Außer Atem: Das Berlinale Blog

Geisterbahn Noir: Dante Lams 'That Demon Within' (Panorama Special)

Von Thomas Groh
08.02.2014. Derek Lam, Poet der Narben, ist wieder in der Stadt. In seinem "That Demon Within" fliegen die Fetzen, färben die Bilder sich rot und selbst Freud wird gnadenlos durch den Fleischwolf gedreht.


Etwas Festivalgeschichte auf einem Nebenschauplatz: Vor fünf Jahren bestaunten wir im Forum einen sensationellen Slowmo-Autounfall, bei dem Glas zu Kristallregen zersplitterte, Köpfe aneinanderschlugen und kreischendes Metall in der Dynamik der präzisen Montage eine ganz eigene Leinwandpoesie ausbildete. Die Rede ist, natürlich, von "Beast Stalker" von Dante Lam (mehr hier), einem der letzten Haudegen des Hongkong-Kinos. Zwar durchaus ein Nachzügler - seine Filmografie setzt 1997 ein, also zum Zeitpunkt der Übergabe Hongkongs an Chinas -, aber vom Spirit her definitiv "true": Seine oft günstigen, drastischen, schnellen, gemeinen, aber nie stumpfen Filme haben sich durchaus etwas von dem bewahrt, was das Hongkong-Kino einst zur einer aufregenden Fundgrube gemacht hatte. Und nicht zuletzt ist Dante Lam einer der wenigen Regisseur der einstigen Kronkolonie, deren Werk wenigstens in Form kontinuierlicher Schlaglichter abgebildet wird. Bereits 2001 lief seine schöne Triadenfilm-Parodie "Jiang Hu - The Triad Zone", nach "Beast Stalker" folgte 2011 "The Stool Pigeon" (mehr) und nun, nach einem Wechsel vom Forum ins Panorama, "That Demon Within".

Und in dem fliegt wieder ein Auto mit ziemlicher Wucht durch die Luft. Diesmal erst etwas enttäuschend, da wahrscheinlich computergeneriert, dann aber mit einer dann doch ungeheuren Präsenz des Faktischen, wie sie vielleicht wirklich nur das digitale Kino zu bewerkstelligen in der Lage ist. Aufs Schönste nieder macht die Karre eine Tankstelle, in die dann gleich noch Außenreklame krachen darf, bevor alles in, dann doch wieder computeranimierte, Flammen aufgehen darf. Dies geschieht sehr spät im Film, doch auch zu Beginn gibt es ein Filetstück avancierter Unfallästhetik zu beobachten, wenn ein Körper fast schon wie ein ballistisches Geschoss ins Altmetall fliegt und dabei, dadurch wird die Geschichte in Gang gesetzt, blutig perforiert wird. Bombast des Rohen - Dante Lam, der gefeierte Poet der Narben, ist wieder in der Stadt! Sein aktueller Film "That Demon Within" badet im farblich digital Fahlen - vieles in dem Film sieht aus wie toter Fisch von unten. Endlich ein Film, bei dem es sogar gut passt, dass das DCP, aus dem der Film auf die Leinwand gestreamt wird, qualitativ ziemlich mies ist.

Es geht um einen neurotisch peniblen, über die Maßen pflichtbewussten Polizisten, der, nachdem er oben erwähntem Perforierten per Blutspende das Leben gerettet hat, erkennen muss, dass es sich bei dem Begünstigten nicht nur um ein ganz besonders kaltschnäuziges Scheusal von einem Verbrecher handelt, sondern auch um ein diffus bekanntes Gesicht, das im Blutspender verschüttete Traumata aufbricht.



Es folgt zum einen ein herzhaft durch den Fleischwolf gedrehter Freud, zum anderen und wichtiger/wuchtiger: tolle Setpieces, die auf ausgestellte künstlerische Avanciertheit sympathisch wenig geben. Lam lässt sich weder von kläglichen CGI, noch von dubiosen Ideen schrecken (dass sich bei jedem Wutanfall des Polizisten - es folgen einige, der "Demon within" wird ordentlich herausgelassen - das Bild von den Rändern her billig rot einfärbt, ist als rechter Schmarrn eigentlich unverzeihlich, funktioniert hier aber blendend): "That Demon Within" ist eine dreckige Geisterbahn Noir, die Hongkong schön von seiner hässlichsten Seite, von den Hinterhöfen, den Kellern, den zwielichtigen Wäldern ringsum, den gelblich trüb beleuchteten Straßen her zeigt.

Und mit der Stadt hat dieser Film durchaus zu tun. Das Scheusal, das mit seinem Unfall ein Uhrwerk eskalierender Gewalt in Gang setzt, hört auf den Namen Hon Kong. Gerne trägt er Dämonenmasken. Und ein Epilog kontextualisiert das biografische Trauma schließlich mit der Geschichte der Stadt noch vor ihrer Übergabe an China. Erst Fruit Chans "Midnight After", ebenfalls im Panorama, und nun dieser wütende Film - in Hongkong rumort es kräftig und die Filme geben, wenn auch verklausuliert, beredet davon Auskunft. Man ist gut beraten, das Hongkong-Kino künftig wieder interessierteren Blickes zu verfolgen.

Thomas Groh

"Mo Jing - That Demon Within". Regie: Dante Lam. Mit: Daniel Wu, Nick Cheung, u.a. Hongkong/China 2014. 112 Min. (Panorama Special, alle Vorführtermine)