Nicola Lagiogia

Die Stadt der Lebenden

Roman
Cover: Die Stadt der Lebenden
btb, München 2023
ISBN 9783442759606
Gebunden, 512 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Verena von Koskull. Im März 2016 quälen Manuel Foffo und Marco Prato, zwei junge Männer aus gutem Hause, in einer Wohnung am Stadtrand von Rom stundenlang den jungen Luca Varani zu Tode. Der Fall schockiert und ist für die Medien ein gefundenes Fressen. Sind die Mörder pervers? Kokainsüchtig? War es gar ein Werk des Teufels? Nicola Lagioia begleitet den Fall zunächst als Reporter: Er sammelt Dokumente und Zeugenaussagen, trifft die Eltern von Luca Varani und beginnt einen Briefwechsel mit einem der beiden Täter. Für seine Recherche begibt sich Lagioia in die Nacht Roms. Eine Stadt, die unbewohnbar und doch voller Leben ist, die von Ratten und wilden Tieren heimgesucht wird, die von Korruption und Drogen zerfressen ist und doch gleichzeitig in der Lage, ihren Bewohnern ein Gefühl der Freiheit zu vermitteln wie kein anderer Ort auf der Welt. Eine Stadt, die zu jenem Zeitpunkt zwar keinen Bürgermeister hat, aber zwei Päpste. Aus anfänglicher Faszination für das grundlos Böse wird eine differenzierte Aufarbeitung enttäuschter Erwartungen, sexueller Verwirrung, Suche nach Identität und Orientierungslosigkeit. Immer verknüpft mit Rom, der Stadt, die alles überdauern wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.08.2023

In Italien ist dieses Buch ein großer Erfolg gewesen, weiß Rezensentin Maike Albath, und das liegt vor allem daran, dass das Verbrechen, das Autor Nicola Lagioia schildert, was wirklich geschehen ist: Zwei bürgerliche junge Männer, denen es zumindest materiell an nichts fehlt, ermorden einen dritten, den sie als Stricher zu sich bestellt haben. Albath schildert, wie die Tat durch ihre Grundlosigkeit schockiert, die Täter kannten einander kaum, das Opfer gar nicht, der Sadismus der beiden ist erschreckend. Lagioia reflektiert hier nicht nur die Tat als solche, sondern auch seine eigene Recherche, diese Reflektionen sorgen laut Albath dafür, dass der Mord nicht als unmenschlich präsentiert wird, sondern als "rauschhafter Effekt von Gewalt", der auch dem Autor eingestandenermaßen nicht ganz fremd ist. Eine aufsehenerregende, aber nicht sensationsgeile Schilderung, die sie an Capote und Carrère denken lässt, wie sie resümiert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.08.2023

Es war im Jahr 2016, als Rom zwei Päpste, aber keinen Bürgermeister hatte. Zwei Männer, die der schwulen Partyszene der Stadt verbunden sind, bringen einen dritten um, einen armen Jungen aus der Vorstadt, der sich gelegentlich prostituierte. Ein grausamer Foltermord, der bis heute nicht verarbeitet ist. Nicola Lagioia, der für "Eiskalter Süden", den Premio Strega bekommen hatte, legt hier eine True-Crime-Reportage vor, die sich laut Rezensentin Katrin Doerksen wie ein Roman liest. Ein sehr düsteres Buch sei das, in dem die Stadt Rom als ein das Verbrechen ermöglichender Raum eine Hauptrolle spielt. Der Autor habe sich zunächst geweigert, diese Reportage, ursprünglich für eine Zeitung, zu schreiben, konnte sich der Faszination der Geschichte aber nicht entziehen. Und die Rezensentin auch nicht. Geschenkt wird den Lesern aber nichts, auch nicht eine erlösende Erklärung für das grausame Verbrechen, so Doerksen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.07.2023

 Rezensent Tobias Gohlis berichtet von dem Fall, auf dem Nicolas Lagioias neuer "Tatsachenroman" beruht: Der junge Handwerker und Stricher Luca Varani wurde 2016 von zwei Männern in seines Alters mehrere Tage lang zu Tode gefoltert. Der Grund? Unklar, Lust- und Rauschgefühle dürften eine Rolle gespielt haben, kann Gohlis bei Lagioia rauslesen, der nach jahrelanger Quellenarbeit in der Form des fiktiven Erzählens nach Antworten sucht. Und diese tastende, minutiös-genaue Suche gelingt, meint der Kritiker in seiner kurzen Besprechung: "Ein Meisterwerk. Von großer Menschlichkeit."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.06.2023

Rezensent Francesca Polistina ist ganz außer Atem nach der Lektüre von Nicola Lagioias, ja was, Thriller, Dokumentation, soziologischer Analyse eines brutalen Mords in Rom im Jahr 2016. Der Mix der Gattungen und Perspektiven macht den Text schnell und groß, meint sie. Mehr als die Rekonstruktion eines Mordfalls ist das Buch für die Rezensentin auch, weil es dem Autor offenbar um die Erforschung des Bösen geht. Und Rom ist bei Lagioia nicht die schöne Touristenattraktion, sondern ein korrupter, schmutziger Moloch, der Inbegfiff der Sterblichkeit, so Polistina.