Dietmar Dath, Barbara Kirchner

Der Implex

Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee
Cover: Der Implex
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518422649
Kartoniert, 880 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

Dieses Buch behauptet, dass jede Zeit, jede Handlung, jeder Gedanke tatsächlich mehr Möglichkeiten der Selbstverbesserung enthält, als man auf den ersten Blick sieht. Den inneren Zusammenhang dieser verborgenen Freiheitsgrade nennt das Buch "Implex". Das Wort bezeichnet ein Modell, mit dem man erklären kann, wie Fortschritt in den Mühen tatsächlicher Menschen verwirklicht wird. Es macht verständlich, warum nur Epochen, die sich bestimmte Irrtümer erlauben, auch bestimmte Wahrheiten finden können, und es zeigt, dass die Aufklärung der Gegenwart Werkzeuge der Emanzipation vererbt hat, von denen sie selbst gar nichts wusste.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.03.2012

Die Lektüre von Dietmar Daths und Barbara Kirchners neuem Buch "Der Implex", in dem sie die Geschichte und Idee des sozialen Fortschritts untersuchen, hat Rezensent Jörg Später zugegebenermaßen einige Mühen gekostet, dennoch hat er dieses sehr anschauliche "intellektuelle Gewitter" mit Vergnügen gelesen. Der Kritiker würde das Werk am liebsten in "Wie wir doch noch den Kommunismus retten können" umbenennen, denn anhand einer Untersuchung von Wissenschaft, Technik, Geschichte, Künste, Politik und Philosophie liest er hier weniger die Geschichte des sozialen Fortschritts, als vielmehr eine "systematisch entwickelte Idee, was sozialer Fortschritt historisch, gegenwärtig und zukünftig sein könnte". Später liest hier neben der Einsicht, dass sozialer Fortschritt von der Beseitigung von Herrschaft abhängt, insbesondere eine dezidierte und brillante Kritik an der Vernunftkritik des 20. Jahrhunderts, bei der er sich allerdings etwas weniger Polemik und mehr Respekt gewünscht hätte. Während der Rezensent auch die Gewalttaten der kommunistischen Geschichte gerne mehr beleuchtet gesehen hätte, lobt er ausdrücklich die Passagen, in denen es um weiterführende Fragen geht, etwa derjenigen nach der Ver- beziehungsweise Entzauberung des Sozialen in Fantasy, Horror und Science Fiction. Abgesehen von einem gewissen Mangel an Selbstironie der Autoren, lobt der Kritiker dieses Buch als "lustvoll intellektuelle" Aufforderung, wieder über Kapitalismus und über Fortschritt zu sprechen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.02.2012

Selbst Rudolf Walther, durchaus kein Gegner linker Diskurse, mag in diesem Buch von Dietmar Dath und Barabara Kirchner kaum etwas Positives sehen. Im Gegenteil, Punkt für Punkt arbeitet er die ihm bereiteten Zumutungen ab, von denen die "verquaste Syntax" noch die geringste sei. Dabei ist ihm der von den Autoren stark gemachte Gedanke ganz sympathisch, dass durch die Frühaufklärung der "soziale Fortschritt" denkbar wurde und somit Ungerechtigkeit ihre Rechtfertigung verloren habe. Aber was die beiden Autoren daraus machen, findet Walther schauderhaft. Und mit welchem "Imponiergehabe", mit welchem "Manifestschreibergestus" sie durch die Philosophiegeschichte hecheln, findet er frech. Vereinfachungen und Verkürzungen wirft er ihnen vor, ob sie nun David Hume behandeln, Ernst Bloch oder Pierre Bourdieu. Die "Geschichtsklitterung", mit der sie den von Robespierre und Lenin propagierten Terror den "Feinden der Revolution" in die Schuhe schieben, quittiert der Rezensent da nur noch mit Kopfschütteln - aber durchaus auch mit einem Gegenbeleg.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.02.2012

Solange Dietmar Daths Bücher wenigstens im Aufmacher verrissen werden, muss er sich wohl um seinen Status als Lieblingsmarxist des Feuilletons keine Sorgen machen. Alexander Cammann sieht in seinem neuesten Werk "Implex" ein Symptom für die Krise des antikapitalistischen Denkens, die er für mindestens ebenso groß hält wie die Krise des Kapitalismus selbst. Sinn und Zweck des Buches erklärt Cammann so: Den Begriff "Implex" haben die Dath und Koautorin Barbara Kirchner von Paul Valery entliehen, er soll das Potenzial des Neuen im Alten aufzeigen. Für Cammann ist das ein ziemlich "lichtschwacher Suchscheinwerfer", wer hält schon das Alte für nur für alt und blöd? Und wenn die beiden dann verhindertem Fortschritt in allen Bereichen des Lebens nachspüren – Staat, Ökonomie, Arbeit, Kunst, Philosophie, Liebe, etcetera –, dann tun sie das in Cammanns Augen in einer "naseweisen Checkerpose", die dem Rezensenten ebenso auf die Nerven ging wie überhaupt die "kalaschnikowhafte Selbstermächtigungsprosa".