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29.05.2002. Die FAZ wirft Martin Walser Antisemitismus vor. Jetzt haben der Suhrkamp Verlag und Walser selbst reagiert
In einer dürren Pressemitteilung reagiert Verlagsleiter Günter Berg vom Suhrkamp-Verlag am Mittwochnachmittag auf die Antisemitismusvorwürfe Frank Schirrmachers in der FAZ (siehe Zitat und Link in unserer Presseschau). Danach hat Martin Walser die Arbeit an seinem Roman "Der Tod des Kritikers" vor einer Woche abgeschlossen. Der Roman sollte im August erscheinen. Suhrkamp betont, dass "Fahnen bis heute nicht vorliegen". Aber nach Darstellung Schirrmachers in der FAZ hat Walser selbst eine Kopie des Manuskripts an die Redaktion der FAZ geschickt, um einen Vorabdruck anzuregen. Nach Angaben von Suhrkamp handelt es sich dabei um eine "unredigierte Fassung".

Berg schreibt, dass man "mit der üblichen professionellen Sorgfalt (verfahren ist), die für die Verbreitung eines Buches Bedingung ist. Manuskripte oder Fahnen werden vor der Autorisierung durch den Autor nicht verschickt, von einem 'Staatsgeheimnis' kann keine Rede sein". Der Verlag will den Roman jetzt offensichtlich vor dem ursprünglich geplanten Termin ausliefern - ein Datum wird aber nicht benannt. Die abschließenden Worte Günter Bergs in der Pressemitteilung: "Es wäre der FAZ angemessener gewesen, die gewiss notwendige Diskussion um diesen Roman dann zu eröffnen, wenn alle ihn in den Händen halten können."

Martin Walser selbst hat sich inzwischen in einem Interview mit dem NDR-Radio über die Vorwürfe Frank Schirrmachers geäußert, wie wir eine dpa-Meldung bei Yahoo entnehmen: "Ich hätte nie, nie, niemals gedacht, dass jetzt dieses Buch auf den Holocaust bezogen wird. Verstehen Sie, dann hätte ich das Buch nicht geschrieben", heißt es da. "Das Buch erzählt die Erfahrungen eines Autors mit Machtausübung im Kulturbetrieb zur Zeit des Fernsehens. Ich schreibe über die von Party zu Party taumelnde Kulturbetriebslandschaft und davon, dass es zu einem enormen Star und fröhlichen Menschen nicht passt, umgebracht zu werden. Es passt nicht, und daraus wird gemacht, ich hätte gesagt, getötet zu werden oder den Holocaust zu überleben sei eine Charaktereigenschaft. Wenn Sie alle Sätze, die irgendwo geschrieben werden, immer projizieren auf den Hintergrund Holocaust, dann werden ziemlich viele Sätze sehr komisch wirken, das kann ich Ihnen sagen." In einer AP-Meldung, die wir ebenfalls bei Yahoo finden, heißt es gar, dass Walser rechtliche Schritte gegen die FAZ erwägt, weil "diese sich bereits vor Erscheinen seines neuen Buchs in der Mittwochausgabe ausführlich mit dem Inhalt auseinander gesetzt hat."
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