Magazinrundschau - Archiv

Lapham's Quarterly

6 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 12.01.2021 - Lapham's Quarterly

In einem Essay des Magazins zeichnet Sisonke Msimang die Geschichte der Gewalt im Kontext des Freiheitskampfes in Südafrika nach. Am Beginn stehen der Zulu-Gangster Nongoloza und die Nineviten: "Die Nineviten nannten sich nach der antiken assyrischen Stadt Ninive, in der Bibel ein Ort der Sünde. Die Nineviten waren eine aus Männern bestehende homosexuelle Bande, die in den Bergen von Johannesburg lebte. Frauen waren nicht zugelassen. Stattdessen waren die Nineviten angehalten, untereinander zu heiraten. Die Bandenmitglieder folgten strikten Gesetzen, die es ihnen u.a. verboten, in den Minen zu arbeiten, das zu einer Zeit, als afrikanische Männer billige Arbeitskräfte waren und nur wenige schwarze Männer es sich leisten konnten, ihre Arbeit frei zu wählen. Die Nineviten folgten den Anweisungen eines mysteriösen alten Mannes names Po. Viele der heutigen Gangs in Südafrika stammen von den Nineviten ab und ihre Legenden machen in den Gefängnissen noch immer die Runde. Der Legende zufolge hatte Po um 1800, also lange vor der Entdeckung von Gold und Diamanten in Südafrika, eine Vision: Er sah eine große Stadt, in der hunderte schwarze Männer von der Erde verschluckt wurden und nie wiederkehrten. Sie lebten unter entsetzlichen Bedingungen, wurden ausgebeutet und starben. 50 Jahre später wurden die ersten Diamanten entdeckt. Po hatte in eine finstere Zukunft geschaut und er warnte junge Schwarze, ihr Glück nicht unter, sondern über der Erde zu suchen … Nongoloza, Anführer der Nineviten, war der erste von Pos Jüngern … Auch er war seiner Zeit voraus, intellektueller und spiritueller Vorfahr einer Jugend, die die politische Landschaft der 1970er prägte. Passenderweise starb er 1948, in dem Jahr, als die Apartheid Gesetz wurde."

Magazinrundschau vom 31.10.2017 - Lapham's Quarterly

Insbesondere die Jesiden hatten unter dem IS zu leiden, erklärt Alex Cuadros: Für die nordkurdische Ethnie hatten die Islamisten nichts als blanke, eliminatorische Verachtung übrig und schlachteten Tausende. Das ist auch für die Kultur und Religion der Jesiden ein schwerer Schlag, da beide oral tradiert werden - es gibt kaum in Schrift und Ton fixierte Zeugnisse. "Selbst Juden können als 'Volk des Buches' nach den Regeln des Kalifats Schutzstatus erlangen, doch die Jesiden haben kein Buch. Stattdessen haben sie 'Memorisierer', die die Religion über das Singen von Hymnen und dem Rezitieren von Geschichten weiterreichen. ... Ein Memorisierer weiß, wer ihm welches Stück seines Repertoires gelehrt hat. Jeder Hymnus ist das Ergebnis einer einzigartigen Linie der Weitergabe, weshalb sich die Verse von Region zu Region, von Generation zu Generation, von Person zu Person unterscheiden. ... Jüngere Generationen wachsen gebildeter und wohlhabender auf, doch immer weniger sorgen sich darum, die alten Hymnen zu lernen, während immer mehr von ihnen den Nahen Osten Richtung Europa verlassen. Wann immer ein älterer Memorisierer stirbt, stirbt jeder Qewl-Gesang oder Chirok, den er nicht mehr weiterreichen konnte, mit ihm."

Magazinrundschau vom 12.09.2017 - Lapham's Quarterly

Angst hatte sie schon in Nordkorea, wo sie monatelang undercover gelebt und als Englischlehrerin gearbeitet hat, schreibt die amerikanisch-koreanische Autorin Suki Kim. Aber Angst habe sie ihr Leben lang gehabt, darum kam sie überraschenderweise ganz gut klar. Verdrängung ist in diesem Fall alles, weshalb sie auch überrascht über die Fragen war, die nach der Reise gestellt wurden, zum Beispiel, "ob die Menschen in Nordkorea unter dem Großen Führer nicht hirngewaschen sind. Diese Frage fand ich immer sehr herablassend. Menschen sind ja nicht einfach Roboter. Sie können etwas glauben und nicht glauben - zur selben Zeit. Meine nordkoreanischen Studenten würden unisono das imperialistische Amerika und seine Puppe Südkorea als ihren schlimmsten Feind beschimpfen und erklären, dass sie, bräche ein Krieg aus, ihre Feinde ohne zu zögern töten würden. Aber als ich sie fragte: 'Und was ist mit mir? Ich bin sowohl amerikanische wie südkoreanisch', lachten sie verlegen und murmelten: 'Aber du bist unsere Lehrerin, du bist anders.' Ist das nicht genau die Art von Paradoxie, mit der der menschliche Geist arbeitet? Es gibt in uns allen einen Ort, der es uns erlaubt, etwas zu glauben und gleichzeitig zu wissen, dass es nicht wahr ist - oder ruhig im Klassenzimmer mit Studenten zu sprechen, während man gleichzeitig entsetzliche Angst hat, man könne von den Behörden enttarnt werden. Für mich ist es eine Art blinder Fleck."

Magazinrundschau vom 06.01.2015 - Lapham's Quarterly

Der Autor Pico Iyer, als Sohn indischer Eltern in England geboren, in Kalifornien aufgewachsen und mit einer Japanerin verheiratet, fühlte sich immer als Fremder. Darum reist er gern und viel, erzählt er, er mag dieses Gefühl des Fremdseins. Irritierend findet er Reisende, die sich angeblich überall zu Hause fühlen. Sie gucken einfach nicht richtig hin, glaubt er. "Japan bleibt es selbst, indem es einen unüberbrückbaren Graben zieht zwischen denen, die dazugehören und denen, die es nicht tun. Das hat das Land natürlich zurückgeworfen, in einer immer durchlässigeren Welt der Mehrheimischen. Und es ist eine Quelle verständlicher Frustration zum Beispiel bei den Koreanern, die seit Generationen in Japan leben, aber - bis vor ganz kurzem noch - verpflichtet waren, jedes Jahr ihre Fingerabdrücke abzuliefern, und die keinen Anspruch auf einen japanischen Pass hatten. Doch einem lebenslangen Besucher ist die Klarheit dieser Trennung willkommen. Im freien, lässigen Kalifornien fühle ich mit immer so akzeptiert wie alle anderen. Aber das führt aber nicht dazu, dass ich mich mehr wie ein Kalifornier fühle. Außerdem weiß ich, dass Japan nur so reibungslos funktionieren kann, weil jeder einen bestimmten Teil derselben Melodie singen muss, so dass ein einziger choraler Körper entsteht. Das System, das mich draußen hält, produziert die Effizienz und Harmonie, die mich anzieht."

Magazinrundschau vom 03.12.2013 - Lapham's Quarterly

Der amerikanische Autor Simon Winchester erzählt die amüsant-makabre Anekdote, wie er mit 18 Jahren als Assistent des Leichenbestatters im Whittington Hospital in London anheuerte - als einziger Bewerber auf eine Zeitungsannonce, weshalb er auch ohne Vorkenntnisse sofort eingestellt wurde. Als er das schlaffe Bein eines toten alten Mann mit einem rostigen Abflussrohr aus dem Hof stabilisierte, kam es bei der Einäscherung zu einer unangenehmen Überraschung: "Vor meinem inneren Auge entfaltete sich das grausige Unheil, Sekunde um Sekunde. Die trauernde Versammlung im Krematorium. Die tröstenden Worte des schwarz-gekleideten Ministers. Der mit Blumen bedeckte Sarg auf Rollen. Der Vikar, der, nachdem aller Trost gespendet ist, einen versteckten Knopf auf seiner Kanzel drückt. Zwei zur Seite schwingende Samtvorhänge. Der Sarg, der beginnt, sich in den langen, dunklen Tunnel des Ofens hinab zu bewegen, ein Donner blauer Flammen, das rasche Schließen der Stahltüren, und dann die Kirchengemeinde, die herumsteht und Plattitüden murmelt, die Wichtigen danken dem Priester, während die anderen langsam aus den Kirchenbänken heraustreten. Und dann, laut, wie aus einem mysteriösen Nirgendwo - ein gut hörbares Geräusch. Ein scharfer, metallischer, dumpfer Schlag."
Stichwörter: Versammlung

Magazinrundschau vom 24.09.2013 - Lapham's Quarterly

Brent Cunningham untersucht in einem sehr interessanten Essay das Phänomen der Henkersmahlzeit, das in vielen amerikanischen Bundesstaaten bis heute praktiziert wird: "Wenn man, wie Anthelme Brillat-Savarin es formulierte, ist, was man isst, dann ist die Henkersmahlzeit die ultimative Selbstdarstellung. Und es hat einen besonderen Kitzel, wenn diese Darstellung von Leuten wie Timothy McVeigh (Pfefferminz-Schokoladenchip-Eis) oder Ted Bundy (der ein spezielles Menü ablehnte und stattdessen Steak, Eier, Bratkartoffeln, Toast, Milch, Kaffee, Saft, Butter und Marmelade serviert bekam) kommt. Die Mahlzeit vor der Hinrichtung ist je nach Perspektive teilnahmsvoll oder pervers, und sie enthält ein bemerkenswertes Paradox: Sie markiert das Ende des Lebens mit dem Material, das es erhält. Es erscheint gleichzeitig bedeutungsschwanger und abwegig. Wie Barry Lee Fairchild, der 1995 in Arkansas hingerichtet wurde, sich ausdrückte: 'Es ist, als würde man ein Auto auftanken, das keinen Motor hat.'"
Stichwörter: Hinrichtungen