Hannes Heer

Vom Verschwinden der Täter

Der Vernichtungskrieg fand statt, aber keiner war dabei
Cover: Vom Verschwinden der Täter
Aufbau Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783351025656
Gebunden, 395 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Zum ersten Mal seit dem Ende der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" äußert sich Hannes Heer über Hintergründe der Kampagne gegen die Schau, deren Leiter er war. Sie hatte die Legende von der sauberen Wehrmacht in Frage gestellt, und der Schock war entsprechend groß. Die Versuche, die Ausstellung zu diffamieren, waren nach vier Jahren erfolgreich. Sie wurde zurückgezogen und durch eine neue, völlig entschärfte Version ersetzt. Der Krieg und seine Verbrechen sind darin wieder zum Werk einiger Spezialisten geworden. Sie zeigt Taten ohne Täter. Der Vorgang vom Verschwinden der Täter begann indessen früher. Hannes Heer findet bezeichnende Indizien in Aufzeichnungen und Nachkriegserinnerungen von Soldaten, im Wirken der Zensur bei den Kriegsromanen Bölls und Remarques, in Ernst Jüngers Umdeutung des eigenen Tagebuchs von 1942.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.08.2004

Verwandeln sich die Deutschen in ein Volk von Opfern? Für den Historiker Hannes Herr hat es den Anschein und Rezensent Johannes Klotz folgt dem Autor in dieser Diagnose des deutschen Selbstbildes. Heer beleuchtet in seinem neuen Buch, wie sich das geistige Klima in Deutschland verändert hat: Weniger über die eigenen Taten und die Täter aus den eigenen Reihen werde gesprochen, als vielmehr über die angeblich gezielte Auslöschung deutscher Städte, das Leid der Vertriebenen und die Vergewaltigungen durch die Rote Armee. Hier sieht Rezensent Klotz von Heer "eindrucksvolle literarische Beispiele" zusammengetragen, die Belege für ein Verwischen der Spuren liefern. Die ebenfalls im Buch enthaltene Kritik des Autors an der neuen Wehmachtsausstellung (die erste hatte Heer konzipiert) findet der Rezensent zwar nicht ganz gerechtfertigt, trotzdem haben ihn die von Heer aufgezeigten, zunächst ganz unscheinbaren Veränderungen in der Debatte, "erschauern" lassen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.05.2004

K. Erik Franzen stellt erfreut fest, dass Hannes Heer, der Leiter der ersten Wehrmachtsausstellung, sich in diesem Buch "glücklicherweise nicht nur als rechthaberischer Nachkarter", also nicht nur an einer Abrechnung mit der zweiten Wehrmachtausstellung versuche. Er könne mehr, lobt der Rezensent. "Sehr anregend" fand Franzen so etwa die Kapitel des Buches, die sich mit der Mentalität der Wehrmachtssoldaten beschäftigen. Recht überzeugend fand Franzen aber offenbar vor allem Heers These von einer "Tiefenströmung der deutschen Nachkriegsgeschichte", einer mal mehr, mal weniger bewussten "Arbeit am Mythos" vom "Land ohne Täter". "Am spannendsten" werde es gegen Schluss, so der Rezensent, wo Heer sich mit der gegenwärtigen Debatte um die deutschen Opfer beschäftigt. Am Beispiel des Autors Jörg Friedrich, der in seinem Bestseller "Der Brand" den alliierten Bombenkrieg als Genozidversuch an den Deutschen anklagt, beleuchtet Heer dort, so erfährt man, "den neuen alten Charme des Unschuldigseins".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.02.2004

Gegen das "Verschwinden der Täter" schreibe der Leiter der ersten Wehrmachtsausstellung Hannes Heer in seiner Aufsatzsammlung an, berichtet Wolfram Wette. Dieses Verschwinden, dessen Spuren der Autor bereits in den ersten Nachkriegsjahren bei Peter Bamm und Ernst Jünger ausmacht, beruht vor allem darin, referiert Wette, das Konkrete der Verbrechen, die vielen kleinen Täter, die doch den Holocaust erst ermöglichten, hinter generellen "nebulösen" Schuldzuschreibungen zurücktreten zu lassen. Vor diesem Hintergrund erklärt Heer auch den Streit um die erste und den "öffentlichen Konsens" über die zweite Wehrmachtsausstellung mit einer Verschiebung der Dokumentation hin zum Generellen und einem Verschwinden der "kleinen Männer", berichtet der Rezensent. Darüber hinaus weise Herr auf eine Tendenz in den letzten Jahren hin, in Dokumentationen zu den deutschen Vertriebenen oder zur britischen und amerikanischen Kriegsführung die "deutsche Opferrolle" stärker zu betonen und damit "einer Gleichsetzung von Holocaust und Bombenkrieg das Wort" zu reden, lobt Wette den Autor als "unbeirrten Aufklärer".