Im Kino

Melodram und Augenzwinkern

Die Filmkolumne. Von Lukas Foerster
12.12.2007. James Mangold macht in seinem Western-Remake "Todeszug nach Yuma" vieles richtig, aber leider nicht bis zum Schluss. Und Jerry Seinfelds animiertes Comeback "Bee Movie - Der Honigkomplott" hat Witz, aber leider auch ein Zielgruppenproblem.
Bald, so verspricht Dan Evans (Christian Bale) seiner Frau, bald wird alles besser. Doch zuerst muss Dan durch die Hölle gehen. Und mit ihm seine ganze Familie. Als guter Christ rechtfertigt der Farmer das gegenwärtige Leid mit künftigem, hypothetischem Glück. Sein Gegenspieler, der Bandit Ben Wade (Russel Crowe), verkörpert dagegen das Prinzip der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung: Bietet sich die Gelegenheit, schnelles Geld zu verdienen, greift der Gangster sofort zu. Und mit der Barfrau möchte er am liebsten Hals über Kopf nach Mexiko flüchten.

Als es den lokalen Behörden gelingt, den Desperado dingfest zu machen, treten sich die Antagonisten von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Dan wird gemeinsam mit einer Gruppe von Helfern angeheuert, den Banditen zu der nächstgelegenen Bahnstation zu eskortieren. Dort soll der Gefangene den Zug um 3:10 Uhr nach Yuma besteigen, jenen Zug, der dem Film seinen Titel beschert und der Ben der Macht des Gesetzes überantworten soll.

"Todeszug nach Yuma" ist das Remake eines Westernklassikers aus den Fünfziger Jahren. Und obwohl James Mangolds Version auf postmoderne Spielereien - abgesehen von einem wohl absichtlich äußerst platt geratenen Verweis auf Sam Fuller - lange Zeit ebenso verzichtet wie auf ausgiebige Mythendiskurse, ist sie doch in anderer Hinsicht ganz ein Kind ihrer Zeit: "Todeszug nach Yuma" legt ein sehr hohes Tempo vor, dominant sind Großaufnahmen und oft äußerst hektische Kamerabewegungen. Außerdem verfügen Postkutschen über Maschinengewehre, mit Dynamit beladene Pferde explodieren, die Kamera hält auf offene Wunden und - wenn auch weitaus seltener - auf nackte Frauenkörper.

Kurzum: Mangold übersetzt den klassischen Western konsequent in modernes Actionkino. Und während der ersten beiden Filmdrittel geht dieses Konzept auch größtenteils auf. "Todeszug nach" Yuma ist lange Zeit ein spannender und unterhaltsamer Abenteuerwestern voller Postkutschenüberfälle, Indianerangriffen, Lagerfeuer sowie allem, was sonst dazu gehört. Die Beteiligte haben sichtlich Freude daran, alte Formeln mit neuen Bildern zu besetzen.

Doch leider gerät der Film ausgerechnet in dem Moment, in dem er auf das Finale zusteuert, in das falsche Fahrwasser. Schuld daran ist, dass Mangold seine Figuren in gewisser Weise zu ernst nimmt. Der klassische Western kannte solche Probleme nicht. Kein Held musste sich für sein Heldentum rechtfertigen, kein Bandit seine Bösartigkeit hinterfragen. Die einzelnen Akteure füllten konventionalisierte Rollenmuster aus, die vom Publikum als solche akzeptiert wurden.

Seitdem diese Muster nicht mehr zu funktionieren scheinen, hat der Western ein Problem. Schon Delmer Daves erster Todeszug-Film, der im Anschluss an Fred Zinnemans "12 Uhr mittags" mithilfe des Genres soziopolitische und ethische Fragestellungen zu verhandeln suchte, hat unter Genrepuristen genau aus diesem Grund bisweilen keinen allzu guten Ruf. James Mangolds Version nun interessiert sich zwar weniger für Gesellschaftskritik, dafür jedoch umso mehr für das Innenleben ihrer Figuren. Mangold entwickelt die Auseinandersetzung zwischen Ben und Dan von Anfang an auch als Psychodrama. In den letzten 30 Minuten rückt dieses Element endgültig in den Mittelpunkt: In einem Hotelzimmer auf sich selbst zurückgeworfen, ergründen der Bandit und der edle Farmer die charakterlichen Untiefen des jeweiligen Gegenüber.

Das Problem an der Sache ist kein Grundsätzliches. Dass bestimmte Formen von Psychologisierung im Western funktionieren können, bewies unlängst Andrew Dominiks schöner Ganz-Spätwestern "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford". Hier jedoch hapert es an der Ausführung. In "Todeszug nach Yuma" resultiert die Tiefendimension nicht wie bei Andrew in einer zunehmenden Lethargie aller Figuren, sondern sie soll ganz im Gegenteil in klassischer Manier als deren Handlungsmotivation dienen. Leider möchte man dem Film zumindest die zwei, drei letzten Charakterwendungen insbesondere von Russel Crowes Ben beim besten Willen nicht mehr abnehmen. So entwickelt sichder Film mehr und mehr zum faden Melodram und gipfelt schließlich in einer reichlich inkonsequenten, augenzwinkernden Schlussnote, die den Film letztlich doch wieder in der Postmoderne verortet. Und da gehört der Western schlicht und einfach nicht hin.

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In der perfekt durchorganisierten Honigfabrik eines Bienenstamms muss Barry B. Benson eine Entscheidung treffen, die sein zukünftiges Leben nachhaltig prägen wird: Er soll sich für einen Arbeitsplatz entscheiden, den er hinfort bis ans Ende seiner Tage auszufüllen hat. Einer solch altmodischen Vorstellung von lebenslanger Festanstellung kann Barry wenig abgewinnen und träumt statt dessen von einem Dasein als Freelancer. Sobald sich die Möglichkeit bietet, macht er sich denn auch auf, die Welt außerhalb des Bienenstocks zu erkunden. Hier lernt er nicht nur die Frau seines Lebens kennen (die dummerweise tatsächlich genau das ist: eine Frau, und zwar eine menschliche), sondern deckt auch das Ausbeutungsverhältnis auf, das Mensch und Biene seit Jahrtausenden verbindet.

Hauptverantwortlich für "Bee Movie - Das Honigkomplott" ist Jerry Seinfeld, der nicht nur an Produktion und Drehbuch beteiligt war, sondern zusätzlich auch Barry die Stimme leiht. Der Animationsfilm ist das erste größere Projekt des amerikanischen Entertainers seit dem Ende des Sitcom-Klassikers "Seinfeld" und hat recht eindeutig ein Zielgruppenproblem.

Die zahlreichen intertextuellen Verweise und der gesamte Humor des Films scheinen auf ein zumindest jugendliches Publikum zugeschnitten, das einen souveränen und bereits etwas distanzierten Umgang mit Populärkultur pflegt. Immer wieder - und darin unterscheidet sich die DreamWorks-Produktion grundlegend von Pixar-Streifen wie "Ratatouille" - lassen die Regisseure Steve Hickner und Simon J. Smith ihre mühsam errichtete Fantasiewelt gezielt kollabieren. In einer längeren Sequenz macht sich Barry beispielsweise über "Bee Larry King" lustig, eine Bienenkopie der amerikanischen Fernsehlegende inklusive charakteristischer Kleidung, Habitus und Studiokulisse. Gleichzeitig jedoch sind der etwas zu plumpe Antropomorphismus der Protagonisten und die Naivität der Erzählhandlung auf ein deutlich jüngeres Publikumssegment ausgelegt.

In Amerika konnte der Film trotz dieser Inkonsequenz an den Kinokassen immerhin noch moderate Erfolge verbuchen. Zu verdanken ist das wohl vor allem den prominenten und ausnahmslos gut aufgelegten Sprechern, zu denen neben Seinfeld selbt unter anderen Renee Zellweger, John Goodman und Chris Rock zählen. Ob der deutschen Synchronfassung mit den Stimmen Bastian Pastewkas und Mirjam Weichselbaums ähnliches gelingen wird, vermag ich nicht zu beurteilen, da mir für diese Rezension nur die englische Originalversion vorlag.

Zweifel sind durchaus angebracht. Denn seine stärksten Momente findet "Bee Movie" stets im seinfeldschen Wortwitz sowie dem abenteuerlichen Versuch, Stand-up Comedy und Animationsfilm zu vereinen. Und dass der spezifische Humor des Entertainers dem kulturellen Transfer, beziehungsweise vor allem einer Übersetzung ins Deutsche nicht standhält, hat die unglückliche hiesige Rezeptionsgeschichte der erfolgreichsten amerikanischen Sitcom aller Zeiten zur Genüge bewiesen.

Todeszug nach Yuma. USA 2007 - Originaltitel: 3:10 to Yuma - Regie: James Mangold - Darsteller: Russell Crowe, Christian Bale, Gretchen Mol, Peter Fonda, Ben Foster, Logan Lerman, Dallas Roberts, Vinessa Shaw, Alan Tudyk, Luce Rains, Lennie Loftin

Bee Movie - Das Honigkomplott
. USA 2007 - Originaltitel: Bee Movie - Regie: Steve Hickner, Simon J. Smith - Darsteller: (Stimmen) Bastian Pastewka, Mirjam Weichselbraun, Gerrit Schmidt-Foß, Tilo Schmitz