Jarvis Cocker

Good Pop, Bad Pop

Die Dinge meines Lebens
Cover: Good Pop, Bad Pop
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2022
ISBN 9783462003840
Gebunden, 400 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Harriet Fricke und Ingo Herzke. Wir alle haben irgendwo im letzten Winkel unserer Wohnung eine durch den Zufall kuratierte Sammlung von Gegenständen, von denen wir uns, willentlich oder nicht, nie getrennt haben. Vielleicht sind  gerade sie es, die die ehrliche Geschichte über unser Leben erzählen. Als Jarvis Cocker sich daran macht, seinen Dachboden aufzuräumen, stößt er auf ein kaum zu überschauendes Durcheinander von Gegenständen, die alle mit einem Moment seines Lebens verknüpft sind, und die merkwürdige Fragen aufwerfen: Wer glaubst du, zu sein? Was bedeutet dir Kleidung? Und wieso liegen hier oben so viele kaputte Brillen? Fotos, Eintrittskarten, ein orange-grünes Polyesterhemd, halbvolle Kaugummiverpackungen, alte Magazine und angefangene Notizbücher - Jarvis beginnt zu sortieren. Und er beginnt, sich zu erinnern: an eine Jugend im Sheffield der 70er, den naiven Traum, Popstar zu werden, an die Schule und an Jobs, und an eine Erfolgsgeschichte, die ihn zu einem stilbildenden Musiker der goldenen Britpop-Ära machen wird.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.12.2022

Rezensent Kai Spanke mahnt zunächst zur Vorsicht dabei, was man Jarvis Cocker alles glauben sollte - denn in seiner Quasi-Biografie, die sich an skurrilen Gegenständen auf seinem Dachboden entlanghangelt, gehe der Pulp-Gründer recht frei mit Fakten um. So sei etwa seine Sehschwäche nicht, wie er laut eigener Angabe sein ganzes Leben lang erzählt habe, auf eine Hirnhautentzündung im Kindesalter zurückzuführen, wie Cocker im Buch selbst zugibt. Trotz solcher "Schlenker" liest der Kritiker aber gerne, welche Geschichten sich an Cockers Dachboden-"Zeug" (der Begriff scheint Spanke dann doch angemessen) wie kaputten Brillen, Kaugummipackungen, Spielzeug oder einem Gebissabdruck entspinnen - über Cockers Kindheit, aber auch die Anfänge des Projekts Pulp: Fasziniert vollzieht der Kritiker etwa an einem alten Notizbuch des Musikers nach, wie dieser die Philosophie und den Kleidungsstil der Band bereits mit 15 Jahren entwarf. Das Buch ist weniger Biografie als "poparchäologisches Projekt", das den Kritiker mit "selbstironischem Charme" für sich einnimmt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.11.2022

Rezensent Klaus Walter liest bei Jarvis Cocker gerne vom "Pop als Kinderkram", und zwar im besten Sinne: Wie der Autor und Gründer der Band Pulp hier über seine seit der Kindheit vorhandene Faszination für Pop schreibt und sich dafür an einzelnen, auf dem eigenen Dachboden aufgefundenen Gegenständen entlanghangelt, zu denen er je eine kleine Anekdote erzählt, gefällt dem Kritiker gut. Dabei geht es viel um das Verhältnis von Pop und Klasse bzw. das Selbstverständnis, ein Künstler aus dem Proletariat zu sein, so Walter, und damit um ein "übersichtliches Weltbild: Wir gegen die" - an dem Cocker hier mit kindlichem Glauben festhalte, das er aber trotzdem zu reflektieren vermöge, analysiert der Kritiker. Bemerkenswert außerdem, wie Cocker die Band und ihr Konzept erfand, bevor er überhaupt ein Instrument spielen konnte, schmunzelt Walter. Nur über die auch aktuellen Spielarten des "Bad Pop" hätte er gern noch etwas mehr erfahren - "Fortsetzung please", schließt der Kritiker daher erwartungsvoll.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.11.2022

Jarvis Cocker gehört zur Britpop-Generation. Ganz so berühmt wie Blur oder Oasis war seine Band Pulp nicht, aber er ist schon eine Größe, berichtet der kundige Rezensent Jens Buchholz. Dieses Buch hat ihn durchaus fasziniert: Cocker räumt gewissermaßen - oder nein, eigentlich sogar recht wörtlich - zusammen mit seinen Lesern seinen Dachboden auf, fördert banale Gegenstände zutage, alte Kassettenrekorder oder den britischen Hefextrakt im Glas namens "Marmite" etwa und knüpft daran autobiografische Überlegungen, aus denen sich für den Rezensenten höchst lesenwert und amüsant Cockers Biografie zusammensetzt. Cockers Band nannte sich nicht umsonst "Pulp". Pop ist immer auch ein Recycling von etwas, das andere wegwerfen, lernt Buchholz aus diesem Buch, das er wärmstens weiter empfiehlt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 08.10.2022

Jarvis Cocker ist Frontmann der Band Pulp, jetzt hat er ein Buch geschrieben, das Susanne Romanowski als Sammelsurium von Erinnerungen beschreibt. Ausführlich werden wir über die wechselhafte Geschichte der Britpop-Band unterrichtet, doch die Rezensentin sieht in der teils multimedialen Gestaltung inklusive Bilder nicht nur ein klassisches, linear erzähltes Musik(er)-Memoir. Ihr gefällt, dass wir Cocker beim Nachdenken zusehen können, wenn er die teils kuriosen Fundstücke vom Dachboden seiner Erinnerung holt. Er zeigt sich nahbar und entgeht dabei der Sentimentalitätsgefahr, findet Romanowski. In seinen Überlegungen, auch zur Natur des Pop, schwankt er bisweilen zwischen Punk und Establishment, das ist reizvoll, findet sie. Die Anschlussfähigkeit eines solchen Memoirs steht und fällt natürlich mit der emotionalen Bindung der Leserschaft, weiß die Kritikerin, doch sie ist definitiv von Cockers Buch überzeugt.