Henner Voss

Vor der Reise

Erinnerungen an Bernward Vesper
Cover: Vor der Reise
Edition Nautilus, Hamburg 2005
ISBN 9783894014551
Gebunden, 77 Seiten, 14,00 EUR

Klappentext

1961 besuchen Bernward Vesper und Henner Voss gemeinsam die Buchhändlerschule in Rodenkirchen bei Köln. Es entwickelt sich eine Freundschaft, die bis Januar 1965 anhält. Beide tauchen in das literarische Milieu ein, schreiben. Bernward Vesper betreibt zusammen mit Gudrun Ensslin einen literarisch ambitionierten Verlag: studio neue literatur, bei dem Henner Voss Berater und Mitarbeiter wird. In einer kleinen Wohnung in Kreuzberg lernt Henner Voss seinen Freund aus nächster Nähe kennen.
Neben der Schilderung der nicht nachlassenden Versuche, in der Literaturszene beachtet zu werden, zeichnet Henner Voss die mentalen Auswirkungen der Nachkriegszeit auf die jungen Intellektuellen nach. Der Vater des Freundes war der Nazidichter Will Vesper, dessen Schatten der Sohn nicht entkommt. Henner Voss vermittelt das Porträt eines Freundes, der mit Wahnwitz und hochgradig angespannter Energie seinen Weg gesucht hat. Es ist ein sehr persönliches Bild von Bernward Vesper, von seiner Zerrissenheit und Egomanie. Detailaufnahmen aus einer Zeit der Ungeduld und des Aufbruchs.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.08.2005

"Überaus lesenswert" findet Rezensent Christoph Bartmann das vorliegende Buch, in dem Henner Voss seine kurze Freundschaft mit Bernward Vesper nachzeichnet, von der Begegnung 1961 bis zum Bruch 1965. Voss' Porträt des Schriftstellers hat den Rezensenten vor allem aufgrund seiner großen Beobachtungsgabe überzeugt. Voss notiere nicht nur Vespers zahlreiche "bizarre Sprachjuwelen", wie etwa den Ausdruck "Meine Divination ist?", sondern er finde auch selbst so einfallsreiche wie treffende Formulierungen für Vespers Eigenarten. So bezeichne er dessen Neigung zum Alkohol als Praxis der "Schluckimpfung". Eine Einordnung Vespers in den RAF-Kontext, so der Rezensent, ist Voss Sache nicht. Vielmehr beschreibe er Vesper aus eigenem Erleben heraus. Kurios und interessant findet der Rezensent, wie man in Voss' Schilderungen sowohl Vesper als auch seine Freundin Gudrun Ensslin noch "in verpuppter, fast kleinbürgerlicher Gestalt" begegnet. Von geradezu antiquarischem Wert sei dabei die Wiederauferstehung der in den frühen Sechzigern gebräuchlichen Sprache, die noch nicht vom ideologischen Dogmatismus der folgenden Jahre heimgesucht wurde.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.05.2005

Besonders gut kommt Gudrun Ensslin bei diesem Portrait ihres ersten Lebensgefährten, Bernward Vesper, nicht weg, verrät Gerd Koenen. Sie erscheine als "ironieresistenter" Blaustrumpf, zitiert er den Verfasser Henner Voss, einen Jugendfreund von Vesper. Vesper werde dagegen als "genialischer Exzentriker" vorgeführt, sagt Koenen, der seine persönlichen Unsicherheiten durch grelle Auftritte überspielt habe, während Freundin Gudrun als seine "fanatische Agentin" auftrat. Auch das wird stimmen, schmunzelt Koenen in sich hinein und betrachtet dieses lebendige, funkensprühende, anekdotenreiche Kurzporträt Vespers mitsamt seiner "seltsamen Gefährtin" als ein weiteres Puzzleteil bei der Identitätssuche jener 68er-Generation.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.03.2005

Friedhelm Rathjen mag es kaum glauben, dass dieser "spätpubertäre Aufschneider" mit seinem "hochnotpeinlichen Getue" zu einem Buch wie "Die Reise" fähig war. Henner Voss hat mit Vesper eine Wohnung geteilt - gemeinsam taten sie groß und hatten doch nicht viel zu bieten. Der Vesper, wie er hier geschildert wird, war ein "intellektuell hoch beschlagener, emotional verkorkster, in etlicher Hinsicht ausgesprochen unreifer junger Mann, der darunter litt, Sohn des Nazi-Hausdichters Will Vesper zu sein", und sich fortan entschieden in die entgegengesetzte Richtung bewegte, einen avantgardistischen Verlag gründete und mit seiner Freundin Gudrun Ensslin ein Buch "gegen die Atombombe" herausgab, während er immer weiter alle beeindrucken wollte - und am Ende alle mit seiner Aufdringlichkeit und Arroganz abschreckte. Doch offensichtlich, so Rathjen, kann so jemand dennoch zu Herausragendem in der Lage sein. Wie genau, das wird in diesem Fall ein Geheimnis bleiben: Die Anekdoten sind zwar zahlreich und interessant, doch Bernward Vesper behält sein Geheimnis.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.03.2005

Frank Schäfer bespricht in einer Doppelrezension Bernward Vespers Romanfragment "Die Reise" und Henner Voss' Erinnerungen an seine gemeinsame Zeit mit dem Autor, der sich 1971 unter LSD-Einfluss das Leben nahm. Henner Voss' Erinnerungsband "Vor der Reise" hat den Rezensenten "unangenehm" berührt. Der Autor beschreibe Vesper als "arroganten" und "durchgeknallten" Spinner, was Schäfer zu fragen veranlasst, was Vesper seinem ehemaligen Freund wohl "angetan hat", dass er derart über ihn herzieht. Noch unsympathischer findet der Rezensent, dass Voss sich auf "ehrpusselige Weise" als Vespers Helfer und Retter aufspielt, der ihn immer wieder aus unangenehmen Situationen befreien muss, in die sich Vesper durch sein verrücktes Verhalten gebracht hat. Schließlich meldet Schäfer angesichts der geschliffenen Dialoge, die der Autor vor 40 Jahren mit seinem Freund geführt haben will, Zweifel an der "Glaubwürdigkeit" des Buches an. Man merke diesen Gesprächen die nachträgliche Bearbeitung an, denn sie seien so "rhetorisch brillant und schlagfertig und so stupend gebildet", wie sie im richtigen Leben nie stattfinden, so der Rezensent unzufrieden.