Ian Kershaw

Hitlers Freunde in England

Lord Londonderry und der Weg in den Krieg
Cover: Hitlers Freunde in England
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2005
ISBN 9783421058058
Gebunden, 528 Seiten, 39,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. Eine Darstellung Englands ambivalenter Beziehungen zu Deutschland in den Dreißigern und der fatalen Versuche einiger seiner hochrangigsten Vertreter, Freundschaft mit Hitler und seinem Regime schließen zu wollen. In Lord Londonderry, Cousin Churchills und zeitweise Mitglied des englischen Kabinetts, finden sich wie in einem Brennglas Motive und Hintergründe für die britische Appeasementpolitik versammelt. Ein Portrait von Hitlers Freunden in England und ihrem Verkennen der nahenden Katastrophe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.10.2005

Der britische Autor Ian Kershaw geht in diesem Buch über den Hitler-Bewunderer Lord Londonderry auch der Frage nach, warum in Großbritannien die Gefahr, die vom sich wiederbewaffnenden Deutschland ausging, lange ignoriert wurde, erklärt Martinus Schmidt. Londonderry, zeitweilig Luftfahrtminister, war nicht der einzige, aber der "ranghöchste britische Politiker", der die Nähe zu den Nationalsozialisten suchte, teilt der Rezensent aus dem Inhalt des Buches mit. Kershaws Lebensbeschreibung ist nicht nur das erste auf Deutsch erscheinende Werk, das sich intensiv mit Lord Londonderry beschäftigt, hebt Schmidt hervor, der Autor zeichnet hier auch ein "aufschlussreiches Porträt" der "stark verunsicherten englischen Aristokratie", so der Rezensent lobend.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.10.2005

"Eindrucksvoll" zeigt Ian Kershaw mit seinem Portät des hitlerfreundlichen Lord Londonderry nicht nur eine unter der englischen Aristokratie der dreißiger Jahre relativ weit verbreitete Haltung auf, meint Dagmar Pöpping, dem Historiker gelinge auch die "Elegie" auf den Niedergang der britischen Erbelite, die er nach eigenen Worten mit diesem Buch schreiben wollte. Kershaw glänze auch diesmal mit seinem "gut lesbaren Stil" und der "geschickten" Verzahnung von biografischen und soziologischen Elementen. Basis der Darstellung sind die unzähligen Briefe, die Londonderry nach seinem Scheitern als Luftfahrtminister 1935 an das politische Establishment Großbritanniens geschrieben hat, und in denen er sich für einen Frieden mit dem Dritten Reich aussprach. Erstaunt erfährt die Rezensentin, dass sich in England vor Kriegsausbruch anscheinend niemand Sorgen machte, dass Hitler sein radikales Vorgehen gegen angebliche Feinde im Inneren nicht auf der außenpolitischen Bühne wiederholen könnte. Pöpping empfindet für Lord Londonderry höchstens "Mitleid" und meist "Verachtung" und ist schließlich recht froh, wenn der Autor die sich wiederholenden Einlassungen des geschassten und gekränkten Politikers schließlich als "naives Wunschdenken" enttarnt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.10.2005

Der Rezensent Andrew James Johnston kann dieser neuen politischen Biografie, verfasst vom britischen Hitler-Biographen Ian Kershaw, nur bedingt etwas abgewinnen. Einerseits ermöglicht Kershaws neue Arbeit einen differenzierten Aufblick auf die britische Politik des Appeasements und deren historische Ursachen. Andererseits hat die Biografie einen wesentliche "strukturelle" Schwäche: der porträtierte Lord Londonderry, an dem Kershaw das Thema festmacht, ist eine historisch vergleichsweise marginale Figur, der nach seine Zeit als konservativer Luftwaffenminister von 1931 bis 1935 zunehmend ins politische Abseits geriet. So gesehen erfährt man mehr über eine gar nicht so bedeutsame Einzelperson, als man eigentlich wissen möchte. Trotzdem ist das Buch "nicht uninteressant", weil es dem Publikum erklärt, wie grundlegend "das Phänomen Hitler das politische Establishment Großbritannien überforderte".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2005

Als "große Studie" würdigt Martin Meyer dieses Buch über Lord Londonderry (1878-1949), das der englische Historiker Ian Kershaw vorgelegt hat. In einer recht umfangreichen Besprechung charakterisiert Meyer das Buch als Porträt Lord Londonderrys, eines Vertreters der britischen upper class und frühen Exponenten der Appeasement-Politik gegenüber Nazideutschland und Bewunderer Hitlers. Kershaw rekonstruiere die politische Biografie des erzkonservativen Lords vor dem Panorama der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs. Zudem zeige er, wie sich weite Teile der englischen Elite in Politik und Medien über Rolle und Absichten Hitlers in Illusionen ergingen. Ausführlich schildert Meyer die historischen Hintergründe, zeichnet Londonderrys Karriere nach und berichtet über seine Kontakte zu Nazigrößen wie Göring und Ribbentrop. Kershaws Studie über Londonderry zeichnet sich zur Freude Meyers durch dieselben Stärken wie dessen Hitler-Biografie aus - diese "fesselte mit einer Mixtur aus genauen Fakten, hellen Analysen und glänzend erzählter Geschichte".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.09.2005

So erschütternd er den Inhalt findet, so "anregend, ja bisweilen unterhaltsam" empfand Volker Ullrich die Lektüre von Ian Kershaws neuer Studie: "Hitlers Freunde in England". Mit dem "Stilmittel der feinen Ironie" nicht geizend, zeichne Kershaw, Verfasser einer monumentalen Hitler-Biografie, die ideell-politischen Anziehungen und Abstoßungen zwischen der britischen Aristokratie und Nazi-Deutschland nach, wobei ihm Charles Londonderry als exemplarischer Fall dient. Ein enger Bekannter des deutschen Außenministers Joachim von Ribbentrop, unterschätzte Londonderry lange die Aggressivität und Gefährlichkeit der nationalsozialistischen Bewegung. Nachdem es über die wahre Natur des Nationalsozialismus keine Illusionen mehr geben konnte, erfüllte Londonderry für die Öffentlichkeit die Rolle eines Sündenbocks. Dabei teilte er seine politische Kurzsichtigkeit mit berühmten Zeitgenossen wie dem Ex-Premier David Lloyd George oder Lord Rothermere, Besitzer der "Daily Mail". Besonderen Dank verdient nach Ansicht des Rezensenten die Tochter Londonderrys, die die peinlichen Papiere ihres Vaters ohne Zensur der historischen Forschung zugänglich machte; der größte Dank aber geht natürlich an Kershaw, der "britische Geschichtsschreibung vom Besten" abgeliefert hat.