Michael Kapellen

Doppelt leben

Bernward Vesper und Gudrun Ensslin. Die Tübinger Jahre
Cover: Doppelt leben
Klöpfer und Meyer Verlag, München 2005
ISBN 9783937667652
Gebunden, 196 Seiten, 19,50 EUR

Klappentext

Bernward Vesper und Gudrun Ensslin verbrachten die prägenden Jahre ihres Lebens in Tübingen, "wo sich so vieles entschieden hatte", wie Vesper später in seinem autobiographischen Romanessay "Die Reise" resümierte, der von der Kritik hymnisch als "Nachlaß einer ganzen Generation" gefeiert wurde. (Peter Weiss nannte das Buch gar den "intellektuellen Höhepunkt der Bewegung des Jahres 68".) Bernward Vesper und Gudrun Ensslin, der spätere APO-Aktivist und die künftige RAF-Terroristin, lernten sich am Anfang ihres Studiums in Tübingen kennen und engagierten sich schon bald gemeinsam in äußerst widersprüchlichen Aktivitäten. Zum einen gründeten sie den kleinen avantgardistischen Verlag "studio neue literatur", zum anderen betrieben sie die Herausgabe der gänzlich vorgestrigen Werke Will Vespers, des Nazi-Dichters. Michael Kapellens Buch "Doppelt leben" bringt nun eine ganze Fülle bislang unveröffentlichter Texte und Dokumente aus Vespers und Ensslins Tübinger Zeit, es ermöglicht somit einen differenzierteren Blick auf beider Biographien - und erzählt damit gewissermaßen eine Vorgeschichte der 68er und auch ein erstes Stück aus der Motivgeschichte der RAF.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.05.2005

Die "Tübinger Jahre", das waren bei Gudrun Ensslin und ihrem ersten Lebensgefährten Bernward Vesper die Jahre 1961 bis 1964, teilt Gerd Koenen mit. Kapellen habe interessante Texte und andre Zeugnisse aus jener "formativen Phase" zu Tage gefördert, lobt Koenen, selbst ein Fachmann in Sachen Ensslin und RAF. Der Titel "Doppelt leben" verweise auf die seltsame gespaltene Existenzweise des Paares, vor allem bei Vesper, der mit seinen eigenen literarischen Versuchen und verlegerischen Projekten extrem zwischen links und rechts schwankte; auf der einen Seite der neuromantische Kitsch seines Vaters, des Nazi-Dichters Will Vesper, auf der anderen Seite die experimentelle Literatur, charakterisiert Koenen das Doppelleben und Doppelschreiben Vespers. Das Paar tobte sich jedoch nicht nur literarisch aus, sondern probierte auch sonst literarische Rollen im wirklichen Leben aus, führte eine exzessive Künstlerexistenz, so Koenen, die zwischen Puritanismus und Exhibitionismus, zwischen Moralismus und Exzess hin und her fuhrwerkte. So nehmen auch die frühen Jahre Gudrun Ensslins, fasst Koenen zusammen, deutlichere Konturen an.