Cormac McCarthy

Stella Maris

Roman
Cover: Stella Maris
Rowohlt Verlag, Hamburg 2022
ISBN 9783498003364
Gebunden, 240 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren. "Der Passagier" und "Stella Maris": Zwei Romane ohne Vorbild. Die Wahrheit des einen negiert die des anderen.1972, Black River Falls, Wisconsin: Alicia Western, zwanzig Jahre alt, lässt sich mit vierzigtausend Dollar in einer Plastiktüte und einem manifesten Todeswunsch in die Psychiatrie einweisen. Die Diagnose der genialen jungen Mathematikerin und virtuosen Violinistin: paranoide Schizophrenie. Über ihren Bruder Bobby spricht sie nicht. Stattdessen denkt sie über Wahnsinn nach, über das menschliche Beharren auf einer gemeinsamen Welterfahrung, über ihre Kindheit, in der ihre Großmutter um sie fürchtete - oder sie fürchtete? Alicias Denken kreist um die Schnittstellen zwischen Physik, Philosophie, Kunst, um das Wesen der Sprache. Und sie ringt mit ihren selbstgerufenen Geistern, grotesken Chimären, die nur sie sehen und hören kann. Die Protokolle der Gespräche mit ihrem Psychiater zeigen ein Genie, das an der Unüberwindbarkeit der Erkenntnisgrenzen wahnsinnig wird, weder im Reich des Spirituellen noch in einer unmöglichen Liebe Erlösung findet und unsere Vorstellungen von Gott, Wahrheit und Existenz radikal infrage stellt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.12.2022

Rezensent Claus-Jürgen Göpfert verneigt sich vor Cormac McCarthy, der sich nach langer Pause und mit fast 90 Jahren noch einmal mit zwei Romanen zu Wort meldet. Diese sollte man laut Göpfert am besten parallel lesen, so eng hängen für ihn "Der Passagier" und "Stella Maris" zusammen: Beide erzählen von dem Geschwisterpaar Alice und Bobby und ihrer inzestuösen Liebe zueinander, wobei sich das erste Buch mehr um Bobby und die Traumata der jüngeren US-amerikanischen Geschichte, das zweite Buch mehr um die hochbegabte aber psychisch kranke Alice und die Mathematik dreht, wie Göpfert zusammenfasst. Dabei macht er drei für McCarthys Schreiben bezeichnende Ebenen aus: die politische, auf der der Autor etwa über die Atombombe oder die Ermordung J.F. Kennedys sinniere, die poetische, die bei McCarthy nicht selten eine der brutalen Beschreibung von Menschheitsverbrechen sei, und die Ebene der Naturbeschwörung - hier zeigt sich für Göpfert am deutlichsten das Sprachtalent McCarthys, dessen "karge" und zugleich "melancholische" Prosa den Kritiker auch dieses Mal wieder besticht. Ein umfangreiches und eindrückliches "Alterswerk", staunt Göpfert, für den die vielen "kulturpessimistischen, zivilisationskritischen Seitenhiebe" da ganz selbstverständlich dazu gehören.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.11.2022

Nach sechszehnjähriger Abstinenz hat Cormac McCarthy gleich zwei neue Bücher vorgelegt, die zusammengehören. In beiden geht es um das Geschwisterpaar Alicia und Robert Western. Alicia ist Mathematikerin, genial, aber von psychischen Belastungen verfolgt, die sie in "Stella Maris" in die Psychiatrie gebracht haben, wie Rezensent Felix Stephan verrät. Dieses Buch besteht einzig und allein aus einem Gespräch zwischen der Protagonistin und ihrem Arzt und sei gerade deswegen so spannend, ein formales Experiment, das Genregrenzen sprenge, da es verschiedenste Theorien von Freud bis zum Mathematiker Alexander Grothendieck verhandele, so der Kritiker. Er erkennt in Alicias Äußerungen zur Bedeutung der mathematischen Wissenschaft von Zeit zu Zeit auch Cormac McCarthys eigene Perspektive, auch deshalb ist der Roman für ihn so empfehlenswert.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 22.11.2022

Rezensentin Miriam Zeh warnt vor Pathos im Spätwerk von Cormac McCarthy. Wieso Verlag und Autor die Dialoge der Schwester des Helden von McCarthys aktuellem Roman-Mehrteiler in einen eigenen Band ausgelagert haben, erschließt sich Zeh zudem nicht. In laut Zeh simpler Gestalt reiht der Autor hier halluzinatorische Visionen einer Schizophrenen aneinander und rührt sie zu sokratischen Gesprächen über Mathematik und den Sinn des Daseins an. Nicht immer erschließen sich die dahinter steckenden Theorien der Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.11.2022

Über gleich zwei neue Romane von Cormac McCarthy darf sich Christoph Schröder freuen: "Der Passagier" und "Stella Maris" handeln von einem über mysteriöse Wege verschlungenen und verbundenen Geschwisterpaar, Alicia und Bobby. Wir erfahren, dass das Mysteriöse, Apokalyptische, Radikale, das für McCarthy so typisch ist, auch hier wieder auftaucht, diese Düsternis zeigt der Rezensent auch mit eindrucksvollen Passagen aus den beiden Büchern. Während Bobby als Taucher in "Der Passagier" in einen seltsamen Vermisstenfall involviert ist, handelt der zweite Roman von den Therapiegesprächen seiner Schwester, die letztlich Suizid begehen wird. Diese Grenzgänge und Ausnahmesituationen, in denen sich McCarthys Figuren bewegen, lassen manchmal Lücken offen, die der Rezensent nicht ganz einzuordnen weiß, vielleicht habe der Autor den Faden verloren, vielleicht sei es geniale Absicht. Große Themen findet Schröder durchgängig: Gott, Liebe, Wahnsinn. Und das ohne Kitsch und Pathos. Er ist tief beeindruckt und fürchtet sich, dass das die letzten Bücher des fast 90-jährigen Großmeisters gewesen sein könnten.