Magazinrundschau
Die Reichen und die Diebe
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
04.06.2013. Manchmal sind sogar Zeitungen dafür, das Urheberrecht zu vereinfachen, lernt der Economist. Nur die Medien glauben, die Aufständischen hätten den Bürgerkrieg in Syrien schon gewonnen, meint die London Review of Books. In Osteuropa überlegt Olga Radetzkaja, warum der nationalbolschewistische Autor Zakhar Prilepin im deutschen Literaturbetrieb so wohlige Schauer auslöst. In Nepszabadsag sieht Laszlo Vegel eine Befriedung der serbischen Nationalisten aufschimmern. In Le Monde sieht Boualem Sansal schwarz für Algerien. Die Financial Times sieht gar nicht schwarz für Somalia. Die New York Review of Books möchte keine Kreuzfahrt nach Venedig machen, danke.
Economist (UK), 01.06.2013
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Außerdem wägt der Economist die Chancen für eine privatwirtschaftliche Marsbereisung oder sogar -kolonialisierung ab, schaut sich die neuen Arbeitsbeziehungen im Cloud-Zeitalter näher an und stellt die, im übrigen profitorientierte, Aktivismusplattform change.org vor.
London Review of Books (UK), 06.06.2013
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Außerdem: In einer ziemlich launigen Reportage über Deutschland wirbt ein beim SPD-Parteitag vom "Geruch von Bratwurst, Senf und deutschem Kaffee" umwehter Neal Ascherson für ein wenig mehr Sympathie für Peer Steinbrück und erklärt dabei noch, wie ihm das Vogelgezwitscher vor seinem Hotel verrät, dass Berlin niemals zu einer wirklichen Hauptstadt aufsteigen wird. David Runciman liest den ersten (bereits stolze 859 Seiten zählenden) Band der offiziellen Biografie von Margaret Thatcher. Christian Lorentzen überlegt, warum er die kanadische Schriftstellerin Alice Munro nicht mag: "Weil ich ein Riesenchauvinist bin? Oder ein Misogynist? Oder autistisch?" Ganz überwältigt berichtet Iain Sinclair von seinem Besuch einer Ausstellung mit Bildern von Leon Kosof (unten seine Zeichnung "City of Rooftops" von 1957), während Michael Wood nochmals Rossellinis Film "Reise nach Italien" schaut.
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HVG (Ungarn), 03.06.2013
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Osteuropa (Deutschland), 01.06.2013
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In einem hochkonzentrierten Essay macht sich der Historiker Gerd Koenen (leider nicht online) daran, den Kommunismus in seiner Zeit und Vielgestaltigkeit zu verorten. Eine seiner vielen Beobachtungen: "Kommunisten haben in keinem Land der Welt auf der Grundlage von Klassenkämpfen industrieller Arbeiterschaften gegen die kapitalistischen Ausbeutung und Verelendung oder auf Grund der krisenhaften Ausweglosigkeit und 'Fesselung der Produktivkräfte' durch eine herrschende Kapitalistenklasse - kurzum: auf Grund all der Phänomene, an die die Revolutionserwartungen eines marxistisch inspirierten Sozialismus historisch geknüpft waren - irgendwelche bedeutenden Erfolge oder gar die politische Macht errungen ... Die wirklichen Sternstunden der Kommunisten aller Länder waren die beiden Weltkriege. Ohne die imperialistischen Weltkriege kein Weltkommunismus."
Die Berliner Übersetzerin Olga Radetzkaja versucht sich die Faszination zu erklären, die der nationalbolschewistische Autor und früheren Tschetschenien-Kämpfer Zakhar Prilepin auf den hiesigen Literaturbetrieb ausübt - doch ganz gelingen kann es ihr nicht: "Stichwort 'Revolution und Sex'. Einerseits gilt Prilepin als einer der prominentesten und entschiedensten Oppositionellen in Russland - 'er hasst Putin' früher Teil des Systems - und zwar nicht irgendwie, sondern im Krieg, unter Einsatz seines Lebens. Wenig ist für den westlichen Kulturbetrieb so reizvoll wie echte Waffenträger -die RAF-Ikonen Baader, Meinhof, Ensslin sind dafür ein Beispiel -, und politisch ist man dabei umso weniger wählerisch, je weiter das Land, in dem die betreffende Revolte sich vollzieht oder vollziehen soll, entfernt ist."
Merkur (Deutschland), 01.06.2013
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Die Frankfurter Juristin Ute Sacksofsky nimmt die Familienförderung unter die Lupe und fragt unter anderem, ob die Erhöhung der Geburtenrate tatsächlich eine obligatorische Staatsaufgabe sein kann: "Jede Funktionalisierung von Menschen ist problematisch, auch wenn es um Rentensicherung statt um Landesverteidigung geht." Im Print zu lesen sind außerdem Texte von Michael Rutschky, Wolfgang Kemp und Niels Werber.
Nepszabadsag (Ungarn), 01.06.2013
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Zoltán Trencsényi skizziert die neue Welt, die auf der Römischen Promenade entsteht, einem Uferabschnitt der Donau, der von den Budapestern zur Erholung genutzt und von der Stadtverwaltung gerade neu gestaltet wird: "In der jüngsten Vergangenheit entstanden immer eleganter Restaurants, Sportstätte, Hotels. Sie griffen die alte Romantik noch in ihren Namen auf, doch die früheren Besucher und die Alteingesessenen spüren, dass sie nicht wirklich die neue Zielgruppe darstellen. (...) Eine seltsame Mischung aus Plattensee, der Fußgängerzone in der berühmten Váci Straße, aus Erholungsort und Villenviertel, ein wenig Vergangenheit, sehr viel Gegenwart. Teures belgisches und günstiges heimisches Zapfbier. Aufwändiges Gourmet-Essen und Bohnengulasch. Und natürlich Bratfisch, Lángosch und Eis überall. Unweit die wunderschöne Natur, Kiesstrände, alte Bäume, und ein Fluss, der in den vergangenen Jahren immer sauberer wurde. Bald wird sich entscheiden, wem dieses Römische Reich gehören wird."
Le Monde (Frankreich), 30.05.2013
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Weitere Artikel in dem Dossier: Der Politologe Mohamed Chafik Mesbah fürchtet eine Implosion des Landes nach Bouteflikas Tod. Ähnlich sieht es sein Kollege Luis Martinez, der sogar einen Rückfall in die entfesselte Gewalt der neunziger Jahre an die Wand malt.
Financial Times (UK), 31.05.2013
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Point (Frankreich), 30.05.2013
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Salon.eu.sk (Slowakei), 30.05.2013
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Eurozine (Österreich), 04.06.2013
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Elet es Irodalom (Ungarn), 29.05.2013
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New York Review of Books (USA), 20.06.2013
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David Cole rauft sich die Haare über die Erfolge der amerikanischen Waffen-Lobby, die nicht eimal Überprüfungen zulassen wollte, damit Waffen wenigstens nicht mehr an Kriminelle, Wahnsinnige und Gewalttäter verkauft werden dürfen: "Jedes Jahr sterben in den USA zweimal so viele Menschen durch Schusswaffen wie bei Terroranschlägen weltweit."
Weiteres: David Bromwich warnt vor einer Intervention in Syrien und erinnert an den katastrophalen Irakkrieg, die auch nicht sonderlich erfolgreiche Intervention in Libyen, Al Qaida und die Tatsache, dass in Syrien ein Machtkampf zwischen Sunniten und Schiiten stattfindet. Richard Dorment übt scharfe Kritik an der Praxis der Andy Warhol Foundation, auf der Rückseite eines nicht anerkannten Werks mit unlöschbarer roter Tinte und ohne Angabe von Gründen das Wort "Abgelehnt" zu stempeln.
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