Evelyn Grill

Der Nachlass

Roman
Cover: Der Nachlass
Residenz Verlag, Salzburg 2022
ISBN 9783701717538
Gebunden, 112 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Eine alte Frau sitzt in ihrem Lehnstuhl, ihre Gedanken gehen zu ihrer Tante Paula, von der sie dieses Möbelstück geerbt hat, und zu ihrer eigenen aufgezwungenen Einsamkeit. Denn es herrscht Pandemie und sie ist zur "vulnerablen Person" erklärt worden. Als solche wird sie vorsorglich abgesondert und "keimfrei aufbewahrt", vielleicht wird sie unter dieser Schutzglocke ja hundert Jahre alt. Tante Paula hingegen ist keine fünfzig geworden, sie wurde deportiert und der Lehnstuhl ist alles, was von ihr geblieben ist. Zwischen glasklarer Erkenntnis und zunehmender Verwirrung kreist das Denken der alten Frau um das Leben, das geschützt wird, und jenes, das als "unwert" bezeichnet wird, um gesellschaftliche Gewalt - und um das Glück, von niemandem behelligt zu werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.2022

Feinstes Handwerk ist der Roman von Evelyn Grill, schreibt die gerührte Literaturwissenschaftlerin Lerke von Saalfeld. Angetan zitiert sie, was die fast gleichaltrige Österreicherin oft recht frech über das Älterwerden und das Alter schreibt. Ausgangspunkt sind Grills Gedanken über sich selbst als "vulnerabler" Mensch in der Corona-Pandemie, die sie aus ihrem Lehnstuhl aufstehen und in den Keller gehen lassen, um eine Mappe mit Erinnerungen zu heben - Briefe ihrer jüdischen Familie und ihres Mannes aus den 1940er Jahren. Dass diese den letzten Teil des autobiografischen Romans ausmachen, ist für von Saalfeld eine der Stärken dieses Buches, die andere, dass die achtzig Jahre alte Grill ihre Erinnerungen und Gefühle als Ausgestoßene zur Klammer ihrer Geschichte macht. Entstanden sei ein "poetisches Memorial", frei von Vorwürfen, aber voller Sehnsucht einer Überlebenden nach den Toten.
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