Dieter Thomä

Vom Glück in der Moderne

Cover: Vom Glück in der Moderne
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518292488
Kartoniert, 326 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Die Moderne hat dem Glück ein Wechselbad bereitet. Einerseits gab es Großprojekte zur Schaffung des "Neuen Menschen", die das Glück in Dauerstellung bringen sollten, aber meist in eine Katastrophe führten. Andererseits meinte man den Individuen einen Gefallen zu tun, indem man es ihnen überließ, ihr Glück zu machen und zu bestimmen. So spielt das Glück eine irrlichternde, zentrale ebenso wie dezentrale Rolle. Es wird mit dem Fortschritt der Moderne insgesamt gekoppelt, zugleich aber individualisiert und privatisiert. In seinem neuen Buch wendet sich Dieter Thomä gegen Patentrezepte und Freibriefe gleichermaßen und setzt statt dessen auf die kritische Funktion des Glücks, das den Weg zu einer Revision des Verständnisses der Moderne und des Begriffs der Subjektivität weisen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.03.2004

Anregend findet Rezensent Magnus Schlette dieses "ideengeschichtlich versierte" Buch, in dem sich Dieter Thomä mit den Theorien des gelingenden Lebens in der Moderne beschäftigt. Wie Schlette berichtet, sieht Thomä in der Moderne ein Streben nach Selbsterhaltung dominieren, an das sich in der Theorie des Utilitarismus die Beförderung des allgemeinen Glücks anschließt. Selbsterhaltung durch Selbstbestimmung werde dann verstanden als Verfolgung von Präferenzen, die die Individuen auf der Grundlage subjektiver Wertungen und im Horizont autonomer Lebensentwürfe ausbildeten. Zwar betont Thomä, wie Schlette darstellt, dass in der Moderne jede zeitgemäße ethische Reflexion dem individuellen Glücksstreben der Menschen Rechnung tragen müsse. Aber er hebt andererseits auch hervor, dass die Hoffnung, Glück durch die Verbindung der Ziele von Selbsterhaltung und Selbstbestimmung planvoll gestalten zu können, fehl am Platz sei. "Glück", weiß Schlette, "stellt sich ein als unverfügbare Augenblicksreaktion und kann dann, allerdings kaum objektivierbar, etwas von der ersehnten Wahrheit flüchtig aufscheinen lassen."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.12.2003

Insgesamt positiv beurteilt Ludger Heidbrink diesen Band mit Aufsätzen des in St. Gallen lehrenden Philosophen Dieter Thomä, der die Idee des Glücks gegen seine Feinde und Verächter in der Moderne in Schutz nehmen will, ohne es als unmittelbares Handlungsziel zu propagieren. Worauf Thomä letztlich hinaus will, findet Heidbrink allerdings "nicht ganz einfach zu verstehen". Gegen das Zerrbild des konsumorientierten und hedonistischen Individuums setze Thomä auf die Sorge um Selbsterhaltung "inmitten der Geschichte", die für ihn weder mit bloßer Bedürfnisbefriedigung noch mit autonomer Selbstbestimmung zusammenfallen. Der Mensch müsse erkennen, "dass er das Glück nicht erschafft, sondern dass es ihm 'zuteil wird'", formuliert Heidbrink die zentrale These des Philosophen. So liegen für Thomä die Krisen der Moderne vor allem in der Überforderung des Einzelnen mit umfassenden Glücksansprüchen. Stattdessen plädiere Thomä für die Hinnahme "situativer" Glücksmomente und die "Zufriedenheit mit sich" (Nietzsche). In diesem Zusammenhang stellt sich für Heidbrink freilich die Frage, ob das zufallende Glück, das nicht in unserer Macht stehe, noch eines sei und ob es ausreiche, sich von der Utopie der Selbstbestimmung zu verabschieden, um eine neue Lebenszufriedenheit zu gewinnen. Doch trotz solcher Unklarheiten erblickt er in Thomäs Buch eine "wichtige Vorlage", insfoern es unsere Vorstellungen des richtigen Lebens in die sozialpolitischen Kontexte einbette, in denen es seine Erfüllung finden soll.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2003

Gustav Falke lässt sich von den Überlegungen des Autors über Glück in der Moderne nicht überzeugen; er findet manches, was Dieter Thomä darlegt "seltsam". Die Überlegungen des Autors gründen darauf, dass es falsch sei, von einem souveränem Individuum auszugehen, das sein eigenes Glück in die Hand nehmen könne. Vielmehr fällt dem modernen Menschen das Glück als "situatives" zu, erläutert der Rezensent Thomäs Ausführungen. Für den Rezensenten ist allerdings nicht zu ersehen, wo in diesen Ausführungen der Unterschied zur "neoliberalen Idee" von der Eigenverantwortlichkeit, sein Glück zu machen, liegt, gegen die sich der Autor vehement wendet. Außerdem "stimmt es nicht", wie der Autor behauptet, dass das moderne Individuum sich ständig die Frage stellt, ob sein Leben insgesamt geglückt ist, widerspricht Falke. Vielmehr setzt sich aus einzelnen Glücksmomenten das geglückte Leben zusammen, und indem der Autor "diese Intention" bezweifelt, degradiert er dieses Glück ungerechtfertigter Weise zum puren "fun", kritisiert der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.10.2003

"Fast auf den Tag genau lässt sich datieren, wann es mit dem Glück philosophisch zu Ende ging." Und es ist Kant, der es auf dem Gewissen hat, meint erheitert der Rezensent Manfred Geier. In dieser Aufsatzsammlung, so Geier, möchte der Philosophieprofessor Dieter Thomä, allen Unglücksraben zum Trotz, besagtes Glück wiederauferstehen lassen, zumindest als ein der Philosophie würdiger Begriff. Zunächst widme sich Thomä den nur als Spuren vorhandenen "Glückvorstellungen" bei Benjamin, Wittgenstein, Adorno und Horkheimer (von dem auch das Motto der Textsammlung stammt: "Wer glücklich ist, bedarf nicht der Bosheit."). Daraufhin versuche er, "gegen die gebildeten Verächter des Glücks eine Verteidigungslinie aufzubauen", indem er erforsche, welche "Bilder des Glücks" in der Kontroverse um den "Neuen Menschen" durchschimmern. Dabei folge Thomä einer doppelten Zielsetzung: einerseits "philosophisch für Klarheit zu sorgen" und aber zugleich "die Komplexität des Problems zu wahren". Und nach Ansicht des Rezensenten ist ihm dies auch gelungen. Thomä liefere weder "Beschreibungen eines glücklichen Lebens" noch eine "begriffliche Analyse", sondern die Erkenntnis dessen, "was nicht mehr gesagt werden kann". Denn das Glück sei mit der Moderne "nomadisierend" geworden. Die paradoxe "Unverfügbarkeit" des Glücks, so Geier, bleibt auch bei Thomä bestehen. Wenn man sie jedoch annehme, könne man glücklich sein. Und somit bleibt wenigstens ein Funken Hoffnung, findet der Rezensent.
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