Helene Berr

Pariser Tagebuch

1942-1944
Cover: Pariser Tagebuch
Carl Hanser Verlag, München 2009
ISBN 9783446232686
Gebunden, 336 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Was es bedeutet, jung zu sein in unsicherer Zeit: Noch im April 1942 beschreibt die Literaturstudentin Helene in ihrem Tagebuch Paris als Stadt der Lebensfreude. Im Juni bereits muss sie den Judenstern tragen, ihr Vater wird festgenommen, und sie beendet ihre Aufzeichnungen. Als sie das Tagebuch 1943 wiederaufnimmt, legt sie Zeugnis ab vom grassierenden Antisemitismus und von dem Unrecht, das während der deutschen Besatzung geschieht. Helene Berr steht internierten Juden und ihren Angehörigen bei. Sie schwebt in Gefahr, aber sie will nicht fliehen. Patrick Modiano hat Helene Berr mit Simone Weil und Katherine Mansfield verglichen. Ihr Tagebuch gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen der Shoa in Frankreich.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.06.2009

Dorothea Hahn begrüßt Helene Berrs Tagebuch der Jahre 1942-1944, das fast 70 Jahre nach ihrem Tod auf Deutsch erschienen ist. Die Aufzeichnungen der aus einer reichen jüdischen Pariser Familie stammenden jungen Frau, die an ihrem 23. Geburtstag deportiert wurde, haben sie sehr beeindruckt und bewegt. Nehmen Berrs Lieblingsautoren Shakespeare, Keats, Shelley in den Aufzeichnungen zunächst noch größeren Raum ein, entwickelt sich die Autorin zunehmend zu einer Chronistin, die festhält, was um sie herum geschieht und immer häufiger Berichte über "Deportation", "Selektion", "Konzentrationslager" einbezieht. Hahn hebt die Sprache des Buchs hervor, die sie als "ruhig und brillant" empfindet. Ihr Fazit: ein historisches und zugleich "sehr persönliches" Zeugnis, dem die Zeit nichts habe anhaben können: "Es führt direkt hinein in den brutalen Alltag jener Jahre, als sei es gestern gewesen."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.04.2009

Maike Albath hat das nun auf Deutsch erschienene Tagebuch der Pariser Jüdin Helene Berr sehr berührt. Der ungeheure Lebenshunger und der Wille zum Glück, der aus den Eintragungen spricht, haben die Rezensentin fasziniert und besonders eindrücklich findet sie, wie die politischen Entwicklungen durch die Folie der persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse in diesen Aufzeichnungen greifbar werden. Nach einer neunmonatigen Schreibpause verändert sich der Ton der Tagebuchaufzeichnungen, und statt des spielerischen findet sich nun ein "entschiedener", mitunter auch ein mutloserer Zug, stellt die Rezensentin fest. Ihr wird die Lektüre nicht nur wegen Berrs ausgeprägter Hellsichtigkeit für die Gefahr, in der sie und ihre Familie schweben, immer schwerer. Am Ende bleibt Albath nur noch zu berichten, dass Helene Berr, inzwischen nach Bergen-Belsen deportiert, kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers an Typhus starb.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.03.2009

Helene Berrs "Pariser Tagebuch" aus den Jahren 1942 bis 1944 ist der Rezensentin Ina Hartwig spürbar nahegegangen. Zunächst zeigt sie sich beeindruckt und fast angesteckt von der Lebensfreude, die aus der ersten Hälfte des Tagebuchs spricht: Die 21-jährige Studentin Helene berichte dort zwar vom zunehmenden Druck der antisemitischen Verfolgung, der sie sich unter der deutschen Besatzung ausgesetzt sieht. Doch das private Glück ihrer Liebe zu ihrem Kommilitonen Jean Morawiecki könne das Unheil einstweilen noch überstrahlen. Desto entsetzter zeigt sich die Rezensentin von der zweiten Hälfte des Tagebuchs. Nachdem Morawiecki Frankreich verlassen hat, um in Nordafrika gegen die Deutschen zu kämpfen, schnürt es der Rezensentin beim Lesen der Notate der allein zurückgebliebenen Helene Berr "den Hals zu": Denn hier finde sich keine Spur mehr von Zuversicht, sondern nur noch protokollartige Einträge, die das Fortschreiten der Katastrophe bezeugen, bis Helene Berr nach Bergen-Belsen verschleppt und dort 1945 ermordet wird. Jean Morawiecki hat das Tagebuch, wie Ina Hartwig berichtet, bei seiner Rückkehr nach Frankreich erhalten und zusammen mit der Nichte Helene Berrs 2008 schließlich veröffentlicht. Die Rezensentin preist nicht nur das literarische Talent, das sich darin offenbart, sondern rühmt auch die "ausgezeichnete" deutsche Übersetzung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.02.2009

Das Tagebuch, das die aus gutbürgerlicher jüdischer Familie stammende Studentin Helene Berr von 1942 bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz 1944 führte, hat Johannes Willms zutiefst beeindruckt und bewegt. Imponierend findet der Rezensent nicht nur den Stolz und die Tapferkeit, die aus diesem Tagebuch sprechen, in dem die Autorin die sich stetig verschlimmernden Lebensumstände für Juden im besetzten Paris dokumentiert. Er bewundert zudem die reflektorische Reife der 22-Jährigen und spricht dem Tagebuch auch eine beachtenswerte literarische Qualität zu. Die Aufzeichnungen, die Berr für einen Kommilitonen anfertigt, in den sie verliebt war, sind ein erschütterndes Dokument der Zeit, betont Willms, der sich auch mit der Übersetzung von Elisabeth Edl sehr zufrieden zeigt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.02.2009

Martina Meister zeigt sich beeindruckt von Helene Berrs Tagebuchaufzeichnungen aus dem besetzten Frankreich, einem erschütternden Dokument und Zeugnis einer klugen und sensiblen jungen Pariser Jüdin. In ihrem Artikel berichtet Meister vor allem von ihrer Begegnung mit Mariette Job, der Nichte Helene Berrs, durch deren Bemühungen das Zeitdokument publiziert werden konnte. Die Rezensentin schildert den Einsatz Jobs, die seit dreißig Jahren in der Vergangenheit bohre, um die Aufzeichnungen ihrer Tante zugänglich zu machen. Zwischen 1942 und 1944 führte Helene Berr dieses Tagebuch; 1945, so erfährt der Leser der Rezension, starb sie in Bergen-Belsen, nur wenige Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers. Es sind die Aufzeichnungen einer Frau, die die Tragödie kommen sah und trotzdem nicht fliehen wollte, wie Meister anerkennend bemerkt: Im Journal der Literaturstudentin erkennt die Rezensentin den "Zusammenprall von größtmöglichem Grauen und maximaler moralischer Größe".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.02.2009

Joseph Hanimann ist tief bewegt von dieser Lektüre. Auf den Spuren der 21 Jahre alten Pariser Jüdin Helene Berr nimmt er uns mit ins Memorial de la Shoah in Paris und trifft die Nichte Berrs. Vor allem aber vermittelt er einen Eindruck von dem außergewöhnlichen Journal der 1944 in Bergen-Belsen ermordeten jungen Studentin Berr. Für Hanimann ist das Buch mehr als ein weiterer Zeugenbericht. Bestechend durch seine Direktheit und Klarheit fungiert der Text für den Rezensenten zugleich als Lebenszeugnis, letzte Liebesbotschaft (an den Verlobten), Alltagsdokumentation aus dem besetzten Paris sowie hochreflexives Stück Literatur. Besonders beeindruckt zeigt sich Hanimann von der Ambivalenz aus Schönheit erspürender Sensibilität und von der Barbarei entfachter Empörungsfähigkeit, die die Autorin auszeichnet. In Berr erkennt Hanimann eine der großen Frauengestalten ihrer Zeit, die Heldenmut und Demut in sich vereint.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de