Jens Malte Fischer

Richard Wagners `Das Judentum in der Musik`

Eine kritische Dokumentation
Cover: Richard Wagners `Das Judentum in der Musik`
Insel Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783458343172
Taschenbuch, 380 Seiten, 10,17 EUR

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.08.2001

In einer Doppelrezension befasst sich Thomas Baltensweiler mit zwei Büchern zu Richard Wagner.
1.) Hans-Joachim Bauer: "Die Wagners. Macht und Geheimnis einer Theaterdynastie" (Campus)
Baltensweiler erläutert, dass in diesem Buch "sine ira et studio" die Familiengeschichte der Wagners nachgezeichnet wird, mit allen Fehden, Intrigen, Betrügereien und Anfeindungen. Allerdings ist sich der Rezensent nicht sicher, ob wirklich alle Behauptungen Bauers tatsächlich "hieb- und stichfest" sind. Dass in dem Buch auf Quellenangaben verzichtet wird, findet Baltensweiler jedenfalls zumindest "bedauerlich".
2.) Jens Malte Fischer: "Richard Wagners 'Das Judentum in der Musik'" (Insel)
Mit einer Bewertung dieses Buchs hält sich der Rezensent zurück und erläutert lediglich, dass Fischer anhand von Wagners Text 'Das Judentum in der Musik' dessen "Kampf um künstlerische Geltung" darzustellen versucht. Auch wenn es der Rezensent nicht dezidiert zum Ausdruck bringt, so scheint er es doch zu schätzen zu wissen, dass der Autor hier nicht nur die Entstehungsgeschichte dieses antisemitischen Textes Wagners erläutert, sondern auch zahlreiche Dokumente präsentiert, "welche die zeitgenössischen Reaktionen illustrieren". Darüber hinaus referiert Baltensweiler offenbar einige Thesen Fischers, etwa dass Wagners Text auf Enttäuschungen zurückzuführen ist, die er in Paris und München erlebt hat und dass er für seine Misserfolge eine jüdische Verschwörung verantwortlich gemacht hat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.08.2000

Karl Kraus wetterte gegen Heinrich Heine, Richard Wagner polemisierte gegen die Juden - ist Kraus` Polemik nicht Ausdruck jüdischen Selbsthasses und in der Argumentation der Wagnerschen verwandt, fragt Rezensent Dieter Borchmeyer, der zwei zufällig zur gleichen Zeit erschienene Bücher bespricht, die sich den Pamphleten Wagners bzw. Kraus` quellenanalytisch widmen.
1) Dietmar Goltschnigg: "Der Fackel ins wunde Herz"
Den Vergleich mit Wagner legt laut Borchmeyer der Herausgeber selbst nahe: Goltschnigg ziehe immer wieder Parallelen zu Wagners Schrift über das "Judentum in der Musik". So wie Wagner einem "linguistischen Antisemitismus" gehuldigt habe, hätte Kraus in vielfachen Polemiken in seiner Zeitschrift "Die Fackel" Heine eines "undeutschen Sprachgebrauchs" bezichtigt. Das Absurde daran sei, referiert Borchmeyer weiter, dass Kraus Heine genau das vorwarf, was man als eine Art geistesverwandte Haltung und Schreibweise bezeichnen könnte: den Feuilletonismus. Und er scheute auch nicht davor zurück, sich mit seiner Polemik in die Nähe völkisch-nationalistischer Hetze gegen den Pariser Rivalen zu begeben. Goltschnigg kommt am Schluss auf Wagner zurück, schreibt Borchmeyer weiter, und weise darauf hin, , dass Kraus mit seiner Forderung einer völligen Assimilation ("Durch Auflösung zur Erlösung") einer bis ins Vokabular ähnlichen Argumentation wie Wagner folgt.
2) Jens Malte Fischer: "Richard Wagners `Das Judentum in der Musik`"
Bei Wagner ist von einem "durch Selbstvernichtung wiedergebärenden Erlösungswerks" der Juden die Rede, zitiert der Rezensent die inkriminierte Passage, die sowohl bei Goltschnigg wie in Jens Malte Fischers Buch eine Rolle spielt. Fischers Verdienst sei es unter anderem, schreibt Borchmeyer, die unzugänglich gewordenen Quellen für das Wagnersche Pamphlet wieder zugänglich zu machen und dieses so der Frühphase des Antisemitismus zuordnen zu können. Weder entschuldige der Autor die Heftigkeit des Wagnerschen Verschwörungswahns, noch beschuldige er ihn für etwas, das nicht in seinen Texten stünde. Das Wagnersche Vernichtungsvokabular habe rein metaphorische Bedeutung gehabt. Zweifel meldet Borchmeyer hinsichtlich der These Fischers an, der Antisemitismus Wagners müsse sich auch in seinen Opern niederschlagen, als eine Art "eingewobener Subtext": auch Fischer gelinge es nicht, diesen Subtext in den musikdramatischen Werken Wagners wirklich ausfindig zumachen.