Norbert Scheuer

Flussabwärts

Roman
Cover: Flussabwärts
C.H. Beck Verlag, München 2002
ISBN 9783406493126
Gebunden, 150 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Leos Eltern besaßen eine Wirtschaft in Kall in der Eifel, die sich nicht rechnete. Um die Schulden zu bezahlen, arbeitet die Mutter jetzt in einer Kantine am Ort und kellnert im Gasthaus, das ihnen einmal gehörte. Der Vater ist auf Montage. Leo hat die Schule verlassen und arbeitet als Hilfsarbeiter im Zementwerk, er hat ein Verhältnis mit Ingrid, die verheiratet ist und ihn hinter den Müllcontainern liebt. Leo ist ständig müde. Er sieht Lia, die früher in der Wirtschaft der Mutter half. Lia, die er liebt, die mit einem Verkäufer wegging und sich ein Kind machen ließ. Er sieht, wie sie mit der kleinen Clara zurückkommt und Hilbert heiratet, wie diese Ehe scheitert und Lia andere Männer hat, Clara eines Tages etwas zustößt und Lias Hut im Fluss treibt, neben dem die Jungs Fußball spielen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.09.2003

Starker und manchmal schwer zu konsumierender Stoff, der wenig Identifikationspunkte bietet: so kann man die Meinung des Rezensenten Martin Krumbholz über diesen Roman zusammenfassen. Kein Wunder, wird man doch Zeuge, "wie die Welt des Ich-Erzähler im Stillen verwest, während er dabei zusieht, wie die sozialen Strukturen um ihn herum zu Trümmern zerfallen". Der Leser sollte also einiges ertragen können. Auf formaler Ebene hat Krumbholz kaum Einwände, seiner Ansicht nach ist "der Roman doch souverän komponiert". Auch die etwas unvirtuose Sprache will Krumbholz dem Autoren Norbert Scheuer, im Brotberuf Systemprogrammierer, nicht wirklich zum Vorwurf machen, denn sie korrespondiert mit dem Inhalt: "Als hätte die Plumpheit des Liebhabers auch die Sprache des Erzählers infiziert." Ob man mit dem Inhalt glücklich wird, liegt wohl allein beim Leser, der ein paar Zumutungen ertragen können muss: "Alle Affekte sind disparat und inkompatibel, und der stärkste Affekt ist nicht die Liebe, sondern der Hass aus enttäuschter Liebe". Glücklich wird das Buch Krumbholzs Meinung nach jedenfalls kaum jemand machen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.12.2002

Der Rezensent findet nur "einen einzigen Einwand", der aber gleichzeitig "mit einem Lob zusammenfällt": Scheuers "Eifelroman" erreiche am Ende "eine enorme Geschlossenheit". Denn in der Geschichte um ein Dorf in der Eifel, die aus der Perspektive des sich "tumb" stellenden 17-jährigen Leo geschrieben ist, und die eine "eng", aber dafür "klar" umgrenzte Welt, in der alles "Rand" sei, und nichts "Zentrum", geben sich der "Untergang" und das "Weiterleben" die Hand. Dies äußere sich auch in der ausdrucksstarken "Topografie" der Schauplätze: der Steinbruch, die stillgelegten Bahngleise und mittendrin der kleine Fluss, seien Ausdruck dieser trostlosen und doch fortbestehenden Randhaftigkeit. Scheuer arbeite überhaupt enorm mit "Landschafts-, Orts- und Raumbeschreibungen, mittels Wetter- und Lichtverhältnissen", und es kommt dem offensichtlich beeindruckten Rezensenten vor, "als ob sich das Universum an diesem einen Ort verdichtet, um die Ereignisse mit Druck aus sich herauszupressen". Auch zeichne Scheuer seine leidenden, aber keinesfalls im klassischen Sinne "tragischen" Figuren "ohne Pathos" und "ohne Ironie", dafür aber mit einer für den Rezensenten bewundernswerten "Naivität", in der sich die Barmherzigkeit des Nicht-Richtens äußere.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2002

Kein Glück, nirgends, in Norbert Scheuers Roman einer Jugend. Erzählt wird er als Rückschau des gealterten Leo, der von seiner Mutter erzählt und dem Mann, mit dem sie seinen Vater betrügt. Von Lia, der geheimnisvollen Freundin, deren Tochter einen Unfall hat. Und von der Katastrophe, über deren genaue Gestalt der Rezensent Niklas Bender nichts weiter verrät. Gefallen hat ihm das Buch, wenn auch mehr im Ganzen als in manchem Detail. Bei aller Glaubwürdigkeit, die Schilderung der Charaktere und ihrer Welt betreffend, geraten nämlich, bemängelt Bender, gelegentlich "psychologisierende Kommentare und ungenaue Bilder" in den Text, die den positiven Gesamteindruck trüben. Der Rezensent hält es nämlich, ganz apodiktisch, mit Flaubert: an keiner Stelle darf es der Autor, aus wessen Perspektive auch immer erzählt wird, an der "sprachlichen Kraft" der Beschreibung fehlen lassen. Ein besserer Lektor, meint Bender, wäre hier hilfreich gewesen.
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