Katrin Askan

Aus dem Schneider

Roman
Cover: Aus dem Schneider
Berlin Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783827003584
gebunden, 300 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Dreieinhalb Stunden bevor sie, in einem Kofferraum versteckt, in den Westen zu gelangen versucht, geht Judith noch einmal durch die Räume des Hauses, in dem sie aufgewachsen ist. Allein in ihrem Elternhaus, das inzwischen vom Staat konfisziert wurde, nimmt Judith Abschied von den einzelnen Zimmern und von den Gegenständen, die ihren Alltag prägten. Dabei muß sie unweigerlich an die Geschichten denken, die sich mit ihnen verbinden. Judiths Großvater, hatte einst die Wahl zwischen zwei Grundstücken, eines im Westen und eines im Osten Berlins. Durch Zufall entscheidet er sich für letzteres.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.07.2000

Alles in allem ist Nicole Henneberg sehr angetan von dem dritten Roman Askans. Durch die sachliche Sprache und die Konzentration auf die körperlichen Symptome, werde "bildhaft und dicht" die schwierige Situation der Erzählerin in der DDR geschildert, von der die Rezensentin annimmt, dass sie biografische Züge trägt. Die "Sogwirkung", die der Roman entfaltet, verdankt sich dabei vor allem der großen Intensität seiner Protagonistin, so die Rezensentin anerkennend. Den zweiten Erzählstrang allerdings, der die Geschichte der Großeltern seit 1936 rekapituliert, kritisiert sie als zu "stereotyp und klischeehaft". Dieser Mangel werde jedoch aufgehoben, wo sich die Erzählstränge treffen, denn nun schält sich ein "Familientrauma" und seine Entstehung heraus, so die beeindruckte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.05.2000

Die Stärke des Buches liegt nach Gerhard Schulz in erster Linie in den "Miniaturen, Beispielen von Mut und Feigheit, Hoffnung und Verzweiflung". Dabei scheint er etwas überrascht, wenn er feststellt, dass nicht die Bedrohung durch die Stasi der eigentliche Grund für die Flucht in den Westen ist, sondern vielmehr ein Überdruss, ein Gefühl von deprimierender Eintönigkeit. So erscheint ihm die Protagonistin Judith weitaus weniger von "Konflikten (...) zerrissen" als beispielsweise die Figuren aus Christa Wolfs Buch "Der geteilte Himmel". Etwas gestört fühlt sich Schulz von "Pauschalem und Ungenauem", etwa da, wo von Konserven aus West-Paketen die Rede ist (Konserven waren in diesen Paketen verboten), oder dort, wo der Eindruck entsteht, alte, kranke Menschen müssten ausgerechnet in der DDR bis zum "Umfallen" arbeiten. "Ein Sanatorium war der `Westen` nun wohl auch nicht einzig und allein", meint Schulz dazu.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.05.2000

Hajo Steinert findet es mutig, dass Askan über eine Flucht aus der DDR schreibt: Damit breche die Autorin "ein literarisches Tabu", denn die Literatur habe dieses Thema bis heute den bunten Illustrierten überlassen. Gleichzeitig ist Steinert froh, dass die Autorin auch noch anderes erzählt: In den drei Stunden vor ihrer Flucht wandert sie durch ihr Haus und denkt an ihre Familie - dies gebe einen Reigen von Familiengeschichten, die "im Kontext der totalitären Epochen in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts" stehen, wie Steinert es ausdrückt. Das ist "gekonnt", lobt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2000

Diese Geschichte einer Flucht aus dem leerstehenden Familienhaus in der DDR ins "leuchtende" West-Berlin hat den Rezensenten Eberhard Falcke sichtlich fasziniert. In den höchsten Tönen lobt er vor allem Askans nüchterne, aber "treffsichere" Prosa und die Art und Weise, wie sie die Verwobenheit persönlicher Lebensgeschichten mit der großen Geschichte darstellt. Auch wie Askan das Problem der Frauenfiguren mit dem Schritt in die Freiheit schildert, während er den Männern leichter zu fallen scheint, gefällt dem Rezensenten, weil Askan in ihrer Knappheit über alle Klischees von Geschlechterrollen erhaben sei.
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