Marvel Moreno

Im Dezember der Wind

Roman
Cover: Im Dezember der Wind
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783803133540
Gebunden, 448 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen Rike Bolte. Jeder Sturm hat seine Gründe, jedes Schicksal seinen Ursprung. Wie eine gelassene, weil machtlose Göttin sitzt die Großmutter inmitten von Zikadengezeter in der trägen Luft der Mittagshitze, als sie es Lina erklärt: warum ihre Freundin Dora einen Mann heiraten wird, der sie schlägt - und welche generationenalte Schuld sie unabwendbar ins Unglück zu führen scheint. Viele Jahre später versucht Lina zu begreifen und zu erzählen: nicht nur von Dora, auch von Catalina, Beatriz und sich selbst. Alle sind sie jung, schön und reich, Teil der so konservativen wie frivolen Elite Barranquillas, einer Stadt an der kolumbianischen Karibikküste. Es sind Geschichten von Freiheitsträumen und Demütigungen, von weiblichem Begehren, von Sex und Unterwerfung, kolonialem Erbe und den Verbrechen der Erziehung - vor allem aber Geschichten von Frauen, die zum Skandal werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.08.2023

Auch Rezensent Jobst Welge kommt nicht umhin, diesen 1987 im Original erschienenen und nun erstmals auf Deutsch vorliegenden Roman der kolumbianischen Schriftstellerin Marvel Moreno mit Gabriel Garcia Marquez' "Hundert Jahre Einsamkeit" zu vergleichen. Ebenso opulent scheint ihm dieses, allerdings aus feministischer Perspektive erzählte, Gesellschaftsporträt. Welge taucht an der Seite von drei Frauen ein ins Großbürgermilieu im Baranquilla der Vierziger und Fünfzigerjahre: Dora, Catalina und Beatriz sind auf ganz unterschiedliche Weise durch die Gewalt der patriarchalischen Gesellschaft geprägt, resümiert der Kritiker. Dass es Moreno weniger auf ihre Figuren als auf deren Prägung durch Gesellschaft, aber auch durch Klima und Kolonialismus ankommt, geht für Welge in Ordnung. Und auch die mitunter "schwülstige Atmosphäre" im Roman kann er angesichts der kunstvoll verschachtelten, aber präzisen Sprache und der Frische des Romans gern verzeihen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.07.2023

Rezensent Hernán D. Caro staunt über dieses große Werk der kolumbischen Autorin Marvel Moreno, das nach der Erstveröffentlichung 1987 lange in Vergessenheit geriet und nun auf Deutsch vorliegt. Es erzählt von den drei Frauen Dora, Catalina und Beatriz aus der besseren Gesellschaft der nordkolumbianischen Hafenstadt Barranquillas und von ihren pragmatischen, quälenden Ehen zu "respektablen" Männern: Einer ist mit seiner eigenen Sexualität nicht im Reinen, einer ist der ehemalige Vergewaltiger seiner Ehefrau, und ein anderer verurteilt seine Frau dafür, sich selbst zu befriedigen. Gemeinsam ist den Figuren, so Caro, der Drang eines weiblichen Begehrens, der von der patriarchalen Gesellschaft der fünfziger Jahre unbedingt im Zaum gehalten werden will. So handelt es sich für den Kritiker trotz des "Mikrokosmos" der drei Frauen gleichzeitig um ein hellsichtiges Gesellschaftsporträt, das ihn an García Márquez' berühmten Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" erinnert. In seinem "intimen" oder "tragischen Realismus", wie Caro die Übersetzerin zitiert, entwickle Morenos Roman aber seine ganz eigene Qualität und Wucht. Ein bewegender und "monumentaler" Roman mit erstaunlich klarem Blick für die Kräfte des Patriarchats und seine Auswirkungen sowohl auf Frauen als auch auf Männer - der Kritiker ist begeistert von dieser Wiederentdeckung.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.06.2023

Gar nicht aus der Hand legen möchte Rezensentin Victoria Eglau dieses im Original 1987 erschienene Buch der kolumbianischen Schriftstellerin Marvel Moreno. Es geht um drei junge Frauen aus der katholisch-konservativen Elite der Provinzstadt Barranquila, so die Kritikerin. Moreno war selbst Teil dieser Oberschicht und kennt die patriarchalen Strukturen, gegen die sich ihre Figuren wehren und an denen sie zum Teil zu Grunde gehen, wie wir erfahren. Morenos Ton ist bissig und ironisch, so Eglau, ihre psychologischen Analysen prägnant. Auch mit der "opulenten" Sinnlichkeit der Sprache kann der Roman die Kritikerin überzeugen.