Vorgeblättert

Leseprobe zu Graciliano Ramos: Kindheit. Teil 1

26.08.2013.
Sommer

An jenen weit zurückliegenden Sommer, der mein Leben veränderte, erinnere ich mich nur schemenhaft. Und ich kann nicht einmal sagen, ob ich mich tatsächlich erinnere. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, mich in eine Stimmung hineinzuversetzen, in der ich mir Begebenheiten vorstelle, die für mich Wirklichkeit werden. Die Bäume werden ihr Grün zweifellos verloren haben und mit ihm ihre Blätter, das Wehr wird ausgetrocknet gewesen sein, und gewiss standen die Gatter der Pferche offen, hatten ihren Zweck verloren. So kommt es immer. Allerdings weiß ich nicht, ob ich die welken, schwarzen Pflanzen damals auch wahrgenommen habe oder erst in späteren Dürrezeiten, jedenfalls habe ich noch immer das volle Stauwehr vor Augen, bedeckt mit weißen Vögeln und Blumen. Was die Pferche angeht, ist da eine seltsame Gedächtnislücke. Sie dürften sich in unmittelbarer Nähe befunden haben, doch das ist nur eine Vermutung. Vielleicht habe ich in der Folge ja nicht einmal das wenige erinnern können, das unerlässlich ist, um den nahezu daniederliegenden Landwirtschaftsbetrieb zu beschreiben. Bestimmte Dinge existieren, weil wir sie von etwas ableiten oder mit etwas verbinden, sie kommen immer wieder, drängen sich auf, und haben sie sich uns einmal eingeprägt, nehmen sie Gestalt an, setzen sich in uns fest. Man wird schwerlich einen nordöstlichen Sommer darstellen können, in dem die Äste nicht schwarz und die Brunnen nicht versiegt sind. Wir fügen spielerisch Elemente zusammen, die wir für unentbehrlich halten, und unterschlagen wir das eine oder andere, erscheint das Bild unvollständig.
     Mein Sommer ist lückenhaft. Ich weiß nur noch, dass er in den Menschen auffällige Veränderungen hervorrief. Sonst eher träge, reagierten sie mit einem Mal so gereizt wie fliegende Ameisen, und ebenso kopflos. Es war vorbei mit den ausgedehnten Gesprächen unter dem Vordach, den Besuchen, dem schallenden Gelächter, den langen Geschäftspalavern; stattdessen finstere Gesichter, gedämpfte Geräusche. Sengende Hitze und Staubwolken. Und in der Hitze und dem Staub Männer, die kamen und gingen, rastlos, schweißgebadet, und unter monotonem Singsang Rinder vor sich hertrieben.
     Ich hörte zum ersten Mal vom Teufel. Vielleicht hatte ich schon früher von ihm gehört, aber erst jetzt prägte sich mir der Name dieses Geistes ein; ich hatte zwar keine genaue Vorstellung von ihm, wusste aber, dass er im Wind war, der durch den Hof fegte und Äste und Zweige aufwirbelte.
     Eines Tages fehlte Wasser im Haus. Ich hatte Durst, und man mahnte mich zur Geduld. Die Fuhre mit den Fässern würde bald kommen. Aber es dauerte und dauerte, die Quelle lag weit entfernt, und ich litt lange Stunden Höllenqualen, strich immer wieder um den Krug, mit brennender Zunge. Diese seltsam schmerzliche Erfahrung verstörte mich zutiefst. Für gewöhnlich litt ich unter für mich nicht nachvollziehbaren Handlungen, zornigen Worten. Mein Leben war eine einzige große Verwirrung, erschüttert von unangenehmen Überraschungen. Genauer gesagt: Ich trieb dahin, klein, unbedeutend. Plötzlich ein Aufschrecken, dem weitere folgten, ein schmerzliches Zusammenzucken. Jetzt aber konnte ich unmöglich jammern. Diesmal drohten sie mir nicht, im Gegenteil, sie trösteten mich, und ihre Weigerung klang fast zärtlich. In Wirklichkeit verweigerten sie mir nicht einmal etwas. Gleich sollte es viele Becher Wasser für mich geben. Ich weinte, ließ mich einlullen von ihren Tröstungen, die Minuten tröpfelten langsam dahin. Mein Mund war wie ausgetrocknet, meine Lippen aufgesprungen, glasig mein Blick, es verbrannte mich innerlich. Einschlafen, dahinschlummern ich legte mich auf eine glühende Matratze. Die Lider, trocken wie Leder, fielen mir zu; das Wasser, zur Wahnvorstellung geworden, floss in den Worten, die mich beschwichtigten, benetzte meine Haut und war mit einem Mal verdunstet. Die Gegenstände ringsum verformten sich, flirrten. Starre überkam mich, Vergessen. Ich weiß nicht, wie lange diese Qual währte.
     Und dann immer wieder dieses Erstaunen. Diese sich häufenden Überraschungen. Waren das nicht Feigenkakteen, die Amaro und José Baía mit ihren Buschmessern bewaffnet in Körbe füllten? Meine Sinne sagten mir, dass dem so war, aber es passte nicht zu dem, was die beiden sonst taten. Ich wollte die Sache klären und stellte eine närrische Frage. Ich fragte nicht, warum sie die Körbe füllten, sondern, ob sie die Körbe denn auch wirklich füllten. Hätte man mir meine Beobachtung bestätigt, hätte ich keine Ruhe gegeben, hätte die Männer weiter gefragt und erfahren, dass man die Tiere damit fütterte. Aber sie nahmen mich nicht sonderlich wichtig. Amaro schnaufte, brummte und runzelte sein bärtiges Gesicht. José Baía zog mich auf. Warum? Warum konnten sie mir nicht einfach sagen, dass sie Feigenkakteen in die Körbe schnitten? Ich brauchte eine Gewährsperson, Bestätigung. Ich misstraute allem Unmittelbaren, allem, was ich sehen, hören oder berühren konnte, aber was man mir erzählte, glaubte ich ohne weiteres.
     Und so auch die Geschichte vom Pferd des Bösen dem Tier, das der Teufel reitet, wenn er sein Unwesen treibt auf der Erde. Es ist nicht nur ein Pferd, sondern auch ein schwarzes, laut brummendes Insekt mit großen Flügeln. Das, auf dem der Teufel reiste, musste genauso aussehen, es war schwarz und laut, nur viel größer. Ich glaubte brav an das Tier, allein sein Name ließ einiges vermuten, das sagte mir auch die Stimme der Erfahrung, und nicht zuletzt wehte und pfiff in den Wirbelwinden, die das nackte Buschland peitschten, wahrscheinlich ein wütendes Wesen, das Stämme bog und Zweige brach. Dieses Traumgeschöpf des Chaos, ein geflügeltes Pferd, konnte mich nicht in Schrecken versetzen.
     Hingegen erschrak ich, und das zutiefst, als ich meinen Vater niedergeschlagen und lethargisch im Wohnraum antraf. Ich hatte mich an sein ernstes Wesen gewöhnt, seine Schweigsamkeit, in der er Kräfte sammelte, um unvermittelt und auf beängstigende Weise lauthals loszupoltern. Normales Geschrei ging unter, seines aber bewirkte sonderbare Reaktionen: Wer betroffen war, zog demütig den Kopf ein oder kam eilends seinen Befehlen nach. Ich war noch zu klein, um zu begreifen, dass die Fazenda ihm gehörte. Wohl aber bemerkte ich Unterschiede zwischen denen, die sich in die Hängematten setzten, und denen, die sich unter das Vordach hockten. Das Lederwams meines Vaters war bestickt, das von Amaro löchrig und voller Flicken. Unsere plumpe Kleidung erschien mir geradezu luxuriös verglichen mit Sinhá Leopoldinas Kattun und José Baías kurzem Hemd aus ungebleichter Baumwolle. Die Caboclos rackerten sich ab, schwitzten und zogen Stacheldraht. Mein Vater überwachte sie, befahl ihnen bald dies, bald jenes, war nie zufrieden, hatte an allem etwas auszusetzen, fluchte und verwickelte sich in Widersprüche. Sein fortgesetztes Insistieren aber war alles in allem zielgerichtet und erfolgreich gewesen, hatte Rücken gebeugt, Muskeln gespannt und in den Schieferton jenes Wehr gegraben, das sich mit Enten, Tauchvögeln und Seerosen überziehen sollte. Mein Vater war ungeheuer mächtig, die Macht in Person. Und mir wollte nicht einleuchten, dass ihm diese Macht je abhanden kommen, ihn plötzlich im Stich lassen und zu einem schwachen, gewöhnlichen Menschen machen könnte, in einem zerrissenem Lederwams über einem kurzen Hemd.
     Und jetzt saß der Landmann neben den Feuerwaffen und Ackergeräten, bleich, niedergeschlagen, die Hände im Schoß, und bekannte seiner Gefährtin leise klagend, dass die Quellen versiegten und das Vieh an den Zecken und der Maul- und Klauenseuche verendete. Zecken, Maul- und Klauenseuche, was war das? Offenbar Kräfte, stärker als die meines Vaters. Ich verstand das klagende Geflüster nicht, ahnte aber, dass Veränderungen bevorstanden. Worte wie Marktflecken, Laden und Geld drangen an mein Ohr. Die Niedergeschlagenheit und Traurigkeit erschreckten mich. Sie erklärten den Ernst, die ständige Unzufriedenheit, die Falten, die Ausbrüche, die Flüche und Beschimpfungen. Aber dies begriff ich erst Jahre später. Draußen war mein Vater unerschütterlich, harsch mit den Landarbeitern und stolz zu Pferd bei den Reiterwettkämpfen. Ich sah ihn hochmütig und ergeben, unbedacht und besorgt, ein herrischer Mensch, der bisweilen in sich zusammensank, ohnmächtig und weinerlich. Die Ohnmacht und die Tränen ließen uns kalt. Heute verstehe ich sein aufbrausendes Wesen, das ihn blind machte. Wäre er unten gewesen und frei von Ehrgeiz oder oben und im Glück, hätten der Negerjunge José und ich in Frieden gelebt. Aber in der Mitte, in beständiger Angst vor dem Abstieg und nur mühsam vorwärtskommend, unter dem Damoklesschwert des Sommers und durch Viehseuchen am Rande des Abgrunds, unentschlossen, sich dem Chef der Regierungspartei beugend, der Justiz und der Steuerbehörde, brauchte er ein Ventil, musste den aufgestauten Zorn loswerden. Er setzte seinen Schuldnern zu, aus Furcht, Geld zu verlieren. Er achtete seine Gläubiger, bezahlte pünktlich, und seine Sparsamkeit grenzte an Geiz. Einzig mit Beschimpfungen und Schlägen geizte er nicht. Wir wurden beschimpft und geschlagen.

                                              *

Der Gürtel

Meine ersten Begegnungen mit der Justiz waren schmerzhaft und prägten sich mir tief ein. Ich dürfte vier oder fünf Jahre alt gewesen sein und sah mich in der Rolle des Angeklagten. Gewiss hatte man mir diesen Part schon öfter zugeteilt, doch hatte mir niemand zu verstehen gegeben, dass man ein Urteil an mir vollstreckte. Ich wurde geschlagen, weil man mich schlagen konnte, es war ganz natürlich.
     Die Prügel, die ich vor der Episode mit dem Gürtel bezogen hatte, war rein körperlicher Art gewesen, und hörte der Schmerz auf, vergaß ich sie. Einmal züchtigte mich meine Mutter mit einem Strick, der einen Knoten hatte und blutige Striemen auf meinem Rücken hinterließ. Ich konnte mich kaum noch rühren, und als ich mühsam den Kopf drehte, sah ich die großen roten Streifen auf meinen Rippen. Man legte mich ins Bett, machte mir Salzwasserumschläge - und es kam zu einem heftigen Wortwechsel in der Familie. Meine Großmutter, zu Besuch bei uns, verurteilte das Vorgehen ihrer Tochter, die darüber gekränkt war. In ihrem Jähzorn hatte sie mich unbedacht und ungewollt verletzt. Ich trug es meiner Mutter nicht weiter nach: Schuld hatte der Knoten. Wäre er nicht gewesen, hätte die Züchtigung weniger Schaden angerichtet. Und ich hätte sie vergessen. Aber kurz darauf geschah die Sache mit dem Gürtel und rief sie mir wieder ins Gedächtnis.
     Mein Vater schlief in unserem riesigen Wohnraum in der Hängematte. Ich sehe alles wie im Nebel. Ungewöhnlich weit auseinanderliegende Wände, eine ins Unendliche gespannte Hängematte, die Halterungen irgendwo in der Ferne, mein Vater wacht auf, erhebt sich schlecht gelaunt, schlägt mit seinen Schlappen auf den Boden, das Gesicht rot vor Zorn. Natürlich erinnere ich mich nicht mehr an die Zornesröte, die Falten, die harsche Stimme, und wie lange es dauerte, bis er einen Befehl geknurrt hatte. Ich weiß nur noch, dass er äußerst aufgebracht war, und wie immer in solchen Fällen rutschte mir das Herz in die Hose. Wenn er sich nur an meine Mutter halten würde oder an José Baía, Erwachsene, die keine Prügel bezogen. Eine schwache Hoffnung, an die ich mich ängstlich zu klammern versuchte. Die Kraft meines Vaters würde auf Widerstand stoßen und in Worten verpuffen.
     Unsicher, nicht wissend, was er vorhatte, unfähig auch nur ein Wort zu äußern oder mich zu verteidigen, verkroch ich mich in eine Ecke hinter den grünen Kisten. Hätte mich die Angst nicht festgehalten, ich hätte versucht zu entwischen. Durch die Eingangstür erreichte ich das Wehr, und durch die im Flur gelangte ich zum Ginsterbusch. Ich dürfte ähnliches gedacht haben. Aber ich kauerte nur reglos hinter den Kisten und wünschte mir sehnlich meine Mutter herbei, Sinhá Leopoldina, Amaro oder José Baía, um mich aus dieser Gefahr zu befreien.
     Doch niemand kam, stattdessen entdeckte mich mein Vater, wie ich zusammengekauert mit angehaltenem Atem dicht an der Wand hockte, riss mich gewaltsam von dort weg und verlangte nach seinem Gürtel. Wo war er? Ich wusste es nicht, fand aber nicht die richtigen Worte, verhaspelte mich, stotterte, war wie vernagelt, verstand den Grund für seinen Ärger nicht. Sein gewalttätiges, aufbrausendes Wesen lähmte mich; die rauen Laute verhallten, ohne dass ich ihren Sinn verstand.
     Ich kann die Szene nicht mehr im Einzelnen wiedergeben. Wenn ich überlege, wie es war und was dem folgte, höre ich das Gebrüll meines Vaters, er ist außer sich vor Zorn, und ich bin ein Häufchen Elend. Wahrscheinlich wurde ich durchgeschüttelt. War starr vor Schreck, sah ihn aus großen Augen an.
     Wo war der Gürtel? Ich war außerstande zu antworten. Selbst wenn ich dieses abscheuliche Ding versteckt hätte, ich hätte kein Wort herausgebracht, vor lauter Angst. Begebenheiten dieser Art überschatteten meine Kindheit wie eine grausame Folter und prägten mich nachhaltig.
     Der Mann fragte mich nicht etwa, ob ich den elendigen Lederriemen weggelegt hätte. Er befahl nur: Her damit, auf der Stelle! Seine Schreie hallten in meinem Kopf wider. Ich hatte noch nie jemanden so schreien hören.
     Wo war der Gürtel? Noch heute kann ich es kaum ertragen, wenn jemand laut spricht. Mein Herz beginnt so heftig zu pochen, als bliebe es gleich stehen, die Stimme versagt mir, mein Blick trübt sich, ein rasender Zorn wühlt mein Innerstes auf. Das furchtbare Gefühl, dass man mir das Trommelfell mit Eisenspitzen durchstößt.
     Wo war der Gürtel? Die pausenlos wiederholte Frage ist mir im Gedächtnis haften geblieben, wie eingehämmert.
     Der wahnsinnige Zorn sollte sich noch steigern, mir schwer zusetzen. Ich war ihm schutzlos ausgeliefert, zog den Nacken ein, bewegte die klammen Finger, schwieg, mit zitternden Lippen. Wenn jetzt der Negerjunge José hereinkäme oder ein Hund, bekämen vielleicht sie die Schläge. Der Negerjunge und der Hund waren unschuldig, aber darum ging es nicht. Wenn mein Vater einen von ihnen verantwortlich machte, ließ er vielleicht von mir ab, und ich könnte entwischen, mich am Wehr verstecken oder im Küchengarten.
     Meine Mutter, José Baía, Amaro, Sinhá Leopoldina, der Negerjunge und die Hofhunde hatten mich allesamt im Stich gelassen. Ich hatte einen Knoten im Hals, das Haus begann zu kreisen, mein Körper fiel, langsam, schwebte, in meinen Ohren summten die Bienen sämtlicher Bienenkörbe - und mitten in diesem Gesumme die furchtbare Frage. Übelkeit, Müdigkeit. Wo war der Gürtel? Schlafen, schlafen, hinter den Kisten, frei von aller Qual.
     Ich sah alles wie durch einen Schleier, nahm die Bewegungen meines Vaters nur undeutlich wahr. Bemerkte nicht, wie er nach der Peitsche an der Wand griff. Seine haarige Hand packte mich, schleifte mich in die Mitte des Raums, der Lederriemen sauste auf meinen Rücken nieder. Ein Aufheulen, Geschrei, das nichts half, Röcheln. Ich hätte damals bereits wissen müssen, dass Bitten und Schmeicheleien meinen Folterer nur noch mehr aufbrachten. Niemand kam mir zur Hilfe. José Baía, mein Freund, war machtlos, ein armer Teufel.
     Ich befand mich in einer menschlichen Einöde. Das Haus dunkel, traurig; seine Bewohner traurig. Mit Schrecken denke ich an diesen ungastlichen Ort, er ruft Friedhöfe in mir wach, Ruinen, in denen es spukt. Türen und Fenster geschlossen, an der dunklen Decke Spinnweben. In den finsteren Räumen krabbelte meine kleine Schwester umher, begann die schmerzliche Lehrzeit.
     Ein aufgebrachter Mann, der mich am Arm festhielt und auspeitschte. Vielleicht waren die Hiebe nicht einmal so kräftig. Verglichen mit denen, die ich später zu spüren bekam, als man mir das Abc beibrachte, waren sie geradezu harmlos. Mein Weinen, mein Aufbäumen, meine Versuche, wie ein Kreisel durch den Raum zu wirbeln, waren weniger Ausdruck von Schmerz als der Ausbruch unterdrückter Angst. Ich war wie versteinert gewesen, hatte kaum geatmet. Jetzt leerte ich meine Lungen, zappelte verzweifelt.
     Die Folter dauerte lange, aber wie lange sie auch gedauert haben mag, an die seelische Qual, die ihr vorausging, reichte sie nicht heran. Der kalte Blick, unter dem ich erstarrte, die Drohgebärden, die harsche Stimme, die zwischen den Zähnen
hervorgepresste Frage, die ich nicht begriff.
     Wieder frei, verkroch ich mich bei den Kisten, rieb mir die Striemen, schluchzte erstickt, wimmerte mich in den Schlaf. Bevor ich erschöpft die Augen schloss, sah ich noch, wie mein Vater zur Hängematte ging, die Bordüren auseinanderschlug, sich setzte und gleich wieder aufstand, in der Hand einen Lederriemen: der verfluchte Gürtel, er hatte beim Hinlegen die Schnalle gelöst. Er brummte und begann unruhig auf und ab zu gehen. Es kam mir vor, als wolle er etwas zu mir sagen, er senkte den Kopf, sein mürrisches Gesicht wurde milde, sein Blick verlor an Härte, suchte nach mir in meinem Versteck, wo ich vernichtet niedergesunken war.
     Seine imposante Gestalt kam mir mit einem Mal kleiner vor und ich fühlte mich nicht mehr ganz so elend. Wäre mein Vater jetzt zu mir gekommen, ich hätte nicht gezittert wie sonst, wenn er vor mir stand. Aber er kam nicht, hielt sich fern, ging weiter auf und ab, war unruhig. Dann verließ er den Raum.
     Allein, sah ich ihn erneut grausam und stark, schnaufend, schäumend. Und ich blieb, wo ich war, winzig, belanglos, so belanglos und winzig wie die Spinnen, die an ihrem schwarzen Netz webten.
     Dies war meine erste Begegnung mit der Justiz.

zu Teil 2