Michael Mitterauer

Warum Europa?

Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs
Cover: Warum Europa?
C.H. Beck Verlag, München 2003
ISBN 9783406502224
Gebunden, 352 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Das Problem der europäischen Sonderentwicklung beschäftigt die Wissenschaft schon seit vielen Jahrzehnten. Warum ist es gerade in diesem Kulturraum zur Industriellen Revolution gekommen? Warum haben sich hier Kapitalismus und Kolonialismus entwickelt? Warum wurden gerade hier parlamentarisch-demokratische Systeme begründet? Das vorliegende Buch greift diese klassischen Fragen nach den Wurzeln des spezifisch Europäischen auf und beantwortet sie in neuer Weise. Von einem breiten Spektrum europäischer Besonderheiten ausgehend wird im interkulturellen Vergleich - vor allem mit dem islamischen Raum und China - nach bedingenden Faktoren gesucht. Dabei ergeben sich eine Reihe neuer Erklärungsansätze in sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen: In der Landwirtschaft, im Familiensystem, in der Wehrverfassung, in spezifischen Organisationsformen der Religionsgemeinschaften. Aus der Wechselwirkung dieser Bedingungen lässt sich die besondere Eigenart, aber auch die besondere Dynamik der europäischen Gesellschafts- und Kulturentwicklung verständlich machen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.10.2003

Geärgert hat sich Michael Borgolte bei der Lektüre von Michael Mitterauers Studie "Warum Europa?" Ausgehend von Max Webers Frage nach den Wurzeln des europäischen Sonderwegs, habe sich der Wiener Sozialhistoriker daran gemacht, "einen unbezweifelten historischen Sachverhalt zu illustrieren". Frei von jeglichen "Überraschungsmomenten" erarbeite Mitterauer dabei die Erfolgsgeschichte Europas an zahlreichen "universalhistorischen Vergleichen", die den Blick auf den "Eigenwert des Fremden" versperren. Sehr zum Leid des Werkes, kommentiert der Rezensent, stoße doch der Autor selbst immer wieder auf Widersprüche und Unstimmigkeiten in der europäischen Geschichte und erkennt ein "Kern-" und "Randeuropa". Eine Einsicht, zu der sich Borgolte eine eigene Studie gewünscht hätte. Da sich derlei Entdeckungen jedoch nicht in den Ansatz Mitterauers integrieren ließen, mussten sie wohl oder übel übergangen werden. Die Folge sei, so Borgolte, eine Reduktion europäischer Vielschichtigkeit.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.09.2003

"Warum Europa?" Wie kam es dazu, dass sich hier gesellschaftliche Erscheinungen herausbildeten, die in der Moderne universelle Bedeutung erlangten? Max Weber hatte das gefragt und mit der protestantischen Ethik beantwortet, Michael Mitterauer frage erneut und gebe eine andere Antwort - überzeugend und erhellend, wie Peter Bickle findet. Mitterauer leite den europäischen Sonderweg aus komplexen mittelalterlichen "Bewirkungszusammenhängen" in Wirtschaft, Gesellschaft und Religion ab, deren Fäden er jedoch souverän und ohne "teleologische Strenge und Enge" aufrolle, um Geschichte als Geflecht begreifbar zu machen: Agrarrevolution, Bergbau, Lehnswesen, Kommunalismus, die mediale Popularisierung des Christentums und mittendrin auch die Ethik der Arbeit - als ein Faktor in einem Netzwerk von Ursache und Wirkung. Eine kluge Studie eines renommierten Wissenschaftlers, urteilt Bickle.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.06.2003

Johannes Fried ist begeistert von Mitterauers schmalem Buch, denn "große Bücher müssen nicht dick sein". Er ist fasziniert von den Perspektiven, die der Autor eröffnet - so zeigt er beispielsweise auf, dass die Agrarwende des frühen Mittelalters hin zu Roggen und Hafer Grundlage für Europas "grandiosen Aufstieg" war. Fried bewundert Mitterauers Blick für die weitreichenden Auswirkungen selbst kleinster Impulse. Jedes der sieben Kapitel enthält eine dieser "kulturellen Netzwerkanalysen", die Mitterauer geschickt mit einem interkulturellen Vergleich verbinde: Inwiefern haben sich zum Beispiel China durch den Reisanbau und die islamische Welt durch den Gartenbau rückentwickelt? Natürlich könnte der Rezensent Schwächen und Lücken aufzeigen (so verdiene der Europabegriff eine stärkere Historisierung), doch Mitterauers Buch verdient kein Kritteln, erklärt Fried, denn es lebt von den großen Perspektiven, nicht von "irgendwelchen Einzelheiten".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.06.2003

Als "anregende Sozial- und Kulturgeschichte des Mittelalters" würdigt Rezensent Wolfgang Kruse vorliegenden Band. Er findet es "höchst beeindruckend", wie es Michael Mitterauer gelingt, die Besonderheiten des europäischen Mittelalters im interkulturellen Vergleich herauszuarbeiten. Mitterauer kann nach Einschätzung Kruses deutlich machen, "welche Vielfalt dynamischer Elemente diese Zeit in ihrer 1000-jährigen Geschichte aufwies." Als Beispiele nennt Kruse unter anderem die agrarische Revolution mit ihren weitreichenden Folgen für die Entwicklung der Wassermühle, der Montanindustrie, der Viehzucht und der typisch europäischen Ausbildung der Grundherrschaft in wirtschaftlich-sozialer Hinsicht. Die Titelfrage "Warum Europa?" kann Mitterauer zum Bedauern des Rezensentin allerdings "nicht wirklich befriedigend" beantworten. Was fehlt, ist ein "klarer Begriff" des neuzeitlichen europäischen Sonderwegs, kritisiert Kruse. Zudem begrenze Mitterauer seine Darstellung fast vollständig auf die mittelalterliche Gesellschaft und bekomme so die Problematik des Übergangs kaum in den Blick.
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