Christian Kracht

Imperium

Roman
Cover: Imperium
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2011
ISBN 9783462041316
Gebunden, 256 Seiten, 18,99 EUR

Klappentext

Eine deutsche Südseeballade. In "Imperium" erzählt Christian Kracht eine Aussteigergeschichte in den deutschen Kolonien der Südsee, indem er virtuos und gut gelaunt mit den Formen des historischen Abenteuerromans eines Melville, Joseph Conrad, Robert Louis Stevenson oder Jack London spielt. Die Welt wollte er retten, eine neue Religion stiften, gar ein eigenes Reich gründen eine Utopie verwirklichen, die nicht nur ihn selbst, sondern die Menschheit erlöst, fernab der zerstörerischen europäischen Zivilisation, die gerade aufbricht in die Moderne und in die Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Doch in der Abgeschiedenheit der Südsee, in einer Kolonie des wilhelminischen Deutschland, gerät ein von einem vegetarischen Spleen besessener Sonnenanbeter in eine Spirale des Wahnsinns, die die Abgründe des 20. Jahrhunderts ahnungsvoll vorwegnimmt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.03.2012

Für Roman Bucheli ist der Skandal, der um Christian Krachts jüngsten Roman entstand, ein Sturm im Wasserglas und er macht sich Sorgen um den Stand der Literaturkritik. Georg Diez hatte den Autor einen "Türsteher" "rechten Gedankenguts" genannt, Kritiker und Schriftstellerkollegen waren Kracht zur Seite gesprungen und Diez hatte seine Kritik flugs zurückgezogen, wie der Rezensent referiert. Dabei findet Bucheli es durchaus angebracht, Fragen zu stellen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem 2004 veröffentlichten Schriftwechsel Krachts mit dem "politischen Wirrkopf" David Woodhard, in dem die beiden sich Gedanken um eine Wiederbelebung der deutschen Kolonie "Nueva Germania" in Paraguay machen und über ihre "spleenige Vorliebe" für koreanische Diktatoren austauschen. Der Rezensent meint, es sei legitim, den vorliegenden Roman auch im Kontext mit dem Briefwechsel zu lesen und nach der zugrunde liegenden "Geisteshaltung" zu fragen. In "Imperium" erzählt Kracht in durchaus unterhaltsamen Episoden die Geschichte des Aussteigers August Engelhardt, der in der Südsee eine Kolonie gründet, die Nacktheit, Naturnähe und die Kokosnuss als ausschließliche Nahrung predigt, erfahren wir. Dabei gelinge es ihm, in dieser Figur die Schrecken und Verirrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu bündeln, lobt der Rezensent sogar. Allerdings findet er, dass das forciert Selbstironische und Spielerische im Gegenzug keinen "ästhetischen Mehrwert", geschweige denn einen intellektuellen böte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.02.2012

Sabine Vogel zeichnet die Rezensentenreaktionen auf Christian Krachts Roman "Imperium" nach und kann sich keiner der dort zum Teil sehr heftig geäußerten Meinungen anschließen. Kracht erzählt die Geschichte des Nürnbergers August Engelhardt, einem Aussteiger, der 1902 auf einer kleinen Südseeinsel einen Sonnenorden gründete, sich ausschließlich von Kokosnüssen ernährte und dort 1917 krank, einsam und verrückt starb, fasst die Rezensentin zusammen. Weder der in FAZ und Zeit geäußerten Begeisterung noch der Verdammung als "rechtes Gedankengut" im "Spiegel" mag sich Vogel anschließen. Sie zeigt sich eher genervt vom versuchten Thomas-Mann-Ton des Romans und ihr erscheint insbesondere die kühle Zeichnung der Figuren als unlebendig und staffagenhaft, wie sie kritisiert. Sollte dies ein bewusstes Stilmittel sein um die "Entfremdung" des Helden von "der Welt zu symbolisieren", ist das in den Augen der Rezensentin jedenfalls danebengegangen. Für sie ist das pathetische Schwadronieren von Krachts Hauptfigur lediglich "grauenhafter Rollenprosakitsch" und "Imperium" gedrechselter Quatsch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.02.2012

Hellauf begeistert ist Christopher Schmidt von Christian Krachts viertem Roman "Imperium", den er gleich für seinen "besten" hält. Der Autor erzählt darin vom historisch verbürgten August Engelhardt, der 1902 auf eine Südseeinsel auswanderte, wo er als radikaler Vegetarier einen Kokusnussorden gründete. Dass der Georg Diez im Spiegel dem Autor, der den antisemitischen, Nudismus und Vegetarismus predigenden, völlig verrückten Romantiker Engelhardt und Hitler engführt, rechtes Denken unterstellt, findet Schmidt völlig abwegig (nicht namentlich, aber unverkennbar bezeichnet er ihn als "Deppen"). Schmidt jedenfalls sieht in dem Werk eine - von einer gediegenen Thomas-Mann-Figur erzählte - beißende Parodie, ein "hochartistisches, auch manieriertes Erzählexperiment". Als schlechterdings genial bejubelt er Krachts Einfall, das 20. Jahrhundert auf einem Nebenschauplatz zu beleuchten.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.02.2012

Nach der Lektüre von Christian Krachts neuem Abenteuerroman "Imperium" schwärmt Rezensentin Felicitas von Lovenberg: So locker und freudvoll las sich der Autor noch nie. Sie begleitet hier Krachts kauzigen Protagonisten, den Nürnberger August Engelhardt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Kokosnussplantage im damals kolonialisierten Deutsch-Neuguinea erwarb und erlebt ihn bei einem Prozess der Vereinsamung und Entfremdung, der in zunehmender Regression mündet. Der begeisterte Nudist beginnt schließlich wieder am Daumen zu lutschen, der ihm jedoch bald auf Grund einer Leprainfektion abfällt, berichtet Lovenberg. Sie liest aber nicht nur eine Kolonialismusgeschichte in der Tradition Mark Twains oder Joseph Conrads, sondern folgt Krachts Sonderling auch bei seinen Ausflügen nach Deutschland, auf denen er Thomas Mann oder Hermann Hesse begegnet und schließlich den sich ausbreitenden Antisemitismus und die Anfänge des Zweiten Weltkrieges erlebt. Trotz dieses Rückblicks auf die dunklen Kapitel deutscher Geschichte hat die Rezensentin einen überaus heiteren Roman gelesen, in dem Kracht nicht nur den Mut zu ironischer Distanz und literarischer Freiheit aufbringe, sondern vor allem durch seine "prunkend exquisite" Sprache besteche.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.02.2012

Nach einem umfassenden Überblick zu Werk und Rezeption Christian Krachts, der schließlich in eine Besprechung zu dessen viertem Roman "Imperium" mündet, stellt Rezensent Andreas Fanizadeh zwischen Ernüchterung und Enttäuschung fest: Der Autor, den er einst für seinen rebellischen Snobismus schätzte, ist zu einem Spießer voller "blasierter Dünkelhaftigkeit" geworden. Denn die einstige Schärfe des Autors erschöpfe sich in seinem neuen Roman darin, dass er seinen Protagonisten August Engelhardt, der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eine Kokosnussplantage auf einer Insel vor Neuguinea erwarb, mit Hitler-Attributen ausstatte. Ansonsten liest der Kritiker in diesem Imperialismus-Roman nur fade Reiseprosa, wie sie auch "Pauschalreisende" verfassen könnten. Auch Krachts Versuche, das wilhelminische Deutschland mittels Sprache wiederauferstehen zu lassen, erscheinen dem Kritiker beinahe "qualvoll". Nach der Lektüre dieser "als Klamotte angelegten Südseeballade" stellt der Rezensent mit Bedauern fest: "Schade, da war mal mehr drin".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.02.2012

Begeistert ist Adam Soboczynski von Christian Krachts lange angekündigtem Kolonialroman "Imperium", den er für dessen bisher besten hält. "Existenzieller Schmerz" sei hier einer "gut gelaunten Erzähllust" gewichen, und das beeindruckt den Rezensenten sehr, der hier nicht nur Anklänge an Mann, Kafka und Hesse fand, sondern auch an Fontane oder Keyerling und mitunter auch an den etwas überkandidelten Ästhetizismus eines Oscar Wilde. Kracht erzählt "mit aufreizend ausgeruhtem Duktus" die - auch durch den ZDF-Historiker Guido Knopp bekannte - Geschichte des deutschen Apothekers und Lebensreformers August Engelhardt, der in der Südsee ein Erstes Reich der Kokosnuss gründete, bis all seine Anhänger an Unterernährung zugrunde gingen oder Kannibalen wurden. Kann schon sein, dass diese "kaputte Südseefantasie" mit deutscher Geistesgeschichte etwas überfrachtet sei, räumt Soboczynski ein, hält dies aber für beabsichtigt.