wilden Raubtier-Delfinen, schließlich der titelgebenden mythischen Version des Schwertwals und bleibt nach der Lektüre völlig überwältigt zurück.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 11.04.2015

Keine leichte Lektüre hat Rezensentin Gisela Trahms mit diesem Epos vom Meer und von den Menschen an seinen Ufern aus der Hand von Stefano D'Arrigo anzukündigen. Seine in gedehnten Rhythmen bedächtig schwingende Erzählweise ist ihr zunächst einmal vor allem fremd. Zur Einstimmung empfiehlt Trahms daher frühe Filme von Visonti oder Pasolini. Allerdings hegt Trahms auch keinen Zweifel, dass sie mit dem ausufernden Text über einen sizilianischen Kriegsheimkehrer und seine Erinnerungen an seine Heimat ein Werk von Homerischer Größe vor sich hat, oder besser ein Buch wie das Meer selbst, majestätisch schwappend, das sozialen Realismus und Mythos zu verbinden vermag. Mit Sinn für italienische Lebensverhältnisse und etwas Nachsicht für Wiederholungen und Pathos, so versichert die Rezensentin, wird der Leser das Buch für seine nüchternen Passagen lieben lernen, in denen dem Autor ein bezwingendes Panorama des Mittelmeers und seiner Menschen gelingt. Darüber hinaus wird er in den Genuss der mit Neologismen geschmückten originellen Sprache D'Arrigos in der laut Rezensentin bewundernswerten Übertragung durch Moshe Kahn kommen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.04.2015

Als "irrwitziges Sprachkunstwerk" preist Rezensentin Franziska Meier Stefano D'Arrigos von Moshe Kahn exzellent ins Deutsche übertragene Buch "Horcynus Orca". Der Autor, für die Kritikerin legitimer Nachfolger Elio Vittorinis, verknüpfe in dem nach fünfzehnjähriger Korrektur schließlich 1975 veröffentlichten Roman auf anderthalbtausend Seiten die Erzählung von der Agonie des Killerwals "orcinus orca", der hier zum Symbol für Leben, Tod und Unsterblichkeit wird, mit der Odyssee des Kriegsheimkehrers Ndrja Cambria, so die Rezensentin. Mit ein wenig Geduld, aber umso mehr Bewunderung lässt sich die Kritikerin auf D'Arrigos kreatives Experiment, verschiedenste Möglichkeiten gesprochener und historischer Sprache zu vereinen ein, ist nicht zuletzt beeindruckt von der Bildgewalt des Autors und wünscht diesem auf zahlreiche Werke der Weltliteratur anspielenden Roman eine große Leserschaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2015

Ob Hubert Spiegel das Buch gelesen hat? In Italien hatte lange Zeit niemand mehr als 20 Seiten davon gelesen, so viel steht fest. Als Meisterwerk galt Stefano D'Arrigos Roman über einen modernen Odysseus, einen Marinesoldaten, der nach der italienischen Kapitulation 1943 von Kalabrien aus zurück in sein zerstörtes Sizilien wandert, seit seiner Erstveröffentlichung 1975 gleichwohl. Dass Moshe Kahn das "unübersetzbare" siziliansche Epos in langjähriger Arbeit ins Deutsche gebracht hat, ist für Spiegel absolut preiswürdig. Zu lesen ist nun laut Rezensent ein an Poesie und Musikalität und großen Landschaftsbeschreibungen unendlich reiches Meisterwerk der Moderne, für das Kahn, so Spiegel, die Sprache Jean Pauls, umwerfende Neologismen und eine Bildhaftigkeit gefunden hat, die ihresgleichen sucht.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2015

Maike Albath ist tief beeindruckt, wie es Moshe Kahn gelungen ist, Stefano D'Arrigos überbordende Sprachspiele ins Deutsche zu übersetzen, indem er sich stellenweise zwar recht weit vom Text löst, aber die Wortschöpfungen, Anspielungen und Verweise mit ähnlichen Gesten selbst vollzieht, was den Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis mehr als rechtfertigt, der ihm für "Horcynus Orca" zuerkannt wurde, so die Rezensentin. Nachdem D'Arrigo akribisch Bezüge auf Homer, Dante, Ariost und das traditionelle sizilianische Marionettentheater eingearbeitet hat und alle möglichen und unmöglichen sprachlichen Register gezogen hat, war das nichts geringeres als eine übersetzerische Heldentat, weiß Albath.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2015

Wer sich an Stefano D'Arrigos Epos "Horcynus Orca" wagt, begibt sich auf eine Reise ins Unbekannte, ins Abenteuer, erklärt Rezensent Hans Ulrich Gumbrecht. Wie Joyce, Musil oder Martin-Santos gehört D'Arrigo zu den Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die noch einmal den ganz großen Wurf wagten: die Totalität der Welt in einem großen Werk zu erfassen. D'Arrigo, der sein Epos immer wieder jahrelang neu überarbeitet und ab 1957 veröffentlicht hat, glaubte an die Existenz einer "absoluten Sprache", so Gumbrecht, mittels derer sich diese Totalität vermitteln lasse. Handlung ist hier nicht wichtig, man sollte auch nicht die vielen unbekannten Wörter im Text nachschlagen, rät Gumbrecht, sondern sich ganz dem Rhythmus des Textes überlassen, der dem Rhythmus der Wellen des Mittelmeers entspricht. Extra großes Lob geht an den Übersetzer Moshe Kahn, dessen deutsche Übersetzung "tatsächlich wie ein Äquivalent von D'Arrigos rhythmischem Italienisch wirkt."
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