Josef Winkler

Roppongi

Novelle
Cover: Roppongi
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783518419212
Gebunden, 130 Seiten, 16,80 EUR

Klappentext

"Als ich mich vor drei Jahren mit meiner Familie in Tokio aufhielt, wo wir im Stadtteil Roppongi wohnten", schreibt Josef Winkler über sein neues Buch, "starb im Alter von 99 Jahren mein Vater, der mir ein Jahr vor seinem Tod, nachdem er erfahren hatte, dass ich in meinem letzten Prosaband einem Bauern aus meinem Heimatdorf weder Kornblumen noch Pfingstrosen gestreut hatte, in einem kurzen, aber dramatischen Telefonmonolog mitteilte, dass, wenn es soweit sei, ich nicht zu seinem Begräbnis kommen solle. Als wir von seinem Ableben erfuhren, stand ich in der österreichischen Botschaft in Tokio vor einer wandgroßen Glasscheibe. Ich schaute hinaus auf einen Teich mit orangefarbenen Wakinfischen, als ein Reiher mit weit auseinandergebreiteten Flügeln am Rande des Teiches aufsetzte. Der tote Vater hat sich also, dachte ich in diesem Augenblick der Trauer und des Glücks, in der Gestalt eines weißen Reihers noch einmal bei mir blicken lassen, bevor er unter die Erde geschaufelt wird mit seinen langen, dünnen roten Beinen, mit seinem erdig gewordenen spitzen langen Schnabel, auf der Suche nach den Würmern seines zukünftigen Grabes in Roppongi. Sein Fluch war in Erfüllung gegangen; wir reisten nicht zurück, sondern blieben in Roppongi."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.12.2007

Obsessiv setzt sich der österreichische Schriftsteller mit dem Themenkreis Tod, Patriarchat, Verfall auseinander. So geht es auch im jüngsten Buch, der Novelle "Roppongi" um das Verhältnis des Erzählers, der Schriftsteller ist und auf einer Lesereise durch Japan vom Tod des 99-jährigen Vaters erfährt. Immer wieder muss der Erzähler, muss der Schriftsteller Winkler - die Rezensentin Pia Reinacher macht da keinen klar feststellbaren Unterschied - auf Tod und "Blut und Sperma" zurückkommen. Hier aber, in diesem neuen Buch, wird, so Reinacher, endgültig klar, dass es nicht zuletzt um einen Abwehrzauber, eine Bannung des Verdrängten durch Wiederholung und Nennung geht. "Raffininiert" findet sie die Gegenüberstellung von Tod in Österreich und indischen Todesriten. Und faszinierend findet sie, gar kein Zweifel, dieses Buch.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.11.2007

Auf gelungene Art misslungen scheint Rezensent Hans-Peter Kunisch Josef Winklers neues Buch zu finden, an das er sich in elyptischen Bewegungen heranschreibt. Zunächst rätselt er, in welches literarische Verkaufssegment er das Buch einordnen soll: Generationenhistorie, Vaterbeschimpfung, Buch über den Tod? Schwer macht die Einordnung auch, dass Winkler seine Geschichte an drei nicht nur räumlich weit voneinander entfernt liegenden Orten spielen lässt, in Indien, im bäuerlichen Kärnten und im japanischen Roppongi, wo der Autor, wie Kunisch schreibt, vom Tod seines Vaters erfährt. Kunischs Leseerlebnisse sind widersprüchlich. Da ist eine gewisse Begeisterung für den "verspielt-ironischen, sachlich-originellen" Beginn des Buchs zu spüren, für die interessanten Analogien zwischen dem "todessinnlich"-katholischen Kärnten und dem "siebenmal so todessinnlichen" Indien. Da hört man eine gewisse Genervtheit über das gelegentliche Überschreiten der Kitschgrenze durch diesen Autor heraus, über seine irritierende Unschlüssigkeit bei der Stoffauswahl. Da spürt man immer wieder Verwunderung über die grundsätzliche Sanftmut dieser Vaterbeschimpfung. Als Leser von Kunischs Kritik ist man daher neugierig auf dieses Buch und gewarnt vor ihm zugleich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.10.2007

Insa Wilke empfindet das Buch als Zäsur im Werk Josef Winklers, insofern, als Winkler nicht nur den Tod des Vaters thematisiert, sondern zugleich die "Zeit- und Raumschichten" seines bisherigen Schreibens wiederum miteinander verschichtet, um Befreiung von ihnen zu erlangen. Wenn Winklers erzählerische Mittel, die Selbstironie oder die Exaktheit der Komposition, der Rezensentin nun "in gedrosselter Form" begegnen, weiß sie: Die Winklers Werk befeuernde, mit der Kindheit und irgendwie auch mit dem Vater in Zusammenhang stehende Sprachlosigkeit ist überwunden. Dass dies nicht das Ende dieser Dichtung ist, weiß Wilke allerdings auch und freut sich drüber.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2007

Brillant findet Rezensent Paul Jandl Josef Winklers zwischen Essay und literarischem Text changierende Novelle, in der sich der Autor mit dem Tod des Vaters auseinandersetzt. Sie ist ein "Requiem" für den zeitlebens übermächtigen und schwierigen Vater, versammelt Erinnerungen an die Kindheit und spätere Reisen sowie poetologische Reflexionen und schneidet immer wieder Erfahrungen aus dem Tokioter Stadtteil Roppongi dazwischen, in dem sich Winkler befand als ihn die Nachricht vom Tod des Vaters erreichte, erklärt der Rezensent. Das Buch ziehe quasi Bilanz aus dem problematischen Verhältnis von Vater und Sohn und kreise, wie ja schon das bisherige Werk des österreichischen Autors, um den Tod. In sehr präziser Sprache und mit unfehlbarem Rhythmusgefühl zeigt Winkler, was Literatur für ihn bedeutet, nämlich den Tod zu bannen, die Lebensrettung durch das Schreiben, so Jandl fasziniert.
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