Juli Zeh

Adler und Engel

Roman
Cover: Adler und Engel
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783895610547
Gebunden, 444 Seiten, 23,52 EUR

Klappentext

Jessie ist tot. Sie hat sich erschossen, während sie mit Max telephonierte. Zu Schulzeiten der geborene Versager, picklig und übergewichtig, hat Max aus sich selbst das Projekt seines Lebens gemacht: Einen Karrierejuristen. Aber dann ist Jessie wieder aufgetaucht und mit ihr das einzige echte Gefühl in Max' Leben: Die bodenlose Liebe zu der kindlich-verrückten Tochter eines Drogenhändlers. Als Jessie stirbt, schmeißt Max seinen Job. Er sitzt in Leipzig und beschließt, den Rest seiner Lebenszeit nach der Menge an Kokain zu bemessen, die er sich noch kaufen kann. Max ist am Ende. Und das ist erst der Anfang: Max ruft bei Clara an, einer ebenso jungen wie abgebrühten Radiomoderatorin, sie zwingt ihn zu einer Reise zurück nach Wien, zurück in seine Vergangenheit.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.10.2001

Jamal Tuschik findet das Debüt der 27-jährigen Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh außerordentlich und lobt es in den höchsten Tönen. "Wunderbar durcherzählt bei straff gehaltenem Handlungsfaden" sei der Roman. Die "unverzierte nur den Aussagen dienende Sprache" lässt den Rezensenten auf einen dahinter verborgenen Einfallsreichtum schließen, der für ihn von einer außergewöhnlichen Begabung zeugt. Gerade diese Unverspieltheit sei Zehs große Stärke. Lobend hervor hebt der Rezensent auch die Konstruktion des Romans: der Schriftstellerin gelinge es, sämtliche Erwartungen des Lesers zu enttäuschen und ihn immer wieder aufs Neue zu überraschen. Wie der Romantitel schon sagt, verleiht einem der Roman Flügel, meint der restlos begeisterte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Eberhard Falcke ist ziemlich beeindruckt von diesem Romandebüt, das seiner Ansicht nach eine gelungene Mischung aus Drogenthriller, Kapitalismuskritik und Initiationsgeschichte bietet. Er lobt die Autorin dafür, sich an einen Plot gewagt zu haben, der sonst nur etwas für "ausgekochte Profis der Spannungsliteratur" gewesen wäre. Als viel größeres "Wagnis" beurteilt er indes die Figur der Jessie, die in einem Schwebezustand zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt verharrt und nicht zuletzt deshalb an Salingers Helden Holden Caulfield aus "Der Fänger im Roggen" erinnert. Falcke preist "Einfallsreichtum, Gegenwartsbewusstsein und große Intelligenz", mit denen dieser Roman geschrieben worden ist und findet es verständlich, dass das Buch auch einige Schwächen aufweist. Auch dass Juli Zeh etwas viele Vergleiche bemüht und zudem ziemlich verschwenderisch mit "Handlungsetappen" und nebensächlichen Erzählsträngen umgegangen ist, was nicht zuletzt auch zu der "Überlänge" des Textes führe, kann den Rezensenten nicht davon abhalten, überschwänglich diese "ruppige und zuweilen giftig aufschäumende Prosa" zu preisen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.09.2001

Stephan Maus attestiert dem Roman das "Zeug zum Bestseller" und sieht in diesem Urteil bereits die Stärken und Schwächen des Buches auf den Punkt gebracht. In seiner eingehenden Besprechung des Romans, der sich um die Drogenexzesse eines Juristen und seine Verwicklung mit organisierter Kriminalität dreht, sieht der Rezensent alle nötigen Ingredienzen für einen Kassenschlager zusammengemischt: Spannung, temporeiches Erzählen mit wirkungsvollen "lyrischen Inseln" und ein "vorzügliches Personenmanagements" bei der selbst die kleinste Nebenfigur noch wichtiger Handlungsträger ist. Allerdings, meint Maus, sind die Erzählmuster zu durchsichtig an gängige amerikanische Thrillerliteratur angelegt. Zudem stellt er fest, dass die Autorin zu "allzu besinnlichen Aphorismen" neigt und mitunter mächtig bedeutungsschwer daherkommt. Auch ihren Hang, Vergleiche als rhetorische Figuren einzusetzen, findet er etwas gar zu ausgeprägt, zumal diese Metaphern nicht besonders originell sind, wie er kritisiert. Trotzdem lobt er das Buch als "sehr lesbar" und meint, hier sei der Autorin ein "spannungsreicher Schmöker" gelungen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.09.2001

Andreas Nentwich ist es bei der Lektüre von Juli Zehs Debütroman ganz kalt geworden. Und das, obwohl der "Politthriller" einiges bietet, wobei man durchaus ins Schwitzen geraten könnte. Die Story des pickelübersäten Jurastudenten Max, der unglücklich in das Girlie Jessie, ein vormoralisches "Zwitterwesen aus Kobold und heiliger Närrin", verliebt ist, habe es nämlich in sich. Sie führe den Protagonisten, einen nach dem Tod seiner Angebeteten "gestrandeten Immoralisten", durch eine komplett entgötterte Welt von Drogenbossen und Kriegsverbrechern. Mit einer kultigen Radioseelentante an der Seite könne sich Max zwar am Ende aus dem Verbrechenssumpf herausziehen, dennoch lebe in ihm nichts mehr von den Potenzialen einer "dem Humanen verpflichteten Kultur". "Ein Eisschrank von einem Roman" liegt hier denn auch laut Nentwich vor, eine "Ekel- und Verachtungsattitüde" durchzöge ihn völlig, nahezu alles Reden in ihm sei von "schneidender Coolness". Seine Story habe die Autorin "schneidig in Fasson gebracht", alle eingeführten Motive und Reflexionsgegenstände wie die Spannungskurve halte sie fest in der Hand, - der Roman sei eben "perfekt gebaut". Und so ist sich der Rezensent ganz sicher, dass es der vom Verlag in der edlen Intellektuellenmanier der Mann-Kinder präsentierten Jungautorin in den nächsten Monaten an Ruhm nicht mangeln wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.07.2001

Erstaunlich, fulminant! Der Rezensentin ist das Buch, ist die Debütantin einen Vergleich mit Silvia Plath wert und mit Quentin Tarantino. Welche Kombination! Allein, gibt es nicht neuere Beispiele für den amüsierten Blick auf das Leben als "Pulp Fiction"? Wie auch immer, das Buch ist groß. Verena Auffermann erkennt darin eine "erstaunliche Sicherheit" (im Stil?) und einen seltenen Weitblick (in der Sache?) nebst Kenntnissen und Interessen, "die über die eigene Körpertemperatur und den Bauplan der Kindheit hinausgehen". Keine allzu große Sache, ließe sich einwenden, wenn es wirklich stimmt, was Auffermann einigermaßen kühn (oder bloß missverständlich formuliert) behauptet: Juli Zeh, schreibt sie, nutze den Raum, den ihr die halluzinatorische Wirkung von Drogen gebe. Ein Plädoyer für's Schreiben im Rausch?
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