Toni Morrison

Liebe

Roman
Cover: Liebe
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004
ISBN 9783498044947
Gebunden, 256 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Thorsten Piltz. In einem vielfältigen, fast ein Jahrhundert umspannenden Geflecht aus Szenen erzählt "Liebe" von den Frauen, die von Bill Cosey besessen waren - oder es noch sind: May, Pfarrerstochter und ein bisschen etepetete. Christine, ihre Tochter, verstoßen in die Arme vieler Männer, doch nach Bills Tod zurückgekehrt in sein verlassenes Strandhotel. Heed, mit elf von Cosey zu seiner Frau gemacht und vor allen Gästen übers Knie gelegt, nun mit Christine unter einem Dach, vereint in Bosheit und Hass.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.03.2005

Rezensent Jochen Jung hält Toni Morrison zweifelsohne für eine "große" Autorin; ihr neuer Roman zum Thema Liebe jedoch scheint ihm nicht besonders "aufregend". Zwar zeige die Geschichte eines Strandhotelbesitzer und der Frauen, die ihn liebten, deutlich die "brillante Handwerkskunst" der Autorin, doch ihr stilistischer Glanz wirke mitunter wie "Politur". Morrisons Ausflüge in die Vergangenheit verlangen dem Leser nämlich nicht nur ein "gutes Gedächtnis" und die Fähigkeit zum "detektivischen Mitdenken" ab, sondern halten ihn in der Position dessen, der von den Figuren stets weniger weiß als die Autorin. Ein bisschen mehr vom Stil William Faulkners hätte sich der Kritiker von Morrison gewünscht: der nämlich verstand es, seinem Publikum das Gefühl zu geben, "gemeinsam" mit ihm einem "Rätsel auf der Spur zu sein".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.12.2004

Komplex, polyphon, faszinierend - Maike Albath sieht Toni Morrison in ihrem neuesten Roman auf der Höhe ihres gewaltigen literarischen Vermögens. Im "schillernden Geschichtengewebe" von "Liebe" sind afroamerikanische Geschichte, das Thema der "archaischen Kraft des Hasses" und die Frage nach der "Entstehung von Macht und Gewalt" virtuos miteinander verflochten, befindet die Rezensentin. Mittelpunkt der Imagination der Figuren - "erotisches Zentrum und Ursprung allen Hasses" - ist der lange verstorbene Patriarch Bill Cosey, der zur Zeit der Rassentrennung eine schwarze Stadt zur vollen Blüte separatistisch- bürgerlicher Ideale führte. Er wurde von Frauen überlebt, seiner Köchin, seiner Enkelin und seiner Witwe, allesamt hochbetagt, die Jahrzehnte später noch immer um sein Vermächtnis kreisen - bis eine junge Frau "das chronifizierte Gefüge ins Wanken" bringt und die Erzählung auf den Kurs zum Zentrum des Geheimnisses von Coseys Tod bringt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.10.2004

Zunächst liest sich ihre Rezension, als müsse sie sich selber langsam an das Buch herantasten, doch dann formuliert Susanne Messmer ihr positives Fazit der Geschichte einer lebenslangen, aber schwierigen Liebe zwischen zwei Frauen recht kategorisch: "Wem das zu gefühlig ist, der ist zu bedauern." Ihrer Meinung spendet diese Liebesgeschichte nicht nur dem Leser Vergnügen, sie sorgt auch dafür, dass der Roman, bei dem es, wie so oft bei Toni Morrison um die "unüberbrückbare Kluft zwischen Mann und Frau, zwischen Arm und Reich und Schwarz und Weiß" geht, nicht zu einer "larmoyanten Opfergeschichte" wird, in der einer der Böse sein muss. Ein weiteres Thema des Romans - wohl nicht zuletzt wegen des hohen Alters seiner Protagonistinnen - ist der "schwierige Prozess des Erinnerns", und dem nähert sich Toni Morrison mit "geschickten Enthüllungstaktiken und Spiegelungen". Nach Meinung der Rezensentin handelt es sich um einen Roman, in den es sich wunderbar "abtauchen" lässt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.09.2004

An der Kunstfertigkeit der Autorin besteht für Angela Schader auch angesichts dieses etwas schwächeren Buches kein Zweifel. Toni Morrison bediene sich einer "raffiniert verzögernden Enthüllungstaktik", erzähle ihre Geschichte mit "Verspiegelungen und Schichtungen". Dazu gehört die Doppelung der Erzählinstanz in eine äußere, namenlose, distanzierte einerseits und eine Figur namens "L" andererseits - bei ihr handelt es sich um eine ins Geschehen integrierte Dienerin des Strandhotels, das den Schauplatz der Geschichte abgibt. Der Roman erstreckt sich über Jahrzehnte, beginnend in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts und in den neunzigern endend. Erzählt wird von einer Freundschaft zweier Mädchen, die in Feindschaft umschlägt. Bill Cosey, der Großvater der einen, wählt sich die andere zur Braut, als sie elf ist. Der Rest der Geschichte ist Martyrium, erlitten wird es von den Frauen im "Bannkreis" Bill Coseys, die sich unter seinem Einfluss das Leben zur Hölle machen. Nicht ganz plausibel, bedauert die Rezensentin, wird dieser Anti-Held, es fehle ihm an "Kontur" und "Gewicht". Es bleibt dennoch nicht wenig: Vielleicht keine "Tiefe", aber doch ein "Sog", vielleicht kein schlüssiges Gesamtbild, aber doch beeindruckende "Einzelporträts".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.09.2004

Ein großes amerikanisches, aber kein gutes deutsches Buch hat Burkhard Müller gelesen, als er sich Toni Morrisons neuen Roman "Liebe" vornahm. Die Schuld daran lastet er dem Übersetzer Thomas Piltz an. Der macht nach Ansicht des Rezensenten in seiner Übertragung so ziemlich alles falsch, was man bei einer Übersetzung aus dem Amerikanischen falsch machen kann. Von dem (verzeihlichen) Unvermögen, die Alltagssprache der Afroamerikaner im Deutschen nachzubilden, erstreckt sich die Liste der Vorwürfe über Uneleganz bis zu schierer Unlogik. Dabei hat Morrison thematisch einiges zu bieten, meint der Rezensent: Sie erzählt, wie zwei schwarze Frauen durch ihren unauslöschlichen Hass unauflöslich aneinandergekettet werden. Morrison berichtet, so Müller, unter dem also nur ironisch zu verstehenden Titel "Liebe" von der "Unerbittlichkeit der Machtverhältnisse", vom unvermeidlichen Kampf "Frau gegen Mann, Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich." Behandelt wird also die Frage nach der Gleichstellung - ob nun rassisch, sozial oder geschlechtlich.
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