Aravind Adiga

Letzter Mann im Turm

Roman
Cover: Letzter Mann im Turm
C.H. Beck Verlag, München 2011
ISBN 9783406621567
Gebunden, 513 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Susann Urban und Ilija Trojanow. Wen man in Bombay auch nach der "Vishram Society" fragen würde - Turm A der "Vishram Cooperative Wohnungsbaugesellschaft" -, jeder würde sagen, dass diese Wohnanlage in der Nähe des Flughafens und am Rande von Slums dennoch eine gute Adresse ist. Aber nicht nur Bombay hat sich in den letzten fünfzig Jahren verändert - und heißt jetzt Mumbai -, auch der Immobilienmarkt - überall in Mumbai wird abgerissen, Neues gebaut und viel frisches Geld ist in Umlauf. Als der Immobilientycoon Dharmen Shah den Bewohnern von Vishram Society das Angebot macht, sie rauszukaufen, damit er einen Luxusapartment-Komplex errichten kann, ist sein Angebot mehr als großzügig. Aber nicht jeder ist bereit, auszuziehen und dafür viel Geld mitzunehmen, das Angebot gilt jedoch nur, wenn alle zustimmen! Die Anspannung steigt unter den Bewohnern, und einer, der pensionierte Lehrer Masterji, einst am meisten respektiert, ist nun das Hindernis für diesen Deal. Shah ist ein gefährlicher Gegner, aber auch alte Freunde können zu Feinden werden ...

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.12.2011

Rezensentin Michaela Metz weiß aus einem Interview mit dem indischen Autor Aravind Adiga, dass er sich zu seinem Roman durch einen Zeitungsartikel hat inspirieren lassen. Ein Immobilienhai will ein altes Haus in Mumbai abreißen und bietet den Bewohnern viel Geld, damit sie ausziehen. Alle willigen ein, bis auf den alten Lehrer Yogesh Anatha Murthy, der damit die Wut der anderen auf sich zieht, fasst Metz  zusammen. Der Roman verhandelt die "Gentrifizierung" der Metropole und führt vor, wie auch eine Hausgemeinschaft der Mittelschicht durch die Aussicht auf viel Geld auseinander bricht und alte Beziehungen in Frage gestellt werden, so die Rezensentin. Ihr fällt auf, dass dieser Roman wesentlich "konventioneller" und sprachlich weniger ambitioniert ist, als Adigas mit dem Booker-Preis ausgezeichneter Roman "Der weiße Tiger". Das erklärt sich ihr damit, dass der Autor für letzteren wegen angeblicher Verunglimpfung Indiens heftig von seinen Landsleuten kritisiert wurde. "Radikal" findet Adiga seinen neuen Roman dennoch, weil es die Käufer seines Buches aus der Mittelschicht sind, die er darin ins Visier nimmt, lässt die Rezensentin wissen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2011

Mit "Letzter Mann im Turm" wirft Aravind Adiga einen kühlen und böse-komischen Blick auf Indiens Mittelschicht, der Claudia Kramatschek ausnehmend gut gefallen hat. Der Hausgemeinschaft eines alten Hauses in Bombay wird eine hohe Summe geboten, wenn sie auszieht und das Haus einem Investor überlässt, der daraus Luxusappartements machen will; nur ein Mann widersetzt sich dem verlockenden Angebot und macht sich damit seine ehemals freundlich gesinnten Mitmieter zu Feinden, erfahren wir. Die Rezensentin findet es besonders faszinierend, dass der indische Autor und Journalist hier kein reines Gut-Böse-Schema ausarbeitet, sondern seine Figuren komplex und facettenreich zeichnet. So prangert er mit bissiger Komik nicht nur Neid, Geldgier und Haifischmentalität an, sondern zeigt auch Verständnis für die Sehnsüchte und Wünsche der Menschen, so Kramatschek eingenommen. Bis auf das für ihren Geschmack etwas "dick aufgetragene", wenn auch rasante Ende findet sie diesen Roman fesselnd und überzeugend, der zudem durch Ilija Trojanow und Susann Urban glänzend übersetzt ist, wie sie lobt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.10.2011


Bitter enttäuscht zeigt sich Ernst Osterkamp von diesem zweiten Roman Aravind Adigas - dabei hatte ihm der mit dem Booker-Preis gefeierte Erstling noch sehr gut gefallen. Von der Fülle, dem Witz, dem Drive, der das erste Buch "Der weiße Tiger" ausmachte, ist zu seinem Bedauern wenig geblieben. Dafür habe sich der Hang des Autors zur "Überdeutlichkeit", der gelegentlich vorher schon störte, nun außerordentlich deutlich ausgeprägt. Erzählt wird hier die Geschichte eines störrischen alten Mannes, der gegen den seinen Mitbewohnern nur zu genehmen und wohlbezahlten Auszug aus zum Abriss stehenden Wohntürmen opponiert. Er wird so zur Gegenfigur eines Immobilienhais - und so schematisch, wie sich das anhört, hat es Ernst Osterkamp auch gefunden. Lang ist der Roman außerdem und irgendwann habe er sich nur noch gewünscht, seufzt der Rezensent, der störrische alte Mann möge sterben, damit es vorbei ist mit der zusehends quälenden Lektüre.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.09.2011

Auf eine einsame Insel würde Judith von Sternburg diesen Roman nicht mitnehmen, denn er erzählt  was man braucht, um unter vielen Menschen zu leben. Dass die höllischen anderen einem das Leben schwer machen, hält auch Sternburg für keine neue literarische Weisheit, aber dem indischen Autor Aravind Adiga gelingt es trotzdem, die sozialen und gesellschaftlichen Gegensätze neu auszufechten. Der Schauplatz, den er dazu wählt, ist ebenso eng wie emblematisch - ein Wohnturm im lauten, überfüllten Bombay. Seine Hauptfigur ist ein ewiger Überlebender, ein alter Lehrer, den nichts mehr beeindruckt oder beunruhigt. Dieser Roman, der von überfüllten Städten, Verfall und den Auszehrungen des Kapitalismus berichtet, erzählt letztlich von dessen Gegenteil, meint Sternburg, von der "Unverwüstlichkeit" des Menschen nämlich.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.09.2011

Die pralle Lebensnähe von Aravind Adigas Bombay-Roman hat Shirin Sojitrawalla nachhaltig beeindruckt. Der indische Autor erzählt darin von einer bunt gemischten Hausgemeinschaft, die bereit wäre, ihre Wohnungen für das Angebot eines Immobilienspekulanten aufzugeben, wäre da nicht der pensionierte Physiklehrer, der sich starrsinnig weigert, fasst die Rezensentin zusammen. Adiga, der sich von einer Zeitungsmeldung zu diesem Roman inspirieren ließ, nimmt hier ein zurzeit in Indien virulentes Thema auf, betont Sojitrawalla. Dabei setze er weniger auf Satire, wie viele andere Romane über Bombay, sondern präsentiere den "traurigen Kern", nämlich die Bedrohung der Freiheit des Einzelnen durch die allgegenwärtige Korruption. Ein Glossar hätte die Rezensentin begrüßt, ansonsten aber weiß sie den Roman zu schätzen, der trotz seiner schonungslosen Darstellung Bombays auch so etwas wie eine "Liebeserklärung" an diese Stadt ist, wie sie schreibt.