John Le Carre

Marionetten

Roman
Cover: Marionetten
Ullstein Verlag, Berlin 2008
ISBN 9783550087561
Gebunden, 368 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Sabine Roth und Regina Rawlinson. Hamburg nach 9/11. Ein junger Moslem reist illegal über die Türkei und Dänemark nach Deutschland ein. Im Hamburger Stadtteil Altona bittet er eine türkische Familie um Hilfe. Nur langsam finden die verängstigten Gastgeber heraus, wer der Fremde ist und was er in der Hansestadt will. So beginnt John le Carres Roman über unsere Gesellschaft des Verdachts nach dem 11. September 2001. Die Bedrohung durch den islamistischen Terror wird zur Kulisse für ein skrupelloses Spiel der Geheimdienste.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.11.2008

Ijoma Mangold kennt niemanden, der die spezielle deutsche Mixtur aus "Beschaulichkeit und Verhängnis" insbesondere während des Kalten Krieges besser beschreiben kann als der britische Schriftsteller John Le Carre. Dessen 21. Roman spielt in der aufgeheizten Atmosphäre nach dem 11. September in Hamburg, und im Zentrum steht der illegal nach Deutschland gekommene junge Moslem Issa, der als Terrorverdächtiger in die Mühlen des britischen, amerikanischen und deutschen Geheimdienstes gerät, fasst der Rezensent zusammen. Grandios sieht der Rezensent geschildert, wie sich unter der Terrorangst eine ganz eigene "Sicherheitsbürokratie" und "Handlungslogik" entfaltet, in der rechtsstaatliche Grundsätze unterzugehen drohen. Dabei nehme Le Carre die Gefahr des "Dschihadismus" durchaus ernst, betont der Rezensent, der am Ende ob der bedrückenden und bedrohlichen Szenarien das Buch beklommen weglegt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.11.2008

Ebenso berührend wie herb desillusionierend findet Rezensentin Sylvia Staude diesen Spionageroman, zu dessen Held der Autor, wie sie schreibt, von dem viereinhalb Jahre in Guantanamo festgehaltenen Murat Kurnaz inspiriert worden ist. Thema seien "die Verwerfungen und bodenlosen Dummheiten im so genannten Kampf gegen den Terror", und zwar höchst plausibel, was aus Sicht der Rezensentin nicht allein dem Ton "lakonischer Ironie" zu verdanken ist, mit dem John le Carre sein beunruhigendes Gegenwartspanorama entfalte. Auch thematisiert das Buch Staude zufolge alles, was unsere Welt zur Zeit verdüstert, nämlich Vergewaltigung, Bürgerkrieg, islamische Frauenverachtung und Terror. Auch die Kämpfer gegen den Terror kämen schlecht weg. Alles laufe auf die Verantwortlichkeit des Einzelnen hinaus. Allerdings biete der Moralist le Carre nicht das Fitzelchen einer Hoffnung an.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.11.2008

Nicht erwärmen kann sich Rezensent Jörg Sundermeier für John le Carres Beitrag zum "9/11-Komplex", seinen in Hamburg spielenden Thriller "Marionetten". Der freundlichen Aufnahme des Romans durch die Kritik in Deutschland mag sich Sundermeier nicht anschließen. Schon weil ihm das Werk "schnell gestrickt" und wenig spannend scheint. Eine der Hauptfiguren, einen jungen, naiven Moslem, der nach Hamburg kommt und ein Geheimnis hat, für das sich sämtliche Geheimdienste brennend interessieren, findet er zwar gut konstruiert. Aber das kann das Buch in seinen Augen nicht retten. Besonders stört ihn die plane Schwarz-Weiß-Aufteilung, nach der alle Staaten verdächtig und die meisten handelnden Personen letztlich "freundliche Gutmenschen" sind. Zudem hält er die in die Dialoge eingebauten Erklärungen von politischen Gegebenheiten für ziemlich langweilig. Außerdem muten ihn die Geheimdienstler, die in dem Buch über die politischen Verhältnisse unterrichtet werden, wie "Volltrottel" an.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.11.2008

Als "Wunderstück literarischer Verführungskunst" feiert Rezensent Tobias Gohlis den 21. Roman von John le Carre. Die Verführung ist Gohlis zufolge besonders dem Protagonisten des Romans zu verdanken, einem jungen muslimisch-tschetschenischen Flüchtling, der nach Folterhaft nach Westeuropa gekommen ist - ein Held, der Projektionen auf sich ziehe, "wie ein Honigtopf die Fliegen". Mitleid, Ablehnung, lauter Gefühle, die der meisterhafte Erzähler sogleich im Sinne seines Plots instrumentalisieren würde. Jener Issa muss ein junger Fanatiker sein, der als V-Mann in Islamistenkreise eingeschleust werden soll. Rezensentendiskretion verbietet allzu umfängliche Information über den Verlauf der Geschichte. Doch Gohlis hochleidenschaftliches Zeugnis, das er von der Lektüre ablegt, zeugt von Spannung, emotionaler Verwicklung, kurz: einer ausgesprochen intensiven und lustvollen Lektüre.