Karl Heinz Bohrer

Granatsplitter

Erzählung einer Jugend
Cover: Granatsplitter
Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 9783446239722
Gebunden, 320 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Es ist Krieg. Aber was genau ist ein Krieg? Warum und von wem wird er geführt? Ein Junge, am Anfang des Zweiten Weltkriegs sieben Jahre alt, beginnt zu fragen: Wie ist das Böse in die Welt gekommen? Und wie konnte es das Gute und Schöne verdrängen? Karl Heinz Bohrer erzählt die Geschichte einer Jugend in Deutschland zwischen 1939 und 1953. Nicht als klassische Autobiografie, sondern mit den staunenden Augen eines Jungen, der das Abenteuer sucht. Köln und Umgebung, ein Internat in Süddeutschland und London sind die Orte dieser gleichzeitig unheimlichen und glücklichen Geschichte. Eine Jugend in Deutschland in schwierigen Zeiten - schöner, fragender, reicher ist sie selten beschrieben worden.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.09.2012

In einer umfangreichen Rezension würdigt Hans Hütt den Literaturprofessor Karl Heinz Bohrer, den ehemaligen Literaturchef der FAZ und langjährigen Herausgeber des Merkur. Bohrer habe kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag mit "Granatsplitter" so etwas wie eine Autobiografie vorgelegt, nur wolle der Autor von dieser Beschreibung nichts wissen. Der junge Karl werde in dem Buch beinahe ausschließlich "der Junge" genannt; Hütt meint, der Autor erzähle auf diese Art aus "distanziert-kluger Nähe", ja "aus der Perspektive eines Vaters seiner selbst". Das Buch umfasse die Jahre zwischen 1939 und 1953, in denen Karl die Gefechte zwischen alliierten Piloten und deutscher Luftabwehr beobachtet, Messdiener wird, sich von der katholischen Kirche abwendet, in das berühmte Internat auf dem Birklehof kommt und schließlich eine Reise nach England antritt. Seinen Namen hat das Buch von den Geschossen der Flaks, die als Splitter zu Boden regneten, wenn sie ihre Ziele verfehlten, erklärt der Rezensent. "Die Granatsplitter waren das Schönste, was man sich ausdenken konnte", zitiert Hütt den Autor und erkennt darin eine Faszination für den Schrecken, die Bohrer schon als Kritiker geäußert habe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.08.2012

Martin Meyer lässt sich von Karl Heinz Bohrers Aussage, bei "Granatsplitter" solle man sich auf eine "Art von Phantasie" einstellen, nicht beirren: Ihm ist klar, dass es sich um die autobiografische Erzählung der Kindheit und Jugend des heute achtzigjährigen Literaturwissenschaftlers handelt. Der Autor verwendet dafür eine Erzählweise, die die Wahrnehmungen der jeweiligen Lebensphase als Perspektive wählt und dafür analytische oder ordnende Aspekte zurückstellt, stellt der Rezensent fest. Dass hat auf Meyer mitunter durchaus irritierende Wirkung und scheint ihm manchmal "unbeholfen", am Ende überzeugt ihn die Erzählperspektive aber als überaus authentisch, und er findet sie sogar typischer Erinnerungsliteratur überlegen. Auffällig ist dem Rezensenten auf der einen Seite Bohrers Gespür fürs Gefährliche und Abgründige der Zeit, andererseits seine Hinwendung zur Kunst, die sich in diesen Erinnerungen ausdrückt. So würdigt er "Granatsplitter" abschließend als "großes, ästhetisches Tableau", das ihm zwar keinen anderen Bohrer als den, den er kennt, vor Augen führt, ihm den Literaturwissenschaftler aber nichtsdestotrotz näher bringt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.07.2012

Hymnisch bespricht Rezensent Andreas Platthaus Karl Heinz Bohrers neues Buch "Granatsplitter", dem er alle Kriterien für ein gelungenes literarisches Kunstwerk attestiert: "wortmächtig, elegant, klug und schön". Insbesondere aber lobt der Kritiker die Erzählung als "Meisterwerk der Erinnerung", die, ob nun autobiografisch oder wie der Autor selbst erklärt - als "Phantasie einer Jugend" - schon allein durch farbige Bilder einer nur in Schwarzweiß gesehenen Kriegs- und Nachkriegswelt zu verzaubern vermag. Platthaus erfährt hier von dem nur als "der Junge" bezeichneten Erzähler alle biografischen Details aus Bohrers Jugend: von der Trennung der Eltern im Krieg, über die Schulzeit im reformpädagogischen Internat bis hin zum ersten Auslandsaufenthalt in England schildere der spätere Leiter des Literaturteils der FAZ, Herausgeber der "Merkur" und Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte fragmentarisch und "radikal subjektiv" seine feinsinnigen Beobachtungen und frühen ästhetischen Grunderfahrungen - ohne jedoch je die Kenntnis seiner Zukunft zu suggerieren. Der Rezensent erlebt hier nicht nur Bohrers Faszination für das Bürgerliche genau wie für das Gefahrvolle, sondern liest auch ebenso kindliche wie brisante Fragen und Beobachtungen zur Zeit des Nationalsozialismus, die ihm ganz neue Perspektiven erschließen. Dieses schillernde "poetische Projekt" kann man gar nicht genug rühmen, schwärmt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.07.2012

Rezensent Gustav Seibt kann kaum genug preisende Worte finden, um seine Begeisterung für Karl Heinz Bohrers neue Erzählung "Granatsplitter" auszudrücken: "So schön, packend, jugendlich-jungenhaft beschwingt" habe Bohrer nie geschrieben; "sieghafter denn je" sei er aus der akademischen Literaturwissenschaft zum Schriftsteller-Dasein zurückgekehrt. Bohrers Erzählung erscheint dem Kritiker als "Formenexperiment", das versucht, vergangene, Bewusstseinszustände in historischen Umständen wiederherzustellen. Und so liest Seibt Bohrers lust- und fantasievolle, grandiose Schilderungen von kindlich erlebten Abenteuern im Krieg, Schule und Internatszeit, einem Aufenthalt in England und intensiv erfahrenen Leseerlebnissen mit Shakespeare, Schiller und Karl May und erlebt die Unbekümmertheit und Freiheit des hier erzählenden "Jungen". Für junge Leser wird dieser herausragende Bildungsroman eine "Erleuchtung" sein; den älteren aber wird Bohrers Erzählung wie der rauschhafte Sturz in einem "Fahrstuhl in die Tiefe der Zeit" erscheinen, lobt der hingerissene Kritiker.
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