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Suchwort: "Sterben"
Stichwort: Sloterdijk, Peter - 7 Artikel
Essay 23.12.2014 […] Zurück zu Teil 4 des Essays.
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1. Nachspiel Oder gewöhnen uns die Nacht und der Schlaf an das Sterben, an das Ertragen des Wissens um das Sterben?
Max Bense, "Über den Raum" (1934)
Am Ende also Passivität. Angewiesensein. Demut. Loslassen. Wenn das mehr als erzwungene Zuständlichkeit sein soll, nämlich Haltung, gar Form oder Stil, braucht es mehr als Schmerzmittel, mindestens […] Ansätze phänomenal und konzeptuell anmuten, gemeinsam ist beiden die Evokation - von der rezeptiven Sensibilität der Hörer aus vernommen - maximalinvasiver Klangfiguren von Tod und Vergänglichkeit, Sterben und Abschiednehmen. Gleichviel ob sie eine lange Tradition abwickeln (Pärt) oder in musikdramaturgisches Neuland (Monk) vorstoßen: beide inszenieren Modelle einer affektiv hochbesetzten Thanatomimetik […] einer "fernöstlichen Kultur der In-Differenz von Aktiv und Passiv" hingegen macht "sich der Sprecher in gewisser Weise ganz abwesend." (op.cit. S. 120-125) Ob Menschen aus diesem Kulturkreis das Sterben "leichter", erträglicher fällt als Angehörigen der indoeuropäischen Sprachfamilie, ist eine Frage, der eine interdisziplinäre, sprachwissenschaftlich geschulte Ethnothanatologie hoffentlich bald nachgehen […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 13.10.2014 […] dem selbstbestimmten Sterben, soviel ist inzwischen deutlich geworden, betrifft nicht nur die kleine Minderheit derjenigen, die bereits die Schwelle zum Nichtsein erreicht haben. Denn man kann die demografische Entwicklung nicht von einer sich verändernden Haltung zum Sterben und zum Tod abkoppeln. Will heißen: es gibt ein menschenwürdiges Alter nur ohne Angst vor dem Sterben. Dazu gehört essenziell […] mag dieses ein paar Tage oder viele Jahre umfassen. Die Möglichkeit, sterben zu können, das Sterben im Potentialis vor sich zu haben, heißt dem Tod den Schrecken des factum brutum zu nehmen, das alle Realität zunichte macht, mit anderen Worten: doch noch Zukunft zu haben. Denn wenn ich mich - wenn es soweit ist, eines Tages - sterben lassen kann, dann kann ich auch weiterleben bis zu jenem Tag, dann […] n Arena gleicht, die Problematik des Suizids.
Bislang wurde die absurde Diskussion darüber, wer überhaupt sterben darf, bevor "seine Zeit" gekommen ist (und er dabei auf fremde Hilfe angewiesen ist) - absurd deshalb, noch einmal sei es gesagt, weil die Medizin kein "natürliches" Sterben mehr zulässt und überdies den Zeitpunkt des physischen Sterbens immer weiter über den des psychischen und sozialen […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 01.10.2014 […] zufällig tödlichen Begleiterscheinungen ihres Lebenswandels gar nicht hätten sterben müssen. "Aber du stirbst nicht, weil du krank bist, du stirbst, weil du lebst": Wer diesem Satz Montaignes zustimmt, kann nicht umhin, die nächste Systemfrage zu stellen: Wollen wir uns wirklich damit abfinden, dass Altwerden und Sterben zusehends zur Domäne von Disease-Managern und Versicherungsjuristen, von Fürs […] ele aus der Praxis des Notfallmediziners beklemmendes Plädoyer für die Humanisierung des Sterbevollzugs trägt den Titel Wie wollen wir sterben? Michael de Ridder spielt damit auf den berüchtigten Klassiker der Perimortalliteratur der neunziger Jahre Wie wir sterben von Sherwin B. Nuland an, der als erster das ganze Ausmaß des trostlosen Krepierens in Krankenhäusern öffentlich machte.[22] De Ridder […] Paradoxie der Frage, wie wir sterben wollen, wo wir es doch müssen und von wollen demnach keine Rede sein kann, löst sich auf, wenn man sie als Negativfolie jener anderen Grundfrage liest, deren Antwort erst Rückschlüsse auf den modus moriendi erlauben würde: Wie wollen wir denn eigentlich leben? Diffus ahnt jeder, dass die Art wie wir leben eines Tages bestimmen wird, wie wir sterben und ob wir das, was wir […] Von
Daniele Dell'Agli
Essay 30.05.2013 […] auszuziehen, wo ist von der gewaltigen Gewaltlosigkeit Jesu von Nazareth die Rede, der Feindesliebe und Gewaltverzicht in der Bergpredigt nicht nur rhetorisch gefordert, sondern durch sein freiwilliges Sterben am Kreuz auch eingelöst hat (vgl. Lk 23,34)? Die Religion, in deren Zentrum der Satz "Gott ist Liebe" steht, soll Gewalt und Intoleranz verstärken? Wie konnte es - zugespitzt gefragt - dazu kommen […] der biblische Gott, der als Schöpfer der Welt und Initiator einer dramatischen Bundesgeschichte verstanden wird. Er kann zur Rechenschaft gezogen werden. In der Geschichte Israels, dann im Leben und Sterben des Menschen Jesus von Nazareth hat er seine Anteilnahme am Geschick der Menschen gezeigt, er kann kein vollends apathischer Gott sein, der sich vom Leid der anderen nicht betreffen lassen kann, weil […] fragwürdiger wäre es, den christlichen Märtyrer mit einem Selbstmordattentäter gleichzusetzen, der Andersgläubige im Namen seines Gottes tötet. Jan Assmanns These, dass "Martyrium und Gewalt, das Sterben für Gott und das Töten für Gott"[21] zusammengehören, erscheint mir daher korrekturbedürftig. Sein Verweis auf die Makkabäer, die nicht nur Widerstand gegen die Zwangshellenisierung des Antiochus Epiphanes […] Von
Jan-Heiner Tück