9punkt - Die Debattenrundschau

Vollgerümpelter Dachboden

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
14.02.2014. Matthias Matussek hatte in der Welt sein Coming Out als "wohl Homophober". Johannes Kram antwortet im Nollendorfblog. Stefan Niggemeier findet, dass man das Antworten besser unterlässt. Urheberrechtsexperte Ilja Braun ruft in der SZ dazu auf, die Debatte um ein Grundeinkommen mit jener um ein Urheberrecht im digitalen Zeitalter zu verknüpfen. Die FAZ will nicht, dass BR-Klassik online geht. Und warum man De la Soul erst ab heute im Netz hören kann.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 14.02.2014 finden Sie hier

Gesellschaft

Matthias Matussek hat sich in der Welt als "wohl homophob" geoutet. Johannes Kram antwortet in seinem Nollendorfblog und staunt vor allem über einen Satz Matusseks: "Martin Walser hat das Prinzip der 'Auschwitz Keule' erfunden, und ist dafür geprügelt worden. Matussek hat daraus gelernt. Sein Konzept ist eher das einer Schrotflinte: 'Mittlerweile hat Homophobie dem Antisemitismus als schlimmste ideologische Sünde den Rang streitig gemacht.' Hm. Vielleicht ist dieser Satz ja zur Exegese durch spätere Generationen gedacht. Doch, was könnte er bedeuten? Dass die Homos den Juden Ausschwitz streitig machen wollen? Sollen sich die Homos nicht so anstellen? Oder die Juden? Sollten die sich vielleicht sogar freuen? Will er sagen, dass es da einen Zusammenhang gibt mit der Verfolgung der Juden und den Homosexuellen? Oder eben nicht? Oder will er sagen, dass die Homos jetzt nicht denselben Fehler machen sollten, den die Juden schon gemacht haben?"

Stefan Niggemeier fragt sich unterdessen, ob es nicht besser wäre, einfach die Nase zu rümpfen: "Bei jedem wütenden Kommentar, den ich als Reaktion auf Matussek heute in Blogs oder auf Facebook gelesen habe, schwankte ich zwischen Applaus und dem Bedürfnis, 'Pschschscht!' zu machen: Denn mit jedem empörten Klick auf den Link zahlt sich der Einkauf des irren Lautsprechers durch die Welt ja mehr aus."

Ganz finster sieht Stephan Sahm in der FAZ das belgische Gesetz, das Kindern und Jugendlichen aktive Sterbehilfe verspricht: "Das Mitleid wird zum tödlichen Affekt. Im Angesicht von Krankheit erweckt die Rede von der Unerträglichkeit des Leids den fahlen Anschein fehlgeleiteter Empathie. Denn es ist niemals eindeutig auszumachen, wer etwas nicht länger zu ertragen vermag: die Kranken oder die, die sie umsorgen könnten."

3D-Drucker werden uns alle arbeitslos machen, behauptet Jaron Lanier in der Zeit (unser Resümee). Vorher wird damit aber Kunst gemacht, hat Mashable auf einer 3D Printshow in New York herausgefunden:


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Urheberrecht

Der Übersetzer und Urheberrechtsexperte Ilja Braun ruft in der SZ dazu auf, die Debatte um ein Grundeinkommen und jene um ein Urheberrecht im digitalen Zeitalter zusammen zu denken: "So erbittert die ideologischen Grabenkämpfe um das geistige Eigentum auch geführt wurden - am Ende der Debatte stand keine große Reform des Urheberrechts, sondern lediglich der einträchtige Ruf nach 'neuen Geschäftsmodellen'. Er verdankt sich der Vorstellung, man könnte gesellschaftliche Konflikte auf der Ebene der Warenzirkulation befrieden. Das ist aber nicht der Fall. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Urheberrecht in der digitalen Welt müsste vielmehr das kreative Schaffen selbst in den Mittelpunkt stellen. Sie müsste die Frage nach einer angemessenen Vergütung kreativer Leistungen aufwerfen."

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Links zu urheberrechtlich geschützten Werken kein Verstoß gegen das Urheberrecht darstellen und keiner Zustimmung des Urhebers bedürfen, meldet heise. Das Gericht "rettet ein Stück Internet", atmet Zeit online auf: "Ein Internet, in dem das nicht gilt oder in dem immer erst der Urheber des jeweiligen Inhalts nach der Erlaubnis einer Verlinkung gefragt werden muss, ist schwer vorstellbar."

De la Soul gehört zu den wenigen Gruppen, deren Musik nicht in Katalogen wie Itunes zu finden ist, schreibt Richard Lawler auf engagdet.com, ohne recht zu erklären, warum das so ist. Jedenfalls stellt die Gruppe heute und nur heute zur Feier ihres 25-jährigen Bestehens ihr Gesamtwerk online. Hier ein Vorgeschmack auf Youtube.

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Medien

Sehr erbost ist Michael Hanfeld auf der Medienseite der FAZ über den Plan des Bayerischen Rundfunks, den Sender br-Klassik ins Internet zu verlegen, wo sich ja sonst eigentlich die verbliebene Jugend tummelt: "Der Plan, der dem Rundfunkrat des Senders vorliegt, hat aber noch einen zweiten Haken: Er führt dazu, dass der Bayerische Rundfunk auch auf diesem Feld massiv auf Texte setzt, dass er Zeitungen, Magazinen und privaten Online-Portalen das Wasser abgräbt." Nun ja, von mir aus! Wir verlangen allerdings auch, dass alle Einspielungen rechtefreier Werke dauerhaft im Internet bleiben. Hanfeld findet aber, dass Radiosender überhaupt keine Texte machen dürfen, dies sei eine Aufgabe von Zeitungen.
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Kulturpolitik

Bei einer Rede in Berlin beschuldigte Ronald S. Lauder, Präsident des World Jewish Congress, kürzlich die deutschen Museen, Raubkunst aus dem Zweiten Weltkrieg in ihren Archiven zu verstecken. Am Mittwoch verwahrten sich nun einige Kulturpolitiker und -funktionäre bei einer Pressekonferenz gegen die Vorwürfe. Joachim Güntner fasst die Ergebnisse der Veranstaltung in der NZZ zusammen. Sein Fazit: "Es melden sich letztlich doch sehr wenige NS-Opfer oder deren Erben, um Ansprüche geltend zu machen. Viele Familien sind ausgelöscht oder zerrissen, die Erlebnisgeneration ist tot, und den Enkeln fehlt es, da die kulturelle Überlieferung zerbrach, an Wissen, welche Kunstwerke, Möbel, Uhren oder Münzen einst zum Haushalt gehörten. Anders aber als Ronald S. Launer meint, nutzen die deutschen Museen dies nicht aus. Oder sagen wir: Heute jedenfalls nicht mehr."
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Überwachung

Schon lange wird gerätselt, ob Edward Snowden bei der Beschaffung vertraulicher Dokumente Helfer hatte oder, wie er selbst beteuert, allein gehandelt hat. Der US-Fernsehsender NBC sendete nun einen Bericht, dass Snowden heimlich auf die Log-in-Daten von Kollegen zurückgegriffen habe, berichtet Till Schwarze auf Zeit online: "Der Zugriff auf Log-in-Daten von NSA-Mitarbeitern könnte also ein Teil der Erklärung sein, wie Snowden als Angestellter eines externen Dienstleisters an so viele geheime Dokumente kam. Es würde auch nicht seiner Aussage widersprechen, allein gehandelt zu haben, weil er die fremden Zugangsdaten demnach ohne Kenntnis der betroffenen Mitarbeiter benutzte. Das Memo könnte allerdings auch der Versuch der NSA sein, Snowden 'als Lügner zu diskreditieren', wie netzpolitik.org schreibt."
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Weiteres

Stephan Speicher stöbert für die SZ mit Lust in einem Riesenarchiv, das europäische Bibliotheken zum Ersten Weltkrieg ins Netz gestellt haben. Mangelnde historische Akkuratesse attestiert der Kunsthistoriker Christian Fuhrmeister in der FAZ George Clooneys Raubkunstretterschmonzette "Monuments Men".
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