Hans Magnus Enzensberger (Hg.)

Museum der modernen Poesie

Eingerichtet von Hans Magnus Enzensberger
Cover: Museum der modernen Poesie
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518413807
Gebunden, 880 Seiten, 37,00 EUR

Klappentext

Als das "Museum der modernen Poesie" 1960 erstmals erschien, sprach die Kritik von einer "literarischen Documenta", von einem "Orbis pictus der modernen Poesie". In der Tat hat sich Enzensbergers Sammlung als ein unwiederholbares Unternehmen erwiesen. Die beinahe hundert Dichter aus aller Welt mit ihren 351 Gedichten, die darin vorgestellt werden, waren seinerzeit in ihrer Mehrzahl kaum dem Namen nach bekannt. Heute, da die große Zeit des Modernismus (1910-1940) längst historisch geworden ist, wird deutlich, daß sie die Leitfiguren dieser Epoche waren und dass sie es geblieben sind. Ihre Lyrik erscheint in Enzensbergers Museum in doppelter Gestalt: Neben der deutschen Übertragung steht das Original. Die Parallelität von 16 Sprachen macht diese Anthologie zu einer einzigartigen Lyriksammlung, die man immer wieder gern zur Hand nimmt. Für diese besonders aufwendig ausgestattete bibliophile Neuausgabe wurde der bio-bibliografische Anhang auf den neuesten Stand gebracht und von Hans Magnus Enzensberger mit einem neuen Nachwort versehen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.07.2003

Mit einer gewissen Ehrfurcht beschreibt die Rezensentin Angelika Overath Hans Magnus Enzensbergers 1960 erschienenes dichterisches "Museumsprojekt". Mit dem Begriff Museum habe es hier natürlich etwas Besonderes auf sich, erklärt Overath, er sei im Zusammenhang mit der modernen Lyrik unweigerlich mit dem "Stachel des Paradoxen" versehen. Immerhin stehe Enzensberger für die Ansicht, man solle die Lyrik der Moderne nicht museal unter Verschluss halten, sondern im Gegenteil zum Atelier werden lassen. Und so ist auch diese Anthologie als Panorama und "Studienbuch" zu verstehen. Sie ist international ausgerichtet und versammelt die "innovativen" Werke moderner Lyriker, jener Dichter die an der "Weltsprache der Poesie" teilhatten, und präsentiert sie sowohl im Original als auch in der - von deutschsprachigen Dichtern und oftmals von Enzensberger selbst verfertigten - Übersetzung. Die, wie Enzensberger betone, resolut subjektive Auswahl, sei in zehn Kapitel angeordnet und mit einem bibliografischem Anhang versehen, der im Laufe der aufeinanderfolgenden Ausgaben regelrecht zu einer "kleinen Literaturgeschichte der modernen Lyrik" angewachsen sei. Nun sei eine neue Ausgabe des "Museums" erschienen, in äußerst "klassischer" Aufmachung, wie die Rezensentin amüsiert bemerkt - im Schuber und kardinalrotem Einband. Fast scheine es, als habe man eine Bibel oder ein Brevier in der Hand.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.01.2003

In einer langen und sehr informativen Rezension schildert Martin Lüdke die Wirkung der modernen, zwischen 1910 und 1945 entstandenen Poesie im Nachkriegsdeutschland. Abgeschnitten von allen Entwicklungen der Moderne, konnte man mit diesen Gedichten fabelhaft provozieren, erklärt Lüdke und zitiert aus T.S. Eliots "J. Alfed Prufrocks Liebesgesang": "Frauen kommen und gehen und schwätzen so / daher von Michelangelo". So ein Sätzchen, am Mittagstisch der Eltern fallen gelassen, konnte einen Sturm entfachen. Der Verleger Otto F. Walter wurde aus dem familieneigenen Verlag geschmissen, nachdem er dort Ernst Jandls "Laut und Luise" herausbrachte! 1956 hatte Hugo Friedrichs mit seiner "epochalen" Studie "Die Struktur der modernen Lyrik" erstmals versucht, "die Modernität moderner Gedichte" zu beschreiben, erzählt Lüdke. Doch es war Hans Magnus Enzensberger, der 1960 mit seinem "Museum der modernen Poesie" die erste Anthologie moderner Lyrik in Deutschland herausgab. Viele Gedichte - etwa von Rafael Alberti, Ossip Mandelstam oder Fernando Pessoa - wurden hier überhaupt zum ersten Mal auf Deutsch übersetzt und damit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Faszinierend an dem Band, so Lüdke war der Widerspruch: Enzensberger "feierte eine Entwicklung und erklärte sie für abgeschlossen". Das Provozierende an den modernen Gedichten war, dass ihr Sinn im dunkeln blieb, erklärt Lüdke. "Der Vorwurf der Unverständlichkeit trifft." Und doch wirkte das Museum "kanonbildend". Heute, so Lüdke, ist, "was damals dunkel war, vom Gang der Geschichte erhellt worden".