Im Kino

Ausweichmanöver

Die Filmkolumne. Von Ekkehard Knörer
14.08.2007. Ohne Pathos, aber auch etwas mut- und ratlos erzählt der junge deutsche Regisseur Robert Thalheim in "Am Ende kommen Touristen" die Geschichte eines Zivis in Auschwitz. In der Comic-Verfilmung "Fantastic Four 2" ist eine Menge Talentlosigkeit auf engstem Raum versammelt - nur die Computeranimationen sind halbwegs gelungen.
Am Anfang kommt Sven (Alexander Fehling) nach Auschwitz, aber nicht als Tourist. Er hatte sich für einen Zivildienst-Job in Amsterdam beworben, daraus wird nichts, unversehens und ohne eigenes Zutun landet er dann in der kleinen polnischen Stadt, die den Namen Oswiecim trägt. Ein junger Deutscher an dem Ort, an dem Deutsche das größte Menschheitsverbrechen begangen haben: eher ratlos. Kaum ist er da, gibt es einen Alltag für ihn. Er arbeitet im Jugendbegegnungszentrum, das nicht weit entfernt ist vom KZ-Areal, er soll sich um einen alten Mann kümmern, einen ehemaligen Gefangenen (Ryszard Ronczewski), der fürs Auschwitz-Museum Koffer von Opfern restauriert, allein lebt, mürrisch ist und alles andere als einfach im Umgang.

Kein großes Aufhebens darum zu machen, dass da einer in Auschwitz landet, als Deutscher, dass er einen Alltag als Zivi hat, dass er gleich neben dem KZ-Areal lebt, dass er es mit einem ehemaligen KZ-Insassen zu tun bekommt, der ihm gehörig auf die Nerven geht, dass er sich dann auch noch in eine junge Polin verliebt, die mit Führungen durch das Gelände Geld verdient, - um all das also, was im Grunde das Begreifen und Einordnen, wenn nicht überhaupt die Erfahrbarkeit doch ein wenig übersteigt, kein großes Aufhebens zu machen, darum ist der junge Filmemacher Robert Thalheim in "Am Ende kommen Touristen" bemüht.

Man kann das erst mal gut finden. Der Film kommt ganz ohne Pathos aus, er sucht und findet kleine Geschichten, in deren Hintergrund die großen Themen sichtbar, oder wenigstens ahnbar, werden. Bedenkt man, was alles hätte schief gehen können im Umgang mit der Geschichte, vor allem: mit dem schweren Zeichen Auschwitz, hält man sich vor Augen, was für ein Betroffenheitsblödsinn dabei hätte heraus kommen können, dann ist das, was Robert Thalheim in seinem ersten "richtigen" Film hier gelingt, gar nicht so wenig.

Vor zwei Jahren war Thalheim mit seinem noch während des Studiums an der Potsdamer Filmhochschule HFF entstandenen kleinen Film "Netto" groß rausgekommen. Erst war der Film, eine sehr genau in der Berliner, nein: noch genauer der Prenzlauer-Berg-Gegenwart verortete Vater-Sohn- und Sohn-und-unglückliche-Liebes-Geschichte auf der Berlinale zu sehen, dann kam er sogar in die Kinos. Thalheim, das war da schon zu sehen, hat ein Talent fürs Prosaische, für kleine Gesten und vorsichtige Annäherungen. Er kann das Unausgesprochene sichtbar machen und auch die Überwindungen, die es kostet, das auszusprechen, was man dann irgendwann doch nicht mehr unausgesprochen lassen kann.

Für sich genommen recht hübsch - wenn auch alles andere als unkonventionell - ist die Liebesgeschichte zwischen Sven und der Polin Ania (Barbara Wysocka), die sich mit einem Taugenichts von Bruder herumschlägt und vor allem den einen Wunsch hat: irgendwie aus dem kleinen langweiligen Oswiecim rauszukommen, aus ihrem Leben etwas zu machen. An Ania wird am deutlichsten, was das eigentlich Verrückte an der ganzen Situation ist: das Leben, das hier stattfindet, ist immer auch stinknormal. Über dieser gewiss zutreffenden Diagnose rutscht freilich auch Thalheims ganze Geschichte in Richtung dieser Stinknormalität - und die indirekte Thematisierung ist zuletzt vom doch etwas mutlosen Ausweichmanöver nicht mehr recht zu unterscheiden.

Mitten im Privaten und Alltäglichen das Politische und Historische und im Kontrast von beidem eine grundsätzliche Unbegreifbarkeit sichtbar zu machen, ist das eine. "Am Ende kommen Touristen" entgeht zuletzt aber der Gefahr nicht, Geschichten zu erzählen, die im Grunde nur noch privat sind: die Geschichte einer dann doch möglichen Annäherung zwischen dem Zivi und dem alten Mann, die Geschichte einer Liebe, die keine Zukunft haben kann. Es ist, als habe sich die Ratlosigkeit des Helden auf den Film übertragen - was diesen nicht ärgerlich macht, aber zuletzt doch eher belanglos.

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Jetzt aber zu einer ernsteren Angelegenheit. Der Erde droht die totale Vernichtung. Unregelmäßigkeiten im globalen Energiehaushalt erzeugen heftige Unruhe beim Militär und auch dem Elastoiden Reed Richards (Ioan Gruffud), hinter dessen hübschem Fernsehsuperheldendarstellergesicht das Hirn eines Physikgenies gut verborgen liegt. Richards ist als "Mr. Fantastic" Mitglied des Marvel-Superhelden-Dream-Teams "Fantastic Four", das sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass es seinen Superheldentätigkeiten nicht anonym, persönlichkeitsgespalten oder maskiert, sondern im hellen Licht der massenmedialen Weltöffentlichkeit nachgeht. Drum sind Richards und seine Superheldenfreundin Susan Storm beziehungsweise Invisible Woman (Fernsehgesicht: Jessica Alba) ein Glamour-Paar wie Brangelina oder Tom & Katie. Jetzt wollen sie heiraten, leider kommt der drohende Weltuntergang dazwischen.

Als Sendbote der Zerstörung tritt eine weitere Figur aus dem Marvel-Universum auf, der Silver Surfer (Doug Jones, Stimme im Original: Laurence Fishburne), der Reiter der Apokalypse auf seinem silbernen Surf- und Flugbrett. Nun passen der Kumpel-, Geschwister- und Liebesverbund der "Fantastic Four" - ergänzt durch die mehr feuer- und flug- als intelligenzbegabte menschliche Fackel Johnny Storm (Fernsehgesicht: Chris Evans) sowie das dicke "Ding" (Echsenkörper: Michael Chiklis) - und der stets melancholieumflorte Silver Surfer zusammen wie das Dämliche und das Erhabene oder auch das Alberne und das Weinerliche. Also gar nicht - eine reine Kontrastkombination, die schon aus den Comicvorlagen erprobt ist, im Film aber nicht funktioniert.

Aber was heißt schon funktionieren, wenn es um nichts anderes als Familienunterhaltung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner geht. Ein dümmlicher Scherz hier, ein beliebiger Spezialeffekt da, im Hintergrund nähert sich aus den Tiefen des Weltalls ein großer Staubsauger in weltverschluckender Absicht, während im Vordergrund das mal sich schlagende, mal sich vertragende Superheldenpack Abenteuer um Abenteuer besteht. Übers Niveau schlechten Fernsehens bewegt sich das ganze nie hinaus, dafür sorgen nicht nur die durchweg mediokren Darsteller, denen alles leinwandfüllende Charisma abgeht. Dafür sorgt auch Regisseur Tim Story, der nicht mehr als die notdürftige Verschweißung von halbwegs gelungener Computeranimation und mangels handwerklichen Könnens durchweg totgeborenen Bildräumen im Sinn hat.

Und was heißt schon funktionieren, wenn die größte Angst eines Films in der möglichen Überforderung eines Publikums besteht, das man sich offenkundig als durch und durch zehnjährig vorstellt. Nicht weiter verwunderlich vielleicht, dass das ganze von Bernd Eichinger und der Constantin mitproduziert ist - deren schlechte Meinung von der Intelligenz des Publikums ist notorisch; erstaunlicher schon, dass am Drehbuch und den Dialogen, die den Verstand bereits des durchschnittlichen Elfjährigen beleidigen, "Twin Peaks"-Coautor Mark Frost mitgeschrieben haben soll. Immerhin ist "Fantastic Four 2", anders als die sich elend aufblähenden anderen Blockbuster dieses an den Kassen ungemein erfolgreichen US-Kino-Sommers, mit seinen neunzig Minuten vergleichsweise kurz geraten. Oder wie ging der Witz: Da ist das alles schon derart dürftig und schlecht - und dann auch noch eine so kleine Portion.

Am Ende kommen Touristen. Regie: Robert Thalheim. Mit Alexander Fehling, Ryszard Ronczewski, Barbara Wysocka und anderen. Deutschland 2007, 85 Minuten

The Fantastic Four 2. Regie: Tim Story. Mit Ioan Gruffudd, Jessica Alba, Chris Evans, Julian McMahon, Michael Chiklis und anderen. USA 2007. 92 Minuten