Navid Kermani

Das Buch der von Neil Young Getöteten

Cover: Das Buch der von Neil Young Getöteten
Ammann Verlag, Zürich 2002
ISBN 9783250600398
Gebunden, 176 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Bald nach ihrer Geburt wird die Tochter eines jungen Paars von furchtbaren Bauchkrämpfen geplagt, Tag für Tag jene Stunden grausamer Qual - Drei-Monats-Kolik nennen es die Freunde und Verwandten verharmlosend, das Geburtssouvenir eines zynischen Gottes, schimpft der Vater und ballt die Faust gen Himmel. Nach vier durchwachten Nächten rettet Neil Young das Gottvertrauen der Familie. Schon mit den ersten Gitarrenklängen beruhigt sich das Kind. Erstaunlich aber: der betörende Effekt stellt sich nur und ausschließlich bei der Musik Neil Youngs ein. Für Vater und Tochter beginnt eine Reise durch den Kosmos des kanadischen Kultmusikers hin zu verlorenen und wiedergefundenen Paradiesen und zur Möglichkeit ekstatischen Erlebens im Alltag.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.06.2003

"So muss man es machen!", seufzt Edo Reents, selbst langjähriger Neil-Young-Bewunderer, angesichts dieses "schönen" Buches, in dem Navid Kermani sein eigenes Leben mit den besten Stücken von Neil Young erzählt. Da Reents sich allerdings weniger für Kermanis Leben interessiert als für Neil Young, hält er sich nicht lange mit den biografischen oder literarischen Aspekten des Buches auf. Es geht um die Musik. Und mit der liege Kermani goldrichtig. Die Interpretation der einzelnen Titel findet Reents fantasievoll, die Auswahl der Stücke sehr klug. Denn darin scheinen sich Autor und Rezensent weitgehend einig zu sein: Die wahren Neil-Young-Kenner hören die ganz frühen Lieder und nicht all die missratenen, kommerziellen, dilettantischen Stücke der späteren Zeit, und schon gar nicht die Live-Alben.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.02.2003

Mathias Greffrath gerät bei diesem Buch über Neil Young in haltloses Schwärmen. Der Essay sei nicht nur eine "Huldigung" an den Songschreiber und Sänger, sondern verknüpfe eine "Theologie der Kunst" mit der Melancholie des Daseins und sogar der "Säuglingspflege", so der Rezensent beeindruckt. Der Autor eröffnet seine Ausführungen nämlich mit der Beschreibung eines "ästhetischen Wunders", denn seine neugeborene, an Koliken leidende Tochter wurde bei den Liedern Neil Youngs ruhig, berichtet Greffrath. Er fasst zusammen, was für Kermani das Leben erträglich werden lässt: Das genaue Hinschauen, der Humor und die Gemeinschaft mit anderen. Anhand einer winzigen Pause in einem Stück Youngs entwickelt der Autor eine ganze "Theologie unsrer mörderisch tiefen und trivialen" Existenz, und das auch noch mit "leichter Hand", meint Greffrath begeistert. Er preist den Essay, den er als "hellgrauen, schwermütigen Hymnus an das Leben" charakterisiert als "schönes, kluges Büchlein", und sieht darin nicht nur sehr tiefsinnig die "ewige Wiederholung" von Tod und Geburt, sondern auch die Lust am "Spielen auf der Bühne des Lebens" reflektiert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.12.2002

Was könnte man an diesem Buch nicht alles kritisieren: die nahezu devote Bewunderung für Neil Young, die heillosen Übertreibungen, die fehlende Handlung; Nicht einmal für eine anständige biografische Skizze reiche es. Adam Olschewski sieht es, aber es stört ihn nicht. Denn bei allen Nachlässigkeiten, meint er, möchte man nach der Leküre eigentlich nur noch in den nächstbesten Plattenladen, um sich mit Neil Young einzudecken - "mit allem, was es je von ihm gab". Von jeglicher "musikalischen Vorbildung unbelastet" habe Kermani eine Liebeserklärung verfasst, in der Sänger und Werk zum Maßstab eines Lebens erklärt und selbst die Blähungen der kleinen Tochter mit "Last Trip To Tulsa" kuriert werden. So hat Olschewski zwei entscheidende Dinge aus diesem Bändchen voller Hingabe gelernt: Dass ein Lied durchaus gefährlich sein kann, und wie sonderbar es doch ist, dass wir selbst in tiefster Trauer und innigster Verliebtheit noch den Wachsfleck auf dem Tischtuch bemerken.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.09.2002

Auch wenn Navid Kermani in seinem "nahezu ekstatischen Essay" bei der Interpretation der Musik von Neil Young oft nicht viel weiter vordringt als der gewöhnliche Fan, steht für Christoph Bartmann fest: "Eindringlicher, witziger und aufrichtiger hat über die Verwicklungen zwischen Leben und Musik lange keiner mehr geschrieben." Bei der Lektüre erfährt der Leser, dass Youngs Musik durchaus gegen frühkindliche Dreimonatskoliken helfen kann. Ob und wie weit Youngs Texte sich allerdings an die persische Mystik anlehnen, wie Kermani beweisen will, ist für den Rezensenten nicht so eindeutig zu beurteilen. Denn obgleich der Autor "in Sachen Sufismus" ein Kenner sei, bei der Interpretation der Liedtexte sei Kermani ebenso auf Spekulationen angewiesen wie jeder Zuhörer. Aber genau in dieser "Amateurhermeneutik" liegt für Bartmann auch der Reiz des Buches, verdeutlicht Kermani doch etwas, "was wir alle aus unserem musikalischen Leben kennen: unsere hilflose, aber fiebrige Begeisterung von einem Stück, das uns in Flammenschrift irgend etwas fürs Leben bedeuten will.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.08.2002

"Unorthodox, aber eindrücklich" kommt für Gerrit Bartels das Buch von Navid Kermani daher, der mit großer Sympathie liest, wie die Musik Neil Youngs dem Töchterchen Kermanis über die schwierige Phase der Dreimonatskolik hinweghalf. Alles habe Kermani bei seinen Meditationen über die Musik wiedergefunden: die Vertreibung aus dem Paradies etwa oder den festen Glauben an ein besseres Leben. Der Autor betreibe "intensive Songstudien", und streue dabei immer wieder Gleichnisse aus der islamischen Mystik in seinen Text ein. Ihm gehe es dabei, merkt Bartels an, wie auch Neil Young "um alles: um Leben und Tod, ums Werden und Vergehen, um das Heideggersche und Adornitische, um Bettler und Prinzen". Das Pathos, das da anklingt, stört den Rezensenten nicht, vielmehr sei das vielleicht genau der richtige Zugang zu Young, meint Bartels. Denn schließlich gelinge es dem Autor mit diesem ihm eigenen Mix aus autobiografischen Details und Faktenanalyse, dem widersprüchlichen Neil Young "auf die Schliche zu kommen".

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