Marcus Jensen

Oberland

Roman
Cover: Oberland
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783627001049
Gebunden, 506 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Jens Behse heißt der junge Held des Romans "Oberland", der Anfang der siebziger Jahre mit einer turbulenten Überfahrt nach Helgoland beginnt und 1989 mit einem inszenierten Selbstmord vor dem Hamburger Rathaus endet. Behse, im ersten Kapitel sechsjährig, kommentiert furios eine Urlaubsreise nach Helgoland. Der Mittelteil erzählt vom vierzehnjährigen Lulatsch und seiner bis auf die Knochen bürgerlichen Lehranstalt, von den "Egaljungen" und "Füllmädchen" seiner Klasse, von den berüchtigten "Alphatieren", die ihn nur als Briefchenträger wahrnehmen. Und von einem beeindruckend korpulenten und frühreifen Mädchen, das seinen Mitschülern erste erotische Erlebnisse verschafft. Für seine politisch überkorrekten Eltern und deren 68er-Mief hat Jens Behse nur beißenden Spott übrig. Seine wohlstandsgesättigte, gleichgültige Umwelt hält für ihn nur ein Leben voller Bedeutungslosigkeit bereit. Die Todessehnsucht bleibt Jens Behses beherrschendes Lebensgefühl, der Tod ist sein einziges wahres, unumstößliches Ziel.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.07.2004

Hans Christian Kosler ist außerordentlich beeindruckt von diesem Roman, dessen Geschichte stark verwoben ist mit den Kindheits- und Jugenderinnerungen des 1967 in Hamburg geborenen Autors Marcus Jensen. Vor allem die frühen achtziger Jahre arbeite Jensen "soziologisch und sprachlich perfekt" auf. Dennoch ist dies keins der eher belanglosen Retrobücher, wie sie Florian Illies mit seinem "Generation Golf" in Mode gebracht hat, erklärt Kosler. Das liegt wohl an der Hauptperson: der Schüler Jens blickt als Toter auf sein Leben zurück, erzählt wie es war, kommentiert, greift der Geschichte vor und steckt zugleich immer noch mittendrin, erzählt der faszinierte Rezensent. Dieses Schwanken "zwischen direkter Rede und gesprochenem Gedachten" ist "ebenso verzwackt wie raffiniert", schreibt Kosler, der offensichtlich findet, dass die Lektüre die Mühe wert ist. Jens' langer Monolog richtet sich übrigens an eine Adressatin, erfahren wir noch: an eine Schülerin, die sich prostituiert und später umbringt. Ihr Übergewicht kommentiert sie mit dem Satz: 'Fett ist man erst, wenn man gemütlich am Strand liegt und plötzlich von Greenpeace ins Wasser gerollt wird.' Der Roman hat den Kosler vor allem eins gelehrt: auch die Sinnkrise der 78er kann für die Literatur fruchtbar gemacht werden - wenn man sie wie Jensen mit "Zorn, Witz und genauem Hinsehen deutlich macht".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.04.2004

Kai Martin Wiegandt ist angesichts dieses Romans in seinem Urteil hin und her gerissen. Erst einmal stellt er fest, dass "Oberland" zu dem zur Zeit "sehr beliebten Genre" Jugenderzählung gehört, die die 70-er und 80-er Jahre aus Sicht eines Erzählers wiedergeben. Der Roman ist in drei Teile gegliedert, in dem der Junge Jens Behse mit seinen Eltern nach Helgoland fährt, dann als Jugendlicher von seiner Schulzeit berichtet und schließlich von seinem Leben bis zu seinem Selbstmord erzählt, erklärt der Rezensent. Die Perspektive ist insofern besonders, so Wiegandt, weil die Hauptfigur aus dem Jenseits nach seinem Tod berichtet und sein Blick auf das Leben durchweg negativ geprägt ist. Was dem Rezensenten einige Bewunderung abringt, ist die außerordentlich lebendige Erzählweise Jensens. Er findet es wirklich beeindruckend, "wie viel Strömungen" der Zeit Marcus Jensen sehr detailliert und genau in seinem Buch aufgreift. Aber hier liegt für den Rezensenten auch das Problem des Romans: für sein Gefühlt klaffen "Sprache und Inhalt" weit auseinander und er fragt sich, zu welchem Zweck einige Einzelheiten derart detailgetreu und eingehend geschildert werden.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.03.2004

Dass man jemanden in den Himmel loben kann, der das Wesen der Hölle beschreibt, zeigt Gerrit Bartels in seiner Rezension des neuen Buchs von Markus Jensen. Dessen Roman erzählt die Geschichte einer Kindheit und Jugend zwischen Helgoland, Pinneberg und Hamburg und vom Selbstmord des Protagonisten. "Literarisch ambitioniert" sei Jensen, der auf Sentimentalitäten völlig verzichte. Die guten Zeiten erwähne er nicht, er schreibe vielmehr "unsentimental", "böse und tiefschwarz". Jensen folgt keiner "echten Romanhandlung", so unser Rezensent, sondern packt lieber "Detail auf Detail" in eine "ambitioniert vertrackte" Erzählkonstruktion. Dabei lasse er "fast streberhaft" nichts an Schrecklichkeiten aus, die seinem Helden geschehen. Das Ergebnis ist dennoch ein Roman mit "Modellcharakter", der nicht nur ein "Requiem" auf eine verlorene Generation, sondern auch "fulminante Antwort" auf alle "eindimensionalen" Generationsbücher der letzten Zeit ist, lobt Bartels. Alle Illies, Marquardts oder Jochimsens" dürften sich angesprochen fühlen.
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