Im Kino

Kein neuer Adam

Die Filmkolumne. Von Lukas Foerster, Thomas Groh
22.01.2014. Die rationalen Tugenden eines gut gemachten B-Movies sucht man vergebens in Stuart Beatties chaotischem Fantasyfilm "I, Frankenstein". Mikkel Nørgaard liefert mit der Adler-Olsen-Verfilmung "Erbarmen" einen Film ab, der Dienst nach Vorschrift vollzieht und also aussieht wie ein deutscher Sonntagabendkrimi.

Adam nennt sich das Monster, das einst vom Wissenschaftler Victor Frankenstein erschaffen wurde, und das, wie wir jetzt lernen, seinen Jägern entkommen konnte, das jahrhundertelang im Exil, weitab aller Zivilisation, vor sich hin grübelte, und das jetzt, in unserer Gegenwart, wieder auftaucht. Mit dem Namen Adam entscheidet sich der Film "I, Frankenstein", entscheidet sich das Monster selbst für die christliche Variante der Frankenstein-Ausleger. Marry Shellys Roman "Frankenstein; or, The Modern Prometheus" war noch beides auf einmal: ein religiöses cautionary tale, eine weitere Verdammung eines weiteren goldenen Kalbs; und blueprint einer neuen literarischen Gattung, der Science Fiction, die ihre Erfindungen bald gar nicht mehr an göttlichem Maßstab messen musste.

Interessant ist die sonst eher krude Geschichte, die Regisseur Stuart Beattie nach einer Grafic-Novel-Vorlage von Kevin Grevioux (Autor unter anderem der zumindest in ihren Texturen durchaus verwandten "Underworld"-Filme) entwirft, weil sie sich nicht einfach nur für eine religiös verbrämte, Science-Fiction-ferne Frankenstein-Relektüre entscheidet, sondern, zumindest, wenn man das alles ein klein wenig beim Wort nimmt, sogar hinter das monotheistische Christentum zurück will: Frankensteins Monster wird in den Kampf zwischen einem teuflisch inspirierten Dämonenklan und den im himmlichen Auftrag handelnden Gargoyle involviert. Diese Gargoyle heißen deutsch übersetzt eigentlich Wasserspeier und gehören zu den sonderbareren Fantasiegeschöpfen, die in letzter Zeit im Kino zu bewundern waren: Ihr Ursprung ist nicht mythologisch, sondern architektonisch, es handelte sich zunächst lediglich um Auswülstungen am Rand von Hausdächern, die nichts weiter waren als Regenabflüsse, die im Lauf der Zeit immer ornamentaler ausgestaltet wurden und sich schließlich in die Popkultur hinein verselbstständigten.


Eigentlich ist das alles angemessen durchgeknallt, mit Aaron Eckhart ist außerdem ein angemessen harteckiges Bewegungskino-Talent für die Hauptrolle aquiriert worden: die Frankenstein'schen Operationsnarben wirken in seinem ohnehin eher roh zusammengehauen wirkenden Gesicht überhaupt nicht fehl am Platz; ökonomisch durch einen chaotischen Plot navigieren kann er sich sowieso (nebenbei: Eckhart hätte einen perfekten Jack Reacher abgegeben...). Ein talentierter Pulp-Regisseur wie Paul W.S. Anderson hätte aus all dem einen schönen, kleinen Actionfilm basteln können, der den christologischen Unfug mitsamt wasserspeiendem Überhang dank der rationalen Tugenden eines gut gemachten B-Movie in seine Schranken verwiesen hätte.

Dem Film, der "I, Frankenstein" statt dessen geworden ist, fehlt es leider an allen Ecken und Enden an handwerklicher Sorgfalt, an wenigstens vorsichtigen Differenzierungen. Die Welt, in der der Film spielt, besteht hauptsächlich aus einer düster illuminierten Megastadt, deren einziges herausragendes Merkmale die Hauptquartiere der beiden Gegenspieler sind, die ihrerseits jeweils ähnlich sakral und ähnlich überdimensioniert in der ansonsten detailos öden Gegend herum stehen. Die animierten Regenrinnen hausen in und auf einer Art Über-Kirche, können aber auch menschliche Gestalt annehmen, genauso wie die generischer gestalteten Dämone, in deren finsterem Plan Adam Frankenstein, beziehungsweise dessen Bauplan eine zentrale Rolle spielt.

Das ist ein ständiges, vermutlich fast komplett am Computer entworfenes Hin und Her, ohne strukturierende Pausen, meist in Massenszenen, hundert good guys gegen hundert bad guys, alle beständig dabei, sich in irgendetwas anderes zu verwandeln, sich gegenseitig den Garaus zu machen (wobei die Sterbeszenen stets gleich aussehen, wie in alten Computerspielen, die für so etwas nur eine Grafik zur Verfügung hatten), irgendwelchen Mac Guffins hinterher jagen. Eckhart wird zwischendurch eine willige Blondine auf den Leib geschrieben, die aus ganz besonders kryptischen Gründen den Namen Terra trägt. Dass sich, wie schon der Titel andeutet, ausgerechnet aus diesem Müllhaufen aus Digitalschrott, mythologischem Wurstsalat und verkorkster Pulp-Dramaturgie am Ende ein neues, mit göttlichem Segen ausgezeichnetes und also nicht mehr bloß elektrotechnisch beseeltes Frankenstein-Subjekt, ein neuer Adam gar, erheben soll, daran glaubt der Film doch selbst nicht.

Lukas Foerster


I, Frankenstein - USA 2014 - Regie: Stuart Beattie - Darsteller: Aaron Eckhart, Yvonne Strahovski, Miranda Otto, Bill Nighy, Jai Courtney - Laufzeit: 93 Minuten.

---


Die Zutaten sind bekannt und wohlsortiert: Da ist ein Cop, Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas), der aus einem früheren, gescheiterten Einsatz (den man gleich zu Beginn sieht und, der ärgerlich, einen Punch entwickelt, an dem es der Film im folgenden meist missen lässt) traumatisiert ist, Kollegen verloren hat, widerborstig bis manisch ist. Ein Kerl, dem man es abnimmt, dass er seinem Körper in erster Linie Kaffee und Zigaretten zuführt. Da ist die Zwangsversetzung auf ein offensichtliches Abstellgleis, in eine Kellerabteilung, die alte Fälle durchsehen und, ja eigentlich eh klar, damit endgültig zu den Akten legen soll. Da ist der ihm zur Seite gestellte Cop, Assad (Fares Fares), migrantischer Background und trotz Quatschjob hochmotiviert. Eh klar, dass es zu Reibereien zwischen beiden kommt. Und dann ist da der Fall einer entführten Politikerin von Rang, Merete Lynggaard (Sonja Richter), seit fünf Jahren verschwunden, wohl tot. Doch irgendetwas stört Mørck an der Sache. Mørck denkt nicht dran, den Aktenberg abzutragen; stattdessen nimmt er, zum Entsetzen seines Vorgesetzten, die Ermittlungen wieder auf.

Thrillerkost aus Nordeuropa, diesmal nicht aus Schweden, sondern aus Dänemark, viel gedreht wurde allerdings - stupid German Förder-money - in Hamburg, vielleicht deshalb verströmt der Film auch ein sanftes Fernsehfilm-Feeling. In jedem Fall aus der zweiten Reihe, zweitrangig. Die literarische Vorlage stammt von Jussi Adler-Olsen, hier wohl aber, wie Kenner bereits angemerkt haben, stark aufs Wesentlichste eingedampft. Durchaus solide, gerade in seinen Härten - sehr bald macht der Film sehr buchstäblich mächtig viel Druck -, doch insgesamt nicht allzu weit weg vom Sonntagabend-Krimi, wenngleich der dänische Kinofilm die Hardboiled-Textur recht souverän trägt.


Aus den Versatzstücken macht der Film nicht viel, aber was er damit macht, ist schon passabel. Hübsch grimmig, wenn auch an den Haaren herbei konstruiert, das eigentliche Szenario im bäuerlichen Hinterland, wohin Mørck und Assad alsbald auf eigene Faust ermitteln. Im Wesentlichen ein Film, der wie eine Punktevergabe in verschiedenen Disziplinen funktioniert: Keine Höchstleistungen, keine Ausreißer, Darsteller gut anzusehen, Production Design auch gar nicht mal schlecht. Man kann sich "Erbarmen" also, ohne allzu große Erwartungen vorab, ohne weiteres gut anschauen. Man könnte es aber auch ohne weiteres sein lassen.

Thomas Groh


Erbarmen - Dänemark 2013 - Originaltitel: Kvinden i buret - Regie: Mikkel Nørgaard, Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Claus Maack Bahnsen, Marie Hammer Boda, Nynne Bojsen - Laufzeit: 97 Minuten.
Stichwörter