Ein ungutes Schweigen umgibt den Fall der beiden deutschen Journalisten, die vom iranischen Regime mit Spionagevorwürfen ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie über die drohende Steinigung Sakineh Ashtianis berichten wollten. Am Montag wurden die beiden wie Kriegsbeute im iranischen Fernsehen vorgeführt. Getrennt voneinander antworteten sie auf Fragen. Was sie sagten, war nicht zu verstehen, der Ton ihrer Stimmen wurde vom Kommentar in Farsi überdeckt.

Die Tagesschau brachte eine dürre Meldung: "Im Iran spitzt sich der Fall der beiden Deutschen zu. Die iranische Justiz beschuldigte heute beide Männer offiziell der Spionage - Sie hätten illegal als Reporter im Iran gearbeitet. Sie wollten in Täbris Angehörige einer Frau befragen, die wegen angeblichen Ehebruchs zum Tode verurteilt worden ist. Das iranische Fernsehen zeigte Interviews mit beiden Männern. Das Auswärtige Amt bemüht sich um eine diplomatische Lösung."

Die Namen der beiden Journalisten darf die Öffentlichkeit nicht erfahren. Man erhielt nur stückchenweise Informationen über die beiden. Erst war nur von zwei Deutschen die Rede, die vielleicht Reporter waren. Dann erfuhr man, dass die mutmaßlichen Reporter vielleicht für die Bild-Zeitung unterwegs waren. Der Springer Verlag mochte zunächst nichts bestätigen. "Von einer Verhaftung von Mitarbeitern unseres Verlages ist uns nicht bekannt", zitierte die SZ den Pressesprecher Tobias Fröhlich nach der Festnahme der beiden. Im Auswärtigen Amt sagt ein Sprecher zur Absicherung der eigenen Position: "Auch der in der Presse genannte Arbeitgeber nennt die Namen nicht".

Erst nachdem die Journalisten im iranischen Fernsehen präsentiert worden waren, bestätigte die Bild, dass es sich um Journalisten ihres Blattes handelt. Sie wollten den Sohn der von Steinigung bedrohten Sakineh Ashtiani interviewen. Der Sohn und ein Anwalt sind bei der Gelegenheit ebenfalls verhaftet worden. Befeuert durch die nebulöse Informationspolitik kursierten bald die wildesten Gerüchte: Gehörten die beiden zum BND? Sind sie nicht selber schuld, wenn sie die iranischen Pressegesetze verletzen? fragten Leser bei Spiegel online.

Warum soll die Öffentlichkeit die Namen eigentlich nicht wissen? Im Auswärtigen Amt bestreitet man, dass es eine Empfehlung der Diplomaten gebe, die Namen nicht zu nennen. Das Amt selber unterlasse die Nennung aus rein datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen, sagt ein Sprecher gegenüber dem Perlentaucher. Journalisten aber seien frei, die Namen zu nennen, es sei nur nicht üblich, das zu tun.

Aber kein Journalist, kein Medium, hat die Namen bisher ausgesprochen.

Ich erinnere mich an ähnliche Situationen in Frankreich. Wenn dort ein Regime Journalisten kidnappte, so wurden ihre Namen in der Regel fast in jeder Ausgabe der Abendnachrichten genannt - meist am Schluss der Sendungen: "Und übrigens, die Journalisten XY befinden sich nach wie vor in Haft." So wird Druck auf die Regimes ausgeübt. Und Druck auf das eigene Außenministerium. Dieser Druck wird sehr stark von den Journalistenkollegen erzeugt, aus Solidarität mit den Kollegen, und sicher auch in der Hoffnung, dass sie irgendwie davon hören: zu Hause sind sie nicht vergessen.

Man kennt die genauen Umstände des Falls nicht. Vielleicht ist es richtig, wenn das Außenministerium den Ball so flach wie möglich hält. Aber man vermeint den Preis der zum Abwiegeln möglicherweise gezwungenen Diplomatie schon jetzt zu verspüren. Die Präsentation der Journalisten als Beute ist an sich schon erniedrigend: für die Journalisten und für das Land, aus dem sie kommen. Laut dem Kommentar in Farsi beschuldigten sie eine Menschenrechtlerin, Mina Ahadi, die sie in diese Lage gebracht hätte. Journalistenverbände und die "Reporter ohne Grenzen" protestierten gegen die menschenrechtswidrige Behandlung der Journalisten. Das Auswärtige Amt nicht. Und bei den deutschen Medien ist eigentlich auch keine rechte Empörung zu verspüren. Liegt es daran, dass es Journalisten der Bild-Zeitung sind? Dass sie im Iran unerfahren sind, wie der Spiegel in einem englischsprachigen Artikel berichtet? (Nachtrag vom 21. November: Der Artikel steht auch auf deutsch im Netz, hier, er ist aus Spiegel Nr. 42 vom 18. Oktober). Dass man Rücksicht nimmt auf die vorsichtige Diplomatie der deutschen Regierung? Es ist natürlich schwer, mit offiziellen Unpersonen, deren Namen man - angeblich aus freien Stücken - nicht nennt, Solidarität zu erzeugen.

Das Auswärtige Amt meldete nach dem Video am 16. November nur: "Ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft Teheran hatte heute Gelegenheit zu einem zweiten konsularischen Besuch der beiden in Täbris (Iran) inhaftierten deutschen Staatsangehörigen. Die Bundesregierung arbeitet weiter intensiv an einer möglichst raschen Lösung des Falls." Einen Monat lang war also kein Kontakt möglich, dann, unmittelbar nach dem Video wird mitgeteilt, dass man die beiden sehen durfte und an einer raschen Lösung arbeitet.

Da wird einem mulmig zumute: Gehört das Video zum Preis für eine Freilassung? Inklusive der Anschwärzung Mina Ahadis? "Ich hatte keine Information über diesen Fall", sagt einer der Journalisten laut der Übersetzung in Bernard-Herni Levys Blog La règle du jeu in dem Video, "aber Frau Ahadi ja. Und da sie wusste, dass meine Festnahme großes Medieninteresse auslösen würde, hat sie mich in den Iran geschickt." Auch Sakineh Ashtianis Sohn Sajjad haben die Journalisten des iranischen Fernsehens gezwungen, Mina Ahadi zu beschuldigen. Durch seinen Anruf bei ihr war die Affäre überhaupt zu einem internationalen Skandal geworden. Er hatte ihre Hilfe erbeten. Man weiß, dass Achmadinedschad persönlich wütend auf Mina Ahadi ist. Sie hat die Kampagne "Stop Stoning now" lanciert und wegen des Falls von Sakineh Ashtiani starken Druck ausgeübt. In Frankreich hat sich Bernard-Henri Lévy des Falls angenommen und den Druck durch Äußerungen Prominenter noch verstärkt. Auch Carla Sarkozy solidarisierte sich mit der gequälten Frau. Achmadinedschad reagierte. Er sprach im September von "einer Person in Deutschland", die falsche Behauptungen über den Fall aufstelle. Aber der Fall zeigt auch, dass der Iran dem Druck zumindest zentimeterweise weicht. Die Steinigung Sakineh Ashtianis ist ausgesetzt.

Zum Preis der Beschwichtigung gehört, dass sich der Angegriffene den Standpunkt des Angreifers zu eigen macht. In der deutschen Presse kann man es seit der Rushdie-Affäre beobachten. So auch hier. Die FAZ brachte auf den Geisteswissenschaftenseiten, als müsste es noch eigens bewiesen werden (oder als läsen jene, denen es bewiesen werden muss, diese Zeitung), das Gutachten eines Ayatollahs, der umständlich darlegte, dass der Koran die Steinigung wahrscheinlich nicht gutheißt. Anders steht es aber mit Peitschenhieben. In der Zeit wendet sich Mariam Lau heute mit theologischen Erwägungen gegen Mina Ahadi. Der Koran sei in der Frage des Ehebruchs erstaunlich mild, schreibt sie, er verlange vier Zeugen, die in der Regel nicht beizubringen seien. Für Lau tobt im Iran ein Wettstreit zwischen Mullahs verschiedener Fraktionen um die angemessene Bestrafung in einem solchen Fall. Regimetreue Mullahs, wollten zwar nur noch die Praxis, "die von arabischen Stämmen des 7. Jahrhunderts gelebt" wurde. "Aber es gibt immer noch Mullahs und andere Kräfte, die dagegen sind, aus religiösen wie pragmatischen Gründen. Die Differenz spielt für Mina Ahadi keine Rolle. Für Sakineh Ashtiani könnte sie lebenswichtig sein."

Mariam Lau argumentiert also wie die Zeit einst gegenüber den kommunistischen Regimes: Man setzt auf interne Divergenzen der Regimes, versucht "Reformkräfte" zu unterstützen und betrachtet Dissidenten als Störenfriede und Prinzipienreiter. Die Zeit hat eine lange Tradition in der Demontage von Dissidenz! Lau stellt Ahadi als eine Art Megäre dar, die einst sogar eine auf den lieben Frieden im Iran zielende Konferenz der Grünen sprengte. Das war vor zehn Jahren: Im Haus der Kulturen der Welt tagten auf Initiative Joschka Fischers gemäßigte Mullahs und Angehörige der inneren iranischen Opposition. Exiliraner waren nicht zugelassen. Dagegen protestierten Mina Ahadi und andere lautstark und sprengten die Veranstaltung. Die nicht so gemäßigten Mullahs zeigten nach der Veranstaltung, die sich Joschka Fischer als Meisterstück seiner Diplomatie erträumt haben mochte, wo der Hammer hängt und sperrten einige Teilnehmer der Konferenz ein. Einige wurden schwer gefoltert. Lau macht Ahadi dafür verantwortlich. Ihr Verhalten sei es gewesen, das "den iranischen Machthabern als Beleg für die umstürzlerische Absicht der Konferenz (diente), einige Teilnehmer sitzen heute noch im Gefängnis". Nicht das Regime ist schuld, sondern diejenigen, die sich dagegen wehren! Die Grünen haben sich der Mitverantwortung an dem Desaster nie gestellt (mehr dazu hier).

Ahadi ist für Lau auch im aktuellen Fall schuld: "Hat sie, so lautet ein oft geäußerter Verdacht, den Sohn Sakineh Ashtianis und die beiden ahnungslosen Journalisten in die Falle der Mullahs tappen lassen, um so ein Exempel zu statuieren?" Das ist ein als Frage verkleideter extrem schwerer Vorwurf. Und wer genau hatte diesen Verdacht "oft geäußert"? Ach richtig, das war das Fernsehen des Achmadinedschad.

Es mag in manchen Fällen richtig sein einzulenken. Aber man sollte diesen Gestus nicht gleich verinnerlichen. Es ist immer wieder bestürzend, wie sich in der Logik der Beschwichtigung die Akzente verschieben. Schuld wird umgekehrt. Darum ist es so wichtig, Namen zu nennen. Die Namen der Opfer und die Namen der Täter.

Thierry Chervel

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