Karl-Heinz Ott

Endlich Stille

Roman
Cover: Endlich Stille
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005
ISBN 9783455058307
Gebunden, 208 Seiten, 17,95 EUR

Klappentext

In Straßburg steht am Bahnhofsausgang plötzlich dieser Mensch neben dem Erzähler ("Suchen Sie auch ein Hotel?") und will ihm nicht mehr von der Seite weichen. Von Stund an wird der Basler Philosoph (Spinoza-Spezialist) von diesem Schwadroneur und angeblichen Musiker (wankelmütiger Schubert-Verehrer) so lange belagert, tyrannisiert, unter den Tisch getrunken und an die Wand geredet, bis es nur noch einen schrecklichen Ausweg gibt...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.09.2005

Angelika Overath ist begeistert von diesem Roman, wie die meisten Kritiker zuvor. Karl-Heinz Ott ist, befindet sie, ein "furioser Autor", großartig im Einfangen von Atmosphären, im Beschreiben von unterschiedlichsten Orten. Überzeugend geschildert findet sie auch den Plot vom aufdringlichen Musiker, den der Held, ein Spinoza-Experte nicht mehr los wird. Irritierend aber ist es, so Overath, dass die bisherigen Rezensenten sich gar nicht weiter um den Mord gekümmert haben, der zuletzt geschieht. Kann es denn sein, dass am Ende der Erzähler als Täter wirklich so "souverän" dasteht, wie die Kritiker das sehen wollten: "Und darüber wäre doch zumindest einmal zu reden gewesen, zwischen Dostojewski und Dürrenmatt." Overath weist darauf hin, wie subtil die zunehmende Angleichung der beiden Figuren dargestellt ist, auch darauf dass der Name des Bedrängers - Friedrich Grävenich - ja gleich zweimal das "Ich" enthält, das bedrängt wird. So wird für sie das Buch am Ende lesbar als die Geschichte einer "Bedrohung durch sich selbst".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2005

Ulrich Rüdenauer hat durchaus gelitten bei der Lektüre des zweiten Romans von Karl-Heinz Ott. Die Erzählung handelt von einem Philosophie-Professor, der von einem distanzlosen, penetranten Menschen angesprochen und fortan nicht mehr in Ruhe gelassen wird. Das Leben des Professors gerät völlig durcheinander, seine berufliche Stellung wird ebenso bedroht wie sein "Lebensentwurf" überhaupt. Dem Roman gelingt es, die "Qual abzubilden", die der Protagonist erfährt, der Alptraum zieht sich über viele Seiten hin und lässt auch den Leser wünschen, der Professor möge den ungeliebten "Freund" abschütteln, notiert der Rezensent beeindruckt. Wenn die Hauptfigur allerdings Anstalten macht, wieder Kontrolle über das eigene Leben zu gewinnen, gewinne auch die Handlung an Tempo. Ott erzählt die alptraumhafte Entwicklung, die zunehmend ins Absurde kippt, in "durchdachter, wenig aufgeregten Sprache". Dennoch spiegele sich darin die "innere Rasanz" und steigende Intensität der Ereignisse, staunt Ott. Ingesamt hat der Autor seiner Geschichte eine adäquate Form wie auch einen besonderen Ton zu geben gewusst und mit dem aufdringlichen Fremden das "Fremde im eigenen Selbst" beeindruckend gestaltet, lobt Rüdenauer abschließend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2005

Ein "sehr gut" vergibt Kristina Maidt-Zinke schon im Untertitel ihrer Besprechung von Karl-Heinz Otts neuem Werk, und dem ist viel hinzuzufügen. Der "kleine Roman" handelt von der Sehnsucht nach dem Schweigen, ist dabei selbst "durchaus redselig", enthalte aber "freilich kein überflüssiges Wort" und besitze eine "soghafte Zielstrebigkeit", die die Rezensentin eher an eine Novelle erinnert. Ott erzählt, wie ein Philosophieprofessor eine unleidige Reisebekanntschaft nicht mehr abschütteln kann, die erst lästig, dann existenzbedrohend wird. Der anfangs bloß "kluge und komische" Text schlägt dann ins "Surreal-Bedrohliche" um, ohne dabei aber seine Logik zu verlieren. Für den "Kunstgriff", Schuberts "Wandererfantasie" als stilistisches Leitmotiv zu verwenden, das bis in "kompositorische Details" durchdringt, verzeiht Maidt-Zinke dem Autor auch einige "Stilmarotten" wie etwa die "fast parodistischen" Bemühungen, andere Ausdrücke für "sagen" zu finden. Maidt-Zinke freut sich schon auf das nächste Werk Otts, hofft aber, dass er nicht mehr sieben Jahre dafür braucht.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.02.2005

"Was diesen heiter-bedrohlichen Roman über die Macht der Diskurse und die Ohnmacht der verhinderten Neinsager zu einem staunenswerten Sprachkunstwerk macht, ist seine subtile musikalische Architektonik." Schreibt Rezensent Michael Braun, der sich in selbiger verlor und gar nicht anders konnte, als mit den Augen eines verschnarchten und zunehmend panischen - vor allem aber: konfliktscheuen - Basler Spinoza-Experten eine Geschichte zu erleben, die harmlos beginnt und zum Äußersten führt. Der Philosoph trifft auf einen Fremden von "rabulistischer Erbarmungslosigkeit", der des Professors Unfähigkeit zum Neinsagen ausnutzt, sich alsbald bei ihm einnistet und ihn in immer größere existenzielle Verzweiflung treibt. Und da, so der Rezensent, kommt die Form ins Spiel, Karl-Heinz Otts "hoch elaborierte Gedankenmusik", inspiriert von Schubert: Sie ziele "mit ihren oft weit ausgreifenden Satzperioden und Konjunktivkonstruktionen auf solche Entgrenzungs- und Schwebeeffekte, die den Helden aus seinen lebensweltlichen Verankerungen heben und in den Abgrund der Desorientierung stoßen". Und den Leser gleich mit. Kurzum, so der Rezensent: ein großartiger Roman mit enormer Gedankenfülle, das Zeugnis einer hohen sprachlichen Begabung. Spannend, komisch, grausam. Und zudem eine "Liebeserklärung" an Otts "alemannische Heimat" - Rheinknie, Basel, Straßburg.
Stichwörter