Robert Menasse

Die Vertreibung aus der Hölle

Roman
Cover: Die Vertreibung aus der Hölle
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am main 2001
ISBN 9783518412671
Gebunden, 494 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Was ist aus uns bloß geworden? Bei einem Klassentreffen, 25 Jahre nach dem Abitur, herrscht fröhliche Selbstzufriedenheit ? bis Viktor seine ehemaligen Schulkollegen mit der Nazi-Vergangenheit ihrer Lehrer konfrontiert. Es kommt zu einem Eklat, der aus dieser Nacht eine Abenteuerreise in die Geschichte macht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.12.2001

Martin Luchsinger ist von dem Roman, den der Autor nach 6jähriger Pause veröffentlicht hat, völlig begeistert. Das Buch, in dem das Schicksal des Rabbis Samuel Menasse im 17. Jahrhundert mit dem Leben seines "entfernten Verwandten" Viktor Abranavel in den 60er und 70er Jahren und in der Gegenwart verknüpft wird, beeindruckt den Rezensenten durch seine "Vielschichtigkeit". Luchsinger stellt angetan fest, dass anhand der individuellen Geschichten der Hauptfiguren ganze Epochen in den Blick rücken. Dank der "detailgenauen, lebendigen" Darstellung werde das schwierige Leben des Rabbis ebenso greifbar wie die 60er und 70er Jahre, schwärmt Luchsinger. Er ist hingerissen von dem "ungewöhnlichen, höchst unterhaltsamen, aber auch unbequemen" Roman: Zweifellos sei dies das "bisher beste" Buch Menasses, erklärt er.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Im Großen und Ganzen ganz ist Iris Radisch angetan von Robert Menasses Familienroman, in dem es um einen Rabbi im 17 Jahrhundert und um einen seiner Nachfahren in der Gegenwart geht. Sie nennt das so entstandene Porträt einen "Glücksfall literarischer Ahnenforschung", obwohl sie im Detail doch ein paar Kritikpunkte hat. So. habe der Autor "die beiden Lebensberichte allzu brav aufeinander zugeschnitten", um die Parallelität der Biografien übersichtlicher zu gestalten. Diese Punkte fallen jedoch bei Radischs Gesamtbewertung nicht übermäßig ins Gewicht, nicht zuletzt "weil es möglich ist, Autoren auch für das zu loben, was sie sich vorgenommen haben, und nicht nur für das, was sie erreicht haben". Außerdem ist sie begeistert von Menasses philosophischem Background, den er - der ehemaliger Hegeldozent - in seiner Romane einflechte: "es liegt darin ... auch ein herzerfrischendes Beharren auf die großen geistigen Konflikte". Die, ziemlich deutliche "Fallhöhe" zwischen den beiden Teilen des Romans sieht Radisch - anders als einige andere Rezensenten, die diesen Umstand bemängelten - als eigentliche Stärke der Erzählung: "Die Trägodien ... kehren als Farce wieder" - und das könne man ja auch ein Zeichen von Fortschritt werten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.08.2001

Viele Vorschusslorbeeren gingen diesem monumentalen Roman von Robert Menasse, der sich unter anderem mit jüdischer Identität beschäftigt, voraus. Und obwohl der Rezensent Andreas Breitenstein sowohl das Erzähltalent als auch die sorgfältige Recherche und die Aufarbeitung historischer Bezüge lobt, ist der Roman für ihn doch kein funktionierendes Ganzes geworden. Zum einen bemängelt Breitenstein, "dass der Theoretiker Menasse dem Erzähler Menasse im Weg steht" und die erzählte Geschichte so an Überfrachtung und Konstruiertheit leidet. Zum anderen stört ihn, dass in diesem Buch "zwei ausgedehnte, nahezu vollständig durchgeführte und orchestrierte Bildungsromane" mit "Wucht und Komplexität, Tiefe und Dramatik" erzählt werden, dass der Autor aber am Projekt ihrer Verquickung scheitert und so kein Synergieeffekt entsteht. Das liegt Breitensteins Meinung nach daran, dass "Synergien [sich] weder mit biographischen Analogien noch mit einer simplen Spiegelkonstruktion herstellen" lassen und dass Menasse zu oft auf schlichte Effekte setzt. Den dritten Erzählstrang, der die beiden Geschichten verbinden soll, findet der Rezensent gründlich misslungen und befürchtet, dass der Roman als Ganzes, trotz lobenswerter Einzelelement an dieser versuchten Verbindung zerbricht. Breitenstein glaubt, dass der Autor daran scheitert, dass er "sich zu sehr in die Materie versenkt und dabei zu wenig in Betracht gezogen [hat], dass das Ästhetische dem Inhaltlichen keineswegs äußerlich ist." Trotz all dieser kritischen Einwände empfiehlt er immer wieder indirekt die Lektüre dieses Romans: "Menasse gelingt es, eine Schlüsselepoche europäischen Judentums zur lebendigen Anschauung zu bringen."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.08.2001

Was soll er machen, der Autor? Er ist nun mal ein glänzender Erzähler. Dass er als solcher einfach glänzend erzählen muss, wie Christoph Bertmann eingangs seiner Besprechung behauptet, ist ja gar nicht wahr. Bertram kommt selbst drauf, stößt in dem Buch (vornehmlich im Teil um den Rabbiner Manasseh) auf Sätze von einer Biederkeit, die er Menasse gar nicht zugetraut hätte, und ist am Ende heilfroh, dass der Band praktisch zwei Romane enthält. "Und einer davon wird im Gedächtnis bleiben." Es ist der "Abravanel-Teil" (Viktor Abravanel, der Held hier), der die Chose rettet: Dieser Teil, jauchzt Bartmann, birst schier von Schnurren und Sottisen, grotesken Ein- und Ausfällen, Kalauern und Kapriolen - eine Dynamik ist das! Ein Ideen- und Gedankenschwung, "wie man ihn in der Gegenwartsliteratur sonst kaum findet." Na bitte.
Stichwörter